Titel: Die erste Tochter - AdelssprossAutorin: Katharina MaierVerlag: selfpublishedPreis: 12,00€Seiten: 336
Vor kurzem wurde ich auf eine Buch aufmerksam, das wirklich einen
sehr interessanten Genre-Mix verspricht: Sci-Fi, Zukunftsroman, Fantasy und
Gesellschaftsroman. Das passt alles nur schwer zusammen? Das mag sein. Bei „Die
erste Tochter – Adelsspross“ funktioniert es thematisch allerdings sehr gut!
Eine Gefahr einer so großen Aufgabe? Vor lauter neuer Blickwinkel, verliert man
vielleicht den Fokus. Und trotz wirklich toller Idee, vielen spannenden
Charakteren und interessanter Handlungsstränge, ist dies meiner Meinung nach
auch hier passiert.
Ein Mädchen erkennt, dass sie fliegen möchte und nicht darf.
Myn wächst auf einem Planeten auf, über dem Raumschiffe fliegen und auf dem
Väter das letzte Wort haben.
Der Klappentext sagt nicht allzu viel über die Handlung des
Buches aus. Man sollte dazu vielleicht wissen, dass die Reihe auf sieben Teile
ausgelegt ist. Daher ist es einleuchtend, dass „Adelsspross“ ein Auftakt ist,
der vor allem in die fremde Welt einführen soll. Die Figuren werden vorgestellt
und man wird mit dem Setting als solches erst einmal bekannt gemacht. Das
gelingt auch definitiv. Es ist allerdings auch extrem notwendig.
Lasst mich erklären, was ich meine: Die Autorin Katharina Maier hat sich
einiges vorgenommen. Die junge Protagonistin Mynrichwy Neoly wächst auf dem
Planeten Singis auf. Ihre Welt ist vom Patriachart bestimmt und es gibt feste
gesellschaftliche Regeln. So weit, so gut. Doch schon anhand des Namens, der
immerhin meistens mit „Myn“ abgekürzt wird, merkt man, dass es kompliziert
werden könnte. Und das tut es. Maier hat sich eine Welt aufgebaut, die man nicht
ohne Weiteres versteht. Es gibt unzählige Planeten, Völker, fantastische Wesen,
Fachbegriffe und unglaublich komplizierte Namen. Die Namen sind nicht nur
kompliziert, sie sind für den normalen deutschen Wortschatz auch gar nicht
aussprechbar. Das ist per Se nicht schlimm. Aber bei mir sorgte es dafür, dass
ich die Figuren nicht sofort fassen konnte. Manchmal wusste ich auch nicht, wer
jetzt nochmal wer war. Und vermutlich habe ich sie alle in meinem Kopf falsch
ausgesprochen. Glücklicherweise gibt es ein „Who is who“ im Buch. Des Weiteren
gibt es ein langes Verzeichnis an Begriffen, die verwendet werden. Hat man die
Print-Ausgabe, sollte man die Möglichkeit definitiv nutzen und immer wieder
hineinschauen. Ich habe das auf dem E-Reader nicht getan und mir einiges
einfach im Zusammenhang erschlossen. Es gibt zum Beispiel eigene Begriffe für
die Zeitrechnung der Singisen (keine Stunden oder Wochen, sondern Mnegau und
Nysda). So etwas habe ich dann auch so verstanden. Trotzdem sorgte es bei mir
erst einmal für Verwirrung. Die geschaffene Welt von Maier ist einfach so groß
und komplex, dass es mich zunächst überforderte.
Wenn wir beim Komplizierten bleiben, dann kann ich als nächstes die Erzählform
benennen. Im Grunde ist Myn die Erzählerin. Zu ihr baut man auch schnell eine
Beziehung auf. Man begleitet sie über Jahre hinweg. Doch dann schleichen sich
auch andere Erzähler ein. Und ehrlich gesagt, weiß man nach dem Lesen des
Buches gar nicht so genau, wer das jetzt war. Ich vermute, dass es sich um „Fräulein
Tod“, also den Tod selbst, handelt. Klingt etwas verrückt, ist aber so. Und
dann gibt es Zeitsprünge, in denen Myn offenbar erwachsen ist und sich mit
einem Terraner auf der Erde unterhält. Diese drei Erzählformen wechseln nicht
regelmäßig, sodass ich auch hier mal den Überblick verloren habe.
