23. April 2019

Rezension [Hörbuch]: "Der Mann, der Sherlock Holmes tötete" von Graham Moore



Titel: Der Mann, der Sherlock Holmes tötete
Autor: Graham Moore
Sprecher: David Nathan
Verlag: Bastei Lübbe Audio
Preis: 14,99€
Seiten: 480
Dauer: 433 min.


Sherlock Holmes ist eine Legende. Nicht umsonst versuchen sich so viele Literaten und Regisseure an dem Stoff, der von Sir Arthur Conan Doyle verfasst wurde. Oftmals gelingen diese Auferstehungen, doch einfach ist es nicht, sich mit dem großen Autor zu messen. Die Raffinesse des Meisters hat nicht jeder, weshalb der Holmes-Faktor schwer zu erreichen ist. 
Doch Graham Moore gelingt genau dieses Kunststück mit seinem Buch „Der Mann, der Sherlock Holmes tötete“ absolut, indem er sich einem neuen Sujet im Holmes-Kosmos zuwendet und den Leser so auf eine sehr aufregende und spannende Reise entführt. Das Hörbuch zu eben diesem Titel konnte mich absolut begeistern, weshalb ich schon hier eine Empfehlung aussprechen muss!


Arthur Conan Doyle tritt in die Fußstapfen seiner berühmtesten Figur Sherlock Holmes: Weil Scotland Yard keinen Anlass sieht, den Mord an einem augenscheinlich leichten Mädchen aufzuklären, macht er sich selbst auf die Suche nach dem Mörder. Er schleicht durch die dunklen Straßen des viktorianischen London und landet an Orten, die kein Gentleman betreten sollte. Etwa hundert Jahre später ist ein junger Sherlock-Fan in einen Mordfall verstrickt, bei dem Doyles verschwundenes Tagebuch und einige Fälle seines berühmten Detektivs eine wichtige Rolle spielen. Zwei Morde, zwei Amateurdetektive, zwei Welten – und ein großer Lesespaß!

