17. Januar 2017

Rezension [Klassiker]: "Der große Gatsby" von F. Scott Fitzgerlad


Titel: Der große Gatsby
Autor: F. Scott Fitzgerald
Verlag: Diogenes
Preis: 9,90€
Seiten: 256

„Der große Gatsby“ stand bis vor Kurzem auf meiner persönlichen Liste der Bücher, die man im Leben gelesen haben sollte. Das Werk gilt als Weltliteratur, als Klassiker. Vor einigen Jahren sah ich die Verfilmung mit Leonardo DiCaprio und die Geschichte faszinierte mich. Aber das Buch sei bestimmt kompliziert, so dachte ich. Als ich dann aber eine preisreduzierte Ausgabe ergattern konnte, musste ich das Buch endlich lesen. Doch, dass es mich so begeistern würde, konnte ich nicht wissen. Ich bin sprachlos, denn „Der große Gatsby“ ist etwas ganz Besonderes, etwas Großartiges. Das Buch ist so unscheinbar und gleichzeitig gewaltig, dass ich es kaum fassen kann. Doch absolut zurecht gilt es als Meisterwerk und ich habe es geliebt. Wenn euch der prunkvolle Film gefallen hat und ihr Fans der Literatur seid, dann dürft ihr euch diesen Klassiker nicht entgehen lassen! Atemberaubend!

Klappentext


New York 1922. Auf seinem Anwesen in Long Island gibt Jay Gatsby sagenhafte Feste. Er hofft, mit seinem neuerworbenen Reichtum, mit Swing und Champagner seine verlorene Liebe zurückzugewinnen. Zu spät merkt er, dass er sich von einer romantischen Illusion hat verführen lassen.

Meinung


Das erste, worüber ich mich wunderte, war die Kürze des Werks. Ein weltberühmtes Buch, das nur 225 Seiten hat? Wirklich? So wenig Stoff war Grundlage des fast zweieinhalb Stunden langen Films mit dem Oscarpreisträger Leonardo DiCaprio? In der Zeit hätte man ja beinahe das Buch lesen können. Doch, Moment. In zweieinhalb Stunden ist es mit diesem Buch auf keinen Fall getan. Denn wer es in dieser Zeit liest, der hat es nicht richtig gelesen. Ich verstehe die Kritik nicht, dass das Buch in Teilen langgezogen oder ausschweifend sei. Meiner Meinung nach ist die verdichtete Prosa absolut präzise verfasst und schweift niemals unnötig ab. Der Autor F. Scott Fitzgerald wusste mit jedem Satz ganz genau was er tat und das ist das Wunderbare an diesem Werk. Man hat das Gefühl, dass man ein Stück Kunst liest, ohne dass es einem zu schwer wird. Das Buch ist in jedem Fall gewaltig, ja. Aber nicht schwer. Weder der Stil noch die Handlung machen es kompliziert. Eigentlich ist der Kern der Geschichte sogar sehr simpel – die unverstandene und verfälschte, ja vielleicht sogar unerwiderte Liebe. Aber obwohl die Geschichte viel Abstoßendes hat, erzählt Fitzgerald sie so unglaublich schön, dass man im Stil gefangen ist. Seine Sprache ist bildreich, metaphorisch, geheimnisvoll und gleichzeitig präzise. Der Satzbau ist großartig und ich fühlte mich, als würde ich in einem Gedicht feststecken. Einige Zitate regten mich einfach zum Träumen an:
„Die Sonne schien, ich sah die Blätter an den Bäumen wie im Zeitraffer sprießen, und da regte sich in mir die vertraute Gewissheit, dass das Leben mit dem Sommer neu beginnt.“ (S. 15)
Ich finde, das ist eine sehr schöne Sichtweise. Das Leben beginnt mit dem Sommer neu – ja, irgendwie schon. Der Erzähler Nick Carraway schreibt die Geschichte seines extravaganten Nachbarn Gatsby auf. Obwohl das Buch nur 225 Seiten hat, kommt es 60 davon sogar ohne seinen Namensgeber aus. Und das fiel kaum auf. Denn Gatsby ist ein ganz besonderer, geisterhafter und umworbener Charakter. Seine Geschichte ist schemenhaft und man erfährt nie die ganze Wahrheit über ihn. Doch für mich war er der sympathischste und aufrichtigste Mensch in diesem Buch. Denn gleichzeitig ist Fitzgeralds Roman eine Gesellschaftsskizze der 20er Jahre und er stellt diese Gesellschaft gnadenlos dar. Dieses Porträt ist faszinierend und sehr detailliert beschrieben. Natürlich ist alles in diesem Roman fiktiv und dennoch merkt man einfach, dass noch so viel mehr dahintersteckt. Die Charaktere sind irgendwie vielschichtiger als in heutigen Büchern. Die Zeit und die Kulisse sind einfach eine völlig andere, so dass das Verhalten der Menschen heute völlig irrational erscheint. Und dennoch bleibt vor allem Faszination zurück. Denn in vielem, was die Figuren äußern, steckt ein wahrer Kern. So sagt Jordan Baker über Gatsby und seine prunkvollen Partys:
„Jedenfalls gibt er große Partys“, sagte Jordan, was ihre Art war – mit dem typischen Widerwillen des Städters gegen alles Konkrete -, das Thema zu wechseln. „Und ich mag große Partys. Sie sind so intim. Auf kleinen Partys ist man nie unter sich.“ (S. 67)
Auch diese Aussage macht auf den zweiten Blick erst so richtig Sinn. Wie ich schon sagte, fliegt nicht durchs Buch – genießt es! Wie im Zitat schon anklingt, bleibt Gatsby lange geheimnisvoll. Eigentlich ist er eine tragische Figur. Doch eben auch der tragische Held. Am Ende tat mir diese Figur nur noch leid und mein Hass entlud sich auf zwei spezielle Charaktere des Buches. Natürlich bekommt der Leser die Sicht des Erzählers Nick aufgebrummt. Und auch Nick verachtet das Ehepaar Buchanan. Völlig zurecht. Der Schurke in diesem Buch ist das Geld. Und das kann man wiederum mit der Figur der Daisy gleichsetzen. „Ihre Stimme klingt nach Geld“, sagt Gatsby einmal und laut  Paul Ingendaary (der Verfasser des Nachwortes) ist es einer der berühmtesten Sätze des Buches (siehe S. 235). Daisy erscheint als unschuldiges Mädchen, das sich nach der Liebe sehnt und entpuppt sich als grausamer Charakter, der sich immer selbst am wichtigsten sein wird. Wie Nick kurz vor Ende des Buches treffend formuliert:
„Mir kam das alles sehr leichtfertig und verworren vor. Sie waren leichtfertige Menschen, Tom und Daisy – sie zerstörten Dinge und Lebewesen, und dann zogen sie sich wieder in ihr Geld oder ihre grenzenlose Leichtfertigkeit zurück oder was immer es war, dass sie zusammenhielt, und ließen andere das Chaos beseitigen, das sie angerichtet hatten…“ (S. 222)
'Sie zerstörten Dinge und Lebewesen'….Zerstörung ist ein zentraler Punkt in „Der große Gatsby“. Nicht nur die Zerstörung von Dingen, sondern eben von Lebewesen. Von Menschen. Von Existenzen. Zerstört wird hier die Fassade eines Gentleman, eines jungen Mannes, der von ganz unten kommt und alles für einen schon ausgeträumten Traum gibt. Die Geschichte ist tragisch und groß. Und deshalb ist der Titel der einzig richtige für dieses Buch: „Der große Gatby“.
Der Erzähler Nick ist übrigens auch ein sympathischer Kerl. Er ist nicht ganz so unschuldig, wie es manchmal den Anschein hat und dennoch ist er einer der Guten. Seine Art zu erzählen gefiel mir sehr gut und letztendlich begreift er, dass seine Freundschaft zu Jay Gatsby echt war. Die letzte Szene zwischen den beiden ließ mich ergriffen zurück. Fitzgerald hat eine so traurige und schöne Geschichte geschrieben. Lest sie!
Solltet ihr ebenfalls diese Ausgabe besitzen, empfehle ich euch, auch das Nachwort zu lesen. Man erfährt sehr viel zum Hintergrund des Werkes und zum Leben des Autors. Es ist überaus interessant und lehrreich. Mich hat dieses Buch einfach nicht losgelassen. Und umso trauriger ist es, dass es zu Lebzeiten von Fitzgerald ein Misserfolg war. Was war nur mit der Gesellschaft der 20er Jahre verkerht?!