Das klingt jetzt alles so unglaublich negativ. Deswegen wird es Zeit, dass ich
mal das viele Gute benenne. Innerhalb der Geschichte fühlt man sich definitiv
wohl. Dadurch, dass man Myn schon mit neun Jahren kennenlernt, bekommt man ein
gutes Gefühl für ihren Charakter. Ihre Familie ist für die Geschichte sehr
wichtig. Und auch, wenn die Handlung irgendwo im Weltall spielt, hat die
Familie Neoly doch ganz normale Probleme. Die Eltern streiten sich, es gibt
Vertrauensbrüche, Geschwister sind nicht immer einer Meinung und jeder hat so
seine Geheimnisse. Auf diese Art und Weise gelingt es Maier auch, sehr aktuelle
Probleme wie häusliche Gewalt oder Vereinsamung einzubauen. Denn tatsächlich
passen diese Themen wirklich gut in die Handlung! Insgesamt wird viel
Gesellschaftskritik geübt. Und natürlich sind die Parallelen zwischen unserer
und der singischen Welt gewollt. Ich hätte den Figuren so gern immer wieder „Wehret
den Anfängen!“ zugerufen. Denn das große politische Problem, das sich aufbaut,
ist schon in diesem Auftaktband klar! Minderheiten werden gezielt aufgebaut,
ausgeschlossen und zum Feind gemacht. Eine Gesellschaft beginnt, die Lügen
einzelner zu glauben und man wird blind für das Offensichtliche. Die Darstellung,
wie so etwas von Statten gehen kann, war einfach großartig! Als
Geschichtslehrerin bin ich bei solchen Themen sehr sensibel und hier muss ich
der Autorin wirklich ein Kompliment machen. Ich bin sicher, das Thema gewinnt
in den nächsten Bänden noch weiter an Präsenz.
Toll ist auch die Beziehung zwischen Myn und ihrer Mutter. Lys ist eine sehr
starke Frau, auf deren Geschichte man wirklich neugierig wird. Sie sorgt für
viel Spannung. Insgesamt ist das Buch ab dem Mittelteil wirklich gut. Das Ende
war zwar irgendwie vorhersehbar, aber es ist auch die logische Folge der
Ereignisse.
Insgesamt gibt es so viele Themen in „Adelsspross“, dass ich sie gar nicht alle
benennen kann. Aber es ist trotz seichtem Einstieg wirklich spannend. Man kommt
gut in Myns Welt an, gewöhnt sich an die vielen Charaktere und beginnt, die
Geschichte zu verstehen. Zumindest, wenn man sich darauf einlässt. Das kann ich
auch nur empfehlen.
Ein Punkt, der es mir allerdings erschwert hat, ist der ungewöhnliche
Schreibstil der Autorin. Maier versucht sehr bildgewaltig und trotzdem poetisch
zu schreiben. Ich würde schon sagen, dass sie Wert auf eine gewisse
Bildungssprache legt, meiner Meinung nach gelingt das nur nicht immer. Sie
schreibt sehr gern hypotaktisch, sodass manche Sätze wirklich unglaublich lang
sind. Mich hat aber etwas mehr die blumige Art des Erzählens gestört. Ein
Beispiel:
„Ein satter, kühler Wind bauschte die Stoffbahnen um sie herum und mischte sich mit ihrem hellen schwarzen Haar.“ (42%)
Ich kann nicht ganz aus meiner Haut. Da mein zweites Fach neben Geschichte Deutsch ist, muss ich zugeben, dass
ich einen solchen Satz bei einem Schüler oder einer Schülerin als unlogisch
angestrichen hätte. Nicht nur, dass mir die Bedeutung des Satzes bis heute
nicht klar ist; für mich gibt es auch kein „helles, schwarzes Haar“. Das ist
ganz schlicht ein Paradoxon – als sprachliches Mittel völlig legitim, hier aber
ziemlich merkwürdig. Über solche Sätze bin ich immer wieder gestolpert, weshalb
ich mit dem Schreibstil bin zum Ende nicht ganz warm wurde.
„Die erste Tochter – Adelsspross“ ist ein so großes Projekt,
dass man ihm erst einmal eine Chance geben muss. Tut man das, verliebt man sich
in viele Aspekte der Geschichte. Die Charakterzeichnung ist gut gelungen, die
Welt insgesamt sehr faszinierend und auch die Geschichte nimmt Spannung auf.
Hinzu kommt aber, dass das ganze Setting extrem – und meiner Meinung nach
unnötig – kompliziert ist. Authentizität in allen Ehren, aber hier war es mir
zu viel. Vor allem der Schreibstil sorgte bei mir permanent für Verwirrung. Wäge
ich all dies ab und berücksichtige den tollen Genre-Mix, komme ich insgesamt zu
einer Wertung von 3,5 Sternen. So viel ist sicher: Die erste Tochter hat noch
eine ganze Menge im Petto.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (Link einfügen) und in der Datenschutzerklärung von Google.