Titel: Das krumme Haus
Autor: Agatha Christie
Sprecher: Patrick Roche
Verlag: der Hörverlag
Preis: 9,99€
Seiten: 256
Dauer: 4h 1m
Ich würde durchaus von mir behaupten, viele Bücher und
Geschichten aus der Feder von Agatha Christie zu kennen. Allerdings habe ich
noch nie einen Fall gelesen, in dem nicht Hercule Poirot oder Miss Marple
ermittelt. Bisher waren es immer wieder diese beiden Größen, die den Namen
Agatha Christie für mich ausmachten. Doch als ich den Trailer zum Kinofilm „Das
krumme Haus“ sah, packte mich die Lust, einen Fall kennenzulernen, der auch
ohne einen der beiden Detektive funktioniert.
Leider schaffte ich es nicht ins Kino. Umso mehr freute ich mich, als das
Hörbuch herauskam! „Das krumme Haus“ ist eine interessante Geschichte voller
Verwicklungen und Verdächtigen. Durchaus spannend, aber nicht ganz so
raffiniert, wie viele andere Fälle von Agatha Christie.
Ein Haus. Ein Mord. Viele Verdächtige. Drei Generationen der
Familie Leonides leben in dem großen, krummen Haus mit den vielen Giebeln. Doch
dann wird der alte Aristide Leonides ermordet. Jeder hatte einen Grund, den
alten Tyrannen ins Jenseits zu befördern, aber als Motiv reicht eigentlich
keiner dieser Gründe aus. Solange der Mordfall ungeklärt bleibt, weigert sich
Sophia, die geliebte Enkelin des Millionärs, ihren Verlobten Charles zu heiraten.
Dann geschieht ein zweiter Mord … Kann Charles Scotland Yard helfen, den Mörder
zu entlarven?
Die Struktur der Geschichte ist definitiv anders, als bei
den Fällen von Poirot oder Miss Marple. Das ist vor allem der Fall, weil der „Ermittler“
kein solcher ist, sondern viel mehr ein Assistent, der persönlich in das
Geschehen verwickelt ist. Charles ist der Erzähler der Geschichte und er
startet seinen Bericht weit ab vom kleinen krummen Haus. Im Krieg war Charles
in Ägypten stationiert, wo er auch Sophia Leonides kennenlernte. Die beiden
verliebten sich und beschlossen zu heiraten, sobald der Krieg vorbei sei. Als
die Umstände es aber endlich zulassen, geschieht in Sophias Familie ein Mord –
ausgerechnet am alten Leonides, dem Besitzer des ganzen Reichtums, der die
Familie verbindet. Eben diese Familie lebt gemeinsam im krummen Haus auf dem
Land. Auf den ersten Blick lässt sich nicht sagen, wieso Charles ermitteln
sollte. Denn tatsächlich ist er durch seine noch nicht ausgesprochene Verlobung
zu Sophia eher ein Familienmitglied, als ein Detektiv. Und er bleibt auch die
ganze Zeit eine relativ neutrale Person. Denn der Ermittler ist eigentlich
jemand von Scotland Yard – und dort arbeitet Charles Vater in einer führenden
Position. Charles steht also zwischen den Stühlen: auf der einen Seite versucht
er seine Liebste zu schützen und auch für sie den Fall zu lösen, auf der
anderen Seite versucht er verdeckt zu ermitteln und der Polizei als eine Art
Betroffener zu helfen. Denn durch seinen persönlichen Zugang erfährt Charles
deutlich mehr über die Familie, als es die Polizei tut. Und so macht er sich
auf die Suche nach dem Mörder. Doch Verdächtige - und jene, die Gelegenheit, aber
kein Motiv haben - gibt es genug.
Es gibt viele tolle Dinge an diesem Hörbuch. Da ist zum einen das
Offensichtliche: Es handelt sich um ein Hörbuch zu einem Film. Daher ist alles
an eben diesen angelegt und die Geschichte wird sehr bildhaft erzählt. Man kann
dem Geschehen gut folgen, die Schauplätze werden toll beschrieben und vor dem
inneren Auge läuft ein eigener kleiner Film ab. Ebenfalls toll sind die Figurenvielfalt
und das Rätselraten. Es ist immer heikel, wenn klar ist, dass jemand aus der
Familie den Mord begangen haben muss. Denn welch Skrupel werden dabei bewusst?!