Fazit



Ich liebe dieses Buch. Ich vergöttere den Stil. Ich bin von den Figuren fasziniert. Ich bin so überwältigt, dass mir nun endlich doch die Worte fehlen. F. Scott Fitzgerald hat mit seinem Gatsby ein wahres Meisterwerk geschrieben. Aus jedem Satz erklingt die Kunst und lädt den Leser ein in einem anderen Zeitalter zu verweilen. Könnte ich mehr als fünf Spitzenschuhe vergeben, würde ich das tun. Doch das ist leider nicht möglich, alter Knabe.



4 Kommentare:

  1. Guten Morgen liebe Julia!

    Was für ein Zufall! Letztes Wochenende habe ich mir die Verfilmung im Fernsehen angesehn und wieder mal darüber nachgedacht, das Buch zu lesen. Jetzt werde ich mich definitiv mal dran wagen. ;)

    Liebste Grüße
    Nina von Book Blossom ♥♥♥

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    1. Hey Nina :)
      Ach, wie lustig! :D Das passt ja wirklich. Ich hab mir übrigens gerade den Film gekauft, weil ich ihn jetzt nach dem Lesen noch einmal unbedingt sehen will :D Wir tauschen dann also die Rollen ;) Ich kann dir das Buch aber wirklich nur empfehlen.
      Liebste Grüße,
      Julia

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  2. Immer wieder bekomme ich mit, wie sehr dieses Buch und der Autor geliebt werden und ich kann es einfach nicht nachempfinden. Gatsby fand ich okay und "Zärtlich ist die Nacht" habe ich irgendwann aufgegeben. Ich glaube, Fitzgerald und ich werden in diesem Leben keine großen Freunde mehr. Ich freu mich aber, dass es dir so gefallen hat. :)

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    1. Waaaaas?! Du magst das Buch nicht? :'( Ach, wie schade. Aber es gibt immer diese Bücher, die jeder liebt und einem selbst nicht gefallen ;) Ich möchte mich noch an "Die Schönen und Verdammten" wagen, mal abwarten ;)
      :*

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