29. Dezember 2025

Rezension [Hörbuch]: "Silvercloak - Unter Feinden" von L.K. Steven


Titel: Silvercloak - Unter Feinden
Autorin: L.K. Steven
Sprecherin: Anne Düe
Verlag: Randomhouse Audio
Preis: 24,00€
Seiten: 624
Dauer: 17h 33m

Als ich den Klappentext von „Silvercloak – Unter Feinden“ gelesen habe, wollte ich die Geschichte gern kennen. Magie, das Gute und Böse und eine Prüfung. Es klang spannend – ein bisschen wie Harry Potter. Doch wer das denkt, liegt weit daneben! Denn ich habe mich mit dieser Annahme extrem getäuscht. „Silvercloak“ ist nicht vergleichbar mit irgendetwas, das man bereits kannte. Die Handlung, ja eigentlich die gesamte Welt, ist völlig neu. Saffrons Geschichte ist brutal, krass und blutrünstig. Doch wenn man sich darauf einlassen und auch mit moralisch hinterfragbaren Szenarien umgehen kann, ist dieses Hörbuch einfach nur unglaublich gut!

Zwölf Jahre Magierschule. Fünf Jahre Straßenpatrouille. Wenige Minuten bis zu ihrer Prüfung. Endlich steht Saffrons Abschluss an der Silvercloak-Akademie bevor. Nur die besten Magier dürfen ihren Mantel silbern färben und fortan die verbrecherischen Bloodmoons zur Strecke bringen. Aber Saffron gehört nicht zu den Besten. Sie bedient sich der gleichen unlauteren Mittel wie die Bloodmoons: List, Betrug, Lüge. Kein Wunder, dass ausgerechnet sie für eine verdeckte Ermittlung unter den Bloodmoons auserkoren wird, in deren Reihen nicht nur Saffs Leben in höchste Gefahr gerät, sondern auch ihr Herz ...