Der Titel hat es in sich und zieht sofort die Aufmerksamkeit auf sich. Ich mag es, wenn Buchtitel etwas länger sind und hier schwingt im Namen gleich etwas Mysteriöses mit. Der Klappentext auf der Rückseite des Hörbuchs hingegen ist deutlich verwirrender, als der obige. Deswegen war ich vor dem Hören ein wenig irritiert, als die Geschichte zwei Erzählstränge eröffnete. Doch als Hörer findet man sich schnell zurecht, was vor allem daran liegt, dass die Geschichte von Anfang an fesselnd ist! Sherlock Holmes hat immer etwas Fesselndes an sich, doch in dieser Geschichte geht es eben gar nicht um den großen Detektiv selbst. Wie der Name schon verrät, geht es um seinen Erschaffer – Arthur Conan Doyle. Und im Sherlock-Holmes Universum wird dieser natürlich ebenso sehr verehrt, wie der Detektiv - haben die Fans es doch nur ihm zu verdanken, Holmes auf viele Abenteuer folgen zu dürfen. Ich fand es so toll, am Anfang bei der Sherlockianern auf der großen Messe zu sein und all dieses abgedrehte Zeug mitzubekommen. Es gibt bestimmt viele Menschen, die beide Figuren mehr verehren, als es gesund ist. Doch Leidenschaften kann man auf die Spitze treiben und das lässt Graham Moore hier viele Leute tun. Die Passion für Holmes kennt in der Welt von Harold kein Ende. Unser Protagonist selbst ist ein Mitglied der Sherlockianer und hegt dementsprechend eine Leidenschaft für das Thema. Harold ist ein so cooler Typ – auf den zweiten Blick. Er scheint ein skurriler Nerd zu sein, der Bücher in Sekundenschnelle lesen kann. Er lebt in seiner ganz eigenen Welt. Doch aus dieser bricht er im Roman aus, denn plötzlich findet er sich am Tatort eines Mordes wieder. Ein Bekannter von ihm wurde ermordet, ausgerechnet jener, der groß angekündigt hatte, das verschollene Tagebuch von Arthur Conan Doyle gefunden zu haben. Und Harold sieht eine einmalige Chance: Er beginnt zu ermittelt – genauso wie sein großes Vorbild Sherlock Holmes es getan hätte. Doch mit den Mordermittlungen gehen rasante Ereignisse einher und plötzlich ist es nicht mehr Harold, der Jagd auf den Mörder und das Tagebuch macht.
An Harold Seite – dem Laien-Sherlock-Holmes des Buches – darf natürlich ein Watson nicht fehlen. Diese Rolle nimmt die Journalistin Sarah ein. Sie ist im Gegensatz zu Harold voll in der realen Welt verankert und leitet den Bücherwurm durch ebendiese. Doch welche Absichten hat die schöne Frau wirklich?
Das Figurenspektrum des Buches ist relativ begrenzt, was mir gut gefiel. Dadurch findet man sich in beiden Erzählsträngen gut zurecht. Und während Harold und Sarah das Rätsel um den Mord, der erstaunlich viele Gemeinsamkeit mit den Fällen von Sherlock Holmes hat, und der Suche nach dem Tagebuch verbringen, wird der Leser immer wieder ins viktorianische London entführt. Denn dort spielt der andere Teil des Hörbuchs. Und welcher von beiden spannender ist, vermag ich nicht zu sagen. Denn im ausgehenden 19. Jahrhundert lebt Arthur Conan Doyle. Er ist es leid, von seiner fiktiven Detektiv-Figur in den Schatten gestellt zu werden und so entschließt er sich, eben diesen Detektiv zu töten. Er ermordet Sherlock Holmes, indem er ihn den Reichenbach-Fall herunterstürzen lässt. Doch dann muss er auch mit den Konsequenzen leben.
Es ist sehr interessant, Conan Doyles Geschichte zu verfolgen. Der Hass, den die Bevölkerung  ihm entgegen bringt, ist bemerkenswert. Graham Moore hat das Leben dieses Mannes sehr gut eingefangen und mit tollen Emotionen gefüllt. Die Geschichte wird durch Conan Doyles biografische Bezüge sehr empathisch und authentisch. Mir hat es besonders gut gefallen, dass Conan Doyle viel mit seinem Freund Bram Stoker zu tun hat. Der berühmte Autor von Dracula ist eine tolle Figur, der erstaunlich gut in diese Geschichte passt. Die beiden großen Autoren bilden das Gegenstück zu Harold und Sarah in der Vergangenheit – ein Holmes und ein Watson, die einen Mord aufklären wollen. Conan Doyle befasst sich dabei allerdings mit einem Serienmord und auch er gerät selbst in den Fall hinein. 
Beide Erzählstränge sind super spannend! Ich konnte mich wirklich nicht entscheiden, von welchem ich mehr hören wollte. Durch jenen der Vergangenheit kann man den Autor hinter Sherlock Holmes so viel besser verstehen, durch den der Gegenwart erlebt man die Folgen des großen Ganzen mit. Man erfährt, was aus der Figur und seinem Autor heute geworden ist und was beide noch für die heutige Zeit bedeuten. Allein das ist an diesem Buch sehr faszinierend. Doch auch der reine Inhalt ist toll und nur empfehlenswert.
Es ist einfach klasse, wie in zwei Welten etwas Paralleles geschieht und eigentlich doch alle nur dem großen Sherlock Holmes nacheifern - , egal ob das nun sein Autor selbst oder ein nerdiger Fan ist. Holmes bleibt eben Holmes und durch diese Reichweite ist die ganze Geschichte vielleicht doch weniger fiktiv, als sie auf den ersten Blick scheint.
Die Handlungsorte sind übrigens abwechslungsreich und passend. Natürlich muss die Geschichte zu einem großen Teil in London spielen. Daneben auch in Amerika und der Schweiz. Alle Schauplätze sind symbolhaft und auch als Nicht-Sherlokianer fallen einem viele Details und Hinweise auf Holmes und Conan Doyle auf. Der Schreibstil von Graham Moore ist sehr gut. Es gelingt ihm, einen tollen Spannungsbogen aufrecht zu erhalten und dabei viele kleine humorvolle, aber auch grausame Stellen einzubauen. Durch den Stil wird die Geschichte so authentisch. Und zum Glück konnte der Verlag einen ebenso guten Sprecher gewinnen. David Nathan hat eine raue, aber ruhige Stimme, die optimal zur Geschichte passt. Er verleiht ihr genau das richtige Leben und lässt die Charaktere lebendig werden.