In dieser Familie gibt es wahrlich genügend Verdächtige, schließlich leben im
Haus ganze drei Generationen zusammen. Von der Schwägerin über die Kinder bis
hin zu den Enkelkindern kann es wirklich jeder getan haben. Auch Sophie –
Charles Verlobte. Durch die Verwicklung auf persönlicher Ebene war Charles für
mich immer etwas befangen. Das Ganze macht die Sache aber natürlich auch
irgendwo spannend. Kann Charles neutral bleiben? Der Ermittler ist hier selbst
Teil des Figurenkonstrukts, was sehr spannend ist. Er kann nicht
unvoreingenommen an die Sache herangehen und begeht dadurch den ein oder
anderen Fehler. Dieses „Laienermitteln“ hat mir ehrlich gesagt gut gefallen,
denn er ermöglicht ganz andere Perspektiven. Wir haben keinen
perfektionistischen Poirot oder eine misstrauische Miss Marple im Mittelpunkt,
sondern einen ganz normalen, sehr verliebten Mann. Wer könnte da schon objektiv
bleiben?
Dadurch, dass der Hörer eben Charles Perspektive einnimmt, rätselt man schnell
mit und kommt doch nicht auf die Lösung. Ich zumindest war auf einem völlig
anderen Weg und war vom Ende definitiv überrascht und ein kleines bisschen
schockiert. Die Auflösung an sich kam mir ein bisschen zu kurz, denn eigentlich
wird der Hörer lediglich vor Tatsachen gestellt. Das trifft auch generell auf
die Ermittlungsarbeit zu, da Charles ja eben nicht so richtig ermittelt. Hier
fehlte mir definitiv der Scharfsinn, den ich mit Christie-Romanen verbinde. Die
unendlich viele Möglichkeiten hingegen haben mir sehr gut gefallen!
Auch der Sprecher bleibt mir positiv im Gedächtnis. Patrick Roche hat eine sehr
angenehme und weiche Stimme. Für mich passt sie sehr gut zu Charles
Persönlichkeit und sie verlieh dem ganzen Fall eine ruhige Note. Gleichzeitig
weiß Roche das Tempo zu steigern und manchen Charakteren interessante
Betonungen zu verleihen.
Mir hat an der ganzen Geschichte ein bisschen gefehlt. Sie ist spannend und
interessant, definitiv. Man kann ihr gut folgen und der Sprecher macht seine
Sache sehr gut. Die Figuren sind toll ausgearbeitet, aber das groß Ganze
scheint manchmal etwas schlurig. Die ein oder andere Wendung hätte mir besser
gefallen, denn jene, die eingebaut wurden, waren eben offensichtlich nur
Finten. Bis auf das Ende wurde ich selten überrascht, was ich schade fand.
Außerdem ist die Rolle, die Charles spielt nie so ganz klar und dass das keiner
hinterfragt, fand ich auch etwas merkwürdig. Nichtsdestotrotz bietet „Das
krumme Haus“ tolle Unterhaltung, die wirklich sehr kurzweilig ist. Kaum wirft
man die erste CD ein, ist sie auch schon wieder vorbei. Das Hörbuch ist wahrscheinlich
ein Abbild zum Film mit zusätzlichen Details und Erkenntnissen. Ich hatte beim
Hören viel Spaß!
Das Unterfangen einen Christie-Roman ohne
Berühmtheiten zu hören, bei denen der Weg gewissermaßen schon vorgegeben ist,
ist in jedem Fall geglückt! „Das krumme Haus“ ist eine spannende Geschichte mit
viele Möglichkeiten und einer anderen Herangehensweise von Agatha Christie, als
vielleicht bekannt. Mich konnte die Autorin gemeinsam mit dem guten Sprecher
bezirzen und dank Figurenvielfalt, Detailsinn und Potenzial zum Mitraten
überzeugen. Dennoch fehlt dem Hörbuch auch eine gewisse Raffinesse, weshalb ich
einen Stern abziehe. So komme ich zu soliden 4 Sternen, die mich motivieren,
mir bei DVD-Start den dazugehörigen Film anzusehen.
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