Möglicherweise habe ich auch den Klappentext unaufmerksam gelesen. Doch ich war keinesfalls vorbereitet auf das, was „Silvercloak – Unter Feinden“ mit mir angestellt hat. Die Geschichte hat mich auf jede mögliche Weise überrascht. Das betraf die Handlung, aber vor allem die Emotionen. Schon im Prolog wird klar, dass die Autorin wenig Rücksicht auf ihre Leser und Hörer nimmt, was Brutalität angeht. Saffron verliert sehr jung ihre Eltern und wird sogar Zeugin dieser Morde. Das prägt das kleine Mädchen so sehr, dass sie sich eines schwört: Sie will Rache. Sie will die Bloodmoons vernichten. Koste es, was es wolle. Für dieses Lebensziel gibt Saffron alles. Und wenn ich sage „alles“, dann meine ich das auch.
Für den Hörer wird schnell klar, dass Saffron in einer besonderen magischen Welt lebt. Das Weltkonstrukt ist so unglaublich gut durchdacht und detailliert ausgearbeitet, dass man kaum glauben kann, was die Autorin sich erdacht hat. Aber gerade weil es so viele Details gibt und alles aufeinander abgestimmt ist, funktioniert dieses Konstrukt. Das Setting ist innovativ und etwas ganz anderes als erwartet. In Saffrons Welt sind die meisten Menschen magiebegabt und haben einen Speicher für ihre Magie in sich. Diesen Speicher muss jeder Zauberer auffüllen, um überhaupt zaubern zu können. Das geschieht durch zwei Dinge: Schmerz und Lust. Aufgrund dieser Tatsache kann man als Hörer schnell verstehen, dass Gewalt, aber eben auch Sex ganz alltägliche Dinge in dieser Geschichte sind. Man kann sich selbst verletzen, um seinen Magiespeicher zu füllen. Oder man erlebt Lust. (Das geht übrigens auch durch Essen – Funfact.) Diese Grundregel führt so viele kleine Regeln nach sich, die einfach nur logisch sind. Die Menschen in „Silvercloak“ leben von Lust, daher gibt es ziemlich viel Sex in den Straßen, viele Freudenhäuser usw. Außerdem unterscheidet man nicht zwischen Männern oder Frauen, was das anbelangt. Worauf ich hinauswill: L.K. Steven hat grandiose Arbeit geleistet, allein mit ihrem Weltentwurf. Doch hinzu kommt noch die eigentliche Handlung. Und diese hat es wirklich in sich. Es gibt so viele Wendungen und Intrigen. Immer wieder ändert sich etwas. Etwas Neues und Unerwartetes kommt hinzu und die Lage wird eigentlich immer aussichtsloser. Schmerz spielt eine unglaublich große Rolle. Auch als Hörer muss man sich diesen Schmerzen stellen. Und der Moral. Denn eines lehrt „Silvercloak“ sehr schnell: es gibt nicht nur Gut und Böse. Das meiste in Saffrons Welt ist grau. Vieles moralisch verwerflich. Aber unausweichlich? Zu keinem Zeitpunkt hätte ich mit der Protagonistin tauschen wollen, denn für mein zartes Gemüt wäre es einfach zu viel. Doch Saffron ist stark. Sie ist talentiert, klug und vor allem hat auch sie ein großes Geheimnis. Die Protagonistin der Geschichte ist extrem gut ausgebildet und hat früh gelernt, niemandem zu vertrauen. Keine Gefühle zuzulassen. Sich zu beherrschen. Auch deswegen ist sie so gut in den Dingen, die sie tut. Man braucht sich nichts vorzumachen: Diese Dinge sind brutal. Kriminell. Ja, mörderisch. Mir würden noch hundert weitere Attribute einfallen, um Saffron zu beschreiben. Fest steht aber, dass sie eine interessante Hauptfigur ist, mit der die Geschichte definitiv nicht langweilig wird. Ihr Gegenpart ist übrigens Levan, der Sohn des Anführers der Bloodmons. Er ist ein Mörder, ein Heuchler, durch und durch schlecht. Oder etwa nicht?
Die Liebesgeschichte zwischen diesen beiden Figuren ist fesselnd. Gleichzeitig wird man immer wieder herausgefordert, sich selbst zu hinterfragen. Ist das moralisch eigentlich okay, was hier gerade passiert? Definitiv nicht. Und trotzdem fiebert man mit.
Die Handlung hat mich so gefangen genommen, dass ich oft den Kopf geschüttelt habe. Immer wieder wurde ich überrascht. Das Ende ist einfach nur heftig. Und NATÜRLICH will ich wissen, wie es weitergeht. Vor allem der Epilog, der aus Levans Sicht geschrieben ist, macht den Hörer sprachlos. Eigentlich kann es kein gutes Ende mit Saffron nehmen. Aber was heißt in der Welt von „Silvercloak“ schon „gut“?!
Der Schreibstil von L.K. Steven ist wirklich super. Man kommt flüssig durch das Buch und ihre Art zu beschreiben, hilft dem Leser, sich in dieser komplexen Welt zurecht zu finden. Mindestens ebenso gut ist die Stimme von Anne Düe, die Saffrons Geschichte klasse liest. Sie nimmt den Hörer mit in diese Welt und verdeutlicht all die vielschichtigen Emotionen. Die Besetzung der Leserin ist wirklich herausragend gelungen.


Herausragend ist eigentlich das richtige Wort für den Auftakt dieser Trilogie. Mich hat „Silvercloak – Unter Feinden“ einfach nur gefesselt. Wenn man sich mit diesem extremen Brutalitätsfaktor anfreunden kann, dann gibt diese Geschichte einem unglaublich viel. Vielleicht lernt man sich sogar selbst noch einmal anders kennen. Denn wie hätte man selbst an Saffrons Stelle gehandelt? Ich würde in ihrer Welt definitiv nicht überleben, so viel steht fest. Doch ich drücke die Daumen, dass Saffron es irgendwie schafft! Auch deswegen kann ich es kaum abwarten, bis der zweite Teil erscheint. Sein Auftakt verdient definitiv fünf Sterne!