Dieses Hörbuch hat einfach alles: Spannung, Nervenkitzel, eine kleine Zeitreise und vor allem den gewissen Holmes-Faktor. Der Autor und der Sprecher des Hörbuchs haben alles richtig gemacht. Die Auflösung ist klasse und das Ende nachvollziehbar. Hier kommt jeder Holmes-Fan auf seine Kosten. Und da ich auch zu ihnen zähle, vergebe ich die obligatorischen fünf Sterne. 
Wenn ihr wissen wollt, warum der Mann, der Sherlock Holmes tötete, eben diesen wieder ins Leben zurück rief, dann solltet ihr unbedingt zu diesem Buch greifen. Denn Graham Moore präsentiert eine abgedrehte, aber irgendwo auch sehr logische Version, wie es gewesen sein könnte. Viel Spaß!



7. April 2019

Rezension [Hörbuch]: "Das krumme Haus" von Agatha Christie


Titel: Das krumme Haus
Autor: Agatha Christie
Sprecher: Patrick Roche
Verlag: der Hörverlag
Preis: 9,99€
Seiten: 256
Dauer: 4h 1m


Ich würde durchaus von mir behaupten, viele Bücher und Geschichten aus der Feder von Agatha Christie zu kennen. Allerdings habe ich noch nie einen Fall gelesen, in dem nicht Hercule Poirot oder Miss Marple ermittelt. Bisher waren es immer wieder diese beiden Größen, die den Namen Agatha Christie für mich ausmachten. Doch als ich den Trailer zum Kinofilm „Das krumme Haus“ sah, packte mich die Lust, einen Fall kennenzulernen, der auch ohne einen der beiden Detektive funktioniert. 
Leider schaffte ich es nicht ins Kino. Umso mehr freute ich mich, als das Hörbuch herauskam! „Das krumme Haus“ ist eine interessante Geschichte voller Verwicklungen und Verdächtigen. Durchaus spannend, aber nicht ganz so raffiniert, wie viele andere Fälle von Agatha Christie.


Ein Haus. Ein Mord. Viele Verdächtige. Drei Generationen der Familie Leonides leben in dem großen, krummen Haus mit den vielen Giebeln. Doch dann wird der alte Aristide Leonides ermordet. Jeder hatte einen Grund, den alten Tyrannen ins Jenseits zu befördern, aber als Motiv reicht eigentlich keiner dieser Gründe aus. Solange der Mordfall ungeklärt bleibt, weigert sich Sophia, die geliebte Enkelin des Millionärs, ihren Verlobten Charles zu heiraten. Dann geschieht ein zweiter Mord … Kann Charles Scotland Yard helfen, den Mörder zu entlarven?

Die Struktur der Geschichte ist definitiv anders, als bei den Fällen von Poirot oder Miss Marple. Das ist vor allem der Fall, weil der „Ermittler“ kein solcher ist, sondern viel mehr ein Assistent, der persönlich in das Geschehen verwickelt ist. Charles ist der Erzähler der Geschichte und er startet seinen Bericht weit ab vom kleinen krummen Haus. Im Krieg war Charles in Ägypten stationiert, wo er auch Sophia Leonides kennenlernte. Die beiden verliebten sich und beschlossen zu heiraten, sobald der Krieg vorbei sei. Als die Umstände es aber endlich zulassen, geschieht in Sophias Familie ein Mord – ausgerechnet am alten Leonides, dem Besitzer des ganzen Reichtums, der die Familie verbindet. Eben diese Familie lebt gemeinsam im krummen Haus auf dem Land. Auf den ersten Blick lässt sich nicht sagen, wieso Charles ermitteln sollte. Denn tatsächlich ist er durch seine noch nicht ausgesprochene Verlobung zu Sophia eher ein Familienmitglied, als ein Detektiv. Und er bleibt auch die ganze Zeit eine relativ neutrale Person. Denn der Ermittler ist eigentlich jemand von Scotland Yard – und dort arbeitet Charles Vater in einer führenden Position. Charles steht also zwischen den Stühlen: auf der einen Seite versucht er seine Liebste zu schützen und auch für sie den Fall zu lösen, auf der anderen Seite versucht er verdeckt zu ermitteln und der Polizei als eine Art Betroffener zu helfen. Denn durch seinen persönlichen Zugang erfährt Charles deutlich mehr über die Familie, als es die Polizei tut. Und so macht er sich auf die Suche nach dem Mörder. Doch Verdächtige - und jene, die Gelegenheit, aber kein Motiv haben - gibt es genug.
Es gibt viele tolle Dinge an diesem Hörbuch. Da ist zum einen das Offensichtliche: Es handelt sich um ein Hörbuch zu einem Film. Daher ist alles an eben diesen angelegt und die Geschichte wird sehr bildhaft erzählt. Man kann dem Geschehen gut folgen, die Schauplätze werden toll beschrieben und vor dem inneren Auge läuft ein eigener kleiner Film ab. Ebenfalls toll sind die Figurenvielfalt und das Rätselraten. Es ist immer heikel, wenn klar ist, dass jemand aus der Familie den Mord begangen haben muss. Denn welch Skrupel werden dabei bewusst?! In dieser Familie gibt es wahrlich genügend Verdächtige, schließlich leben im Haus ganze drei Generationen zusammen. Von der Schwägerin über die Kinder bis hin zu den Enkelkindern kann es wirklich jeder getan haben. Auch Sophie – Charles Verlobte. Durch die Verwicklung auf persönlicher Ebene war Charles für mich immer etwas befangen. Das Ganze macht die Sache aber natürlich auch irgendwo spannend. Kann Charles neutral bleiben? Der Ermittler ist hier selbst Teil des Figurenkonstrukts, was sehr spannend ist. Er kann nicht unvoreingenommen an die Sache herangehen und begeht dadurch den ein oder anderen Fehler. Dieses „Laienermitteln“ hat mir ehrlich gesagt gut gefallen, denn er ermöglicht ganz andere Perspektiven. Wir haben keinen perfektionistischen Poirot oder eine misstrauische Miss Marple im Mittelpunkt, sondern einen ganz normalen, sehr verliebten Mann. Wer könnte da schon objektiv bleiben?
Dadurch, dass der Hörer eben Charles Perspektive einnimmt, rätselt man schnell mit und kommt doch nicht auf die Lösung. Ich zumindest war auf einem völlig anderen Weg und war vom Ende definitiv überrascht und ein kleines bisschen schockiert. Die Auflösung an sich kam mir ein bisschen zu kurz, denn eigentlich wird der Hörer lediglich vor Tatsachen gestellt. Das trifft auch generell auf die Ermittlungsarbeit zu, da Charles ja eben nicht so richtig ermittelt. Hier fehlte mir definitiv der Scharfsinn, den ich mit Christie-Romanen verbinde. Die unendlich viele Möglichkeiten hingegen haben mir sehr gut gefallen!
Auch der Sprecher bleibt mir positiv im Gedächtnis. Patrick Roche hat eine sehr angenehme und weiche Stimme. Für mich passt sie sehr gut zu Charles Persönlichkeit und sie verlieh dem ganzen Fall eine ruhige Note. Gleichzeitig weiß Roche das Tempo zu steigern und manchen Charakteren interessante Betonungen zu verleihen.
Mir hat an der ganzen Geschichte ein bisschen gefehlt. Sie ist spannend und interessant, definitiv. Man kann ihr gut folgen und der Sprecher macht seine Sache sehr gut. Die Figuren sind toll ausgearbeitet, aber das groß Ganze scheint manchmal etwas schlurig. Die ein oder andere Wendung hätte mir besser gefallen, denn jene, die eingebaut wurden, waren eben offensichtlich nur Finten. Bis auf das Ende wurde ich selten überrascht, was ich schade fand. Außerdem ist die Rolle, die Charles spielt nie so ganz klar und dass das keiner hinterfragt, fand ich auch etwas merkwürdig. Nichtsdestotrotz bietet „Das krumme Haus“ tolle Unterhaltung, die wirklich sehr kurzweilig ist. Kaum wirft man die erste CD ein, ist sie auch schon wieder vorbei. Das Hörbuch ist wahrscheinlich ein Abbild zum Film mit zusätzlichen Details und Erkenntnissen. Ich hatte beim Hören viel Spaß!



Das Unterfangen einen Christie-Roman ohne Berühmtheiten zu hören, bei denen der Weg gewissermaßen schon vorgegeben ist, ist in jedem Fall geglückt! „Das krumme Haus“ ist eine spannende Geschichte mit viele Möglichkeiten und einer anderen Herangehensweise von Agatha Christie, als vielleicht bekannt. Mich konnte die Autorin gemeinsam mit dem guten Sprecher bezirzen und dank Figurenvielfalt, Detailsinn und Potenzial zum Mitraten überzeugen. Dennoch fehlt dem Hörbuch auch eine gewisse Raffinesse, weshalb ich einen Stern abziehe. So komme ich zu soliden 4 Sternen, die mich motivieren, mir bei DVD-Start den dazugehörigen Film anzusehen.