Titel: Silvercloak - Unter Feinden
Autorin: L.K. Steven
Sprecherin: Anne Düe
Verlag: Randomhouse Audio
Preis: 24,00€
Seiten: 624
Dauer: 17h 33m
Als ich den Klappentext von „Silvercloak – Unter Feinden“
gelesen habe, wollte ich die Geschichte gern kennen. Magie, das Gute und Böse
und eine Prüfung. Es klang spannend – ein bisschen wie Harry Potter. Doch wer das
denkt, liegt weit daneben! Denn ich habe mich mit dieser Annahme extrem
getäuscht. „Silvercloak“ ist nicht vergleichbar mit irgendetwas, das man
bereits kannte. Die Handlung, ja eigentlich die gesamte Welt, ist völlig neu.
Saffrons Geschichte ist brutal, krass und blutrünstig. Doch wenn man sich
darauf einlassen und auch mit moralisch hinterfragbaren Szenarien umgehen kann,
ist dieses Hörbuch einfach nur unglaublich gut!

Zwölf Jahre Magierschule. Fünf Jahre Straßenpatrouille.
Wenige Minuten bis zu ihrer Prüfung. Endlich steht Saffrons Abschluss an der
Silvercloak-Akademie bevor. Nur die besten Magier dürfen ihren Mantel silbern
färben und fortan die verbrecherischen Bloodmoons zur Strecke bringen. Aber
Saffron gehört nicht zu den Besten. Sie bedient sich der gleichen unlauteren
Mittel wie die Bloodmoons: List, Betrug, Lüge. Kein Wunder, dass ausgerechnet
sie für eine verdeckte Ermittlung unter den Bloodmoons auserkoren wird, in
deren Reihen nicht nur Saffs Leben in höchste Gefahr gerät, sondern auch ihr
Herz ...

Möglicherweise habe ich auch den Klappentext unaufmerksam
gelesen. Doch ich war keinesfalls vorbereitet auf das, was „Silvercloak – Unter
Feinden“ mit mir angestellt hat. Die Geschichte hat mich auf jede mögliche
Weise überrascht. Das betraf die Handlung, aber vor allem die Emotionen. Schon
im Prolog wird klar, dass die Autorin wenig Rücksicht auf ihre Leser und Hörer
nimmt, was Brutalität angeht. Saffron verliert sehr jung ihre Eltern und wird
sogar Zeugin dieser Morde. Das prägt das kleine Mädchen so sehr, dass sie sich
eines schwört: Sie will Rache. Sie will die Bloodmoons vernichten. Koste es,
was es wolle. Für dieses Lebensziel gibt Saffron alles. Und wenn ich sage „alles“,
dann meine ich das auch.
Für den Hörer wird schnell klar, dass Saffron in einer besonderen magischen
Welt lebt. Das Weltkonstrukt ist so unglaublich gut durchdacht und detailliert
ausgearbeitet, dass man kaum glauben kann, was die Autorin sich erdacht hat.
Aber gerade weil es so viele Details gibt und alles aufeinander abgestimmt ist, funktioniert
dieses Konstrukt. Das Setting ist innovativ und etwas ganz anderes als
erwartet. In Saffrons Welt sind die meisten Menschen magiebegabt und haben
einen Speicher für ihre Magie in sich. Diesen Speicher muss jeder Zauberer
auffüllen, um überhaupt zaubern zu können. Das geschieht durch zwei Dinge:
Schmerz und Lust. Aufgrund dieser Tatsache kann man als Hörer schnell
verstehen, dass Gewalt, aber eben auch Sex ganz alltägliche Dinge in dieser Geschichte
sind. Man kann sich selbst verletzen, um seinen Magiespeicher zu füllen. Oder
man erlebt Lust. (Das geht übrigens auch durch Essen – Funfact.) Diese
Grundregel führt so viele kleine Regeln nach sich, die einfach nur logisch
sind. Die Menschen in „Silvercloak“ leben von Lust, daher gibt es ziemlich viel
Sex in den Straßen, viele Freudenhäuser usw. Außerdem unterscheidet man nicht
zwischen Männern oder Frauen, was das anbelangt. Worauf ich hinauswill: L.K.
Steven hat grandiose Arbeit geleistet, allein mit ihrem Weltentwurf. Doch hinzu
kommt noch die eigentliche Handlung. Und diese hat es wirklich in sich. Es gibt
so viele Wendungen und Intrigen. Immer wieder ändert sich etwas. Etwas Neues
und Unerwartetes kommt hinzu und die Lage wird eigentlich immer aussichtsloser.
Schmerz spielt eine unglaublich große Rolle. Auch als Hörer muss man sich
diesen Schmerzen stellen. Und der Moral. Denn eines lehrt „Silvercloak“ sehr
schnell: es gibt nicht nur Gut und Böse. Das meiste in Saffrons Welt ist grau. Vieles
moralisch verwerflich. Aber unausweichlich? Zu keinem Zeitpunkt hätte ich mit
der Protagonistin tauschen wollen, denn für mein zartes Gemüt wäre es einfach
zu viel. Doch Saffron ist stark. Sie ist talentiert, klug und vor allem hat auch
sie ein großes Geheimnis. Die Protagonistin der Geschichte ist extrem gut
ausgebildet und hat früh gelernt, niemandem zu vertrauen. Keine Gefühle
zuzulassen. Sich zu beherrschen. Auch deswegen ist sie so gut in den Dingen,
die sie tut. Man braucht sich nichts vorzumachen: Diese Dinge sind brutal.
Kriminell. Ja, mörderisch. Mir würden noch hundert weitere Attribute einfallen,
um Saffron zu beschreiben. Fest steht aber, dass sie eine interessante
Hauptfigur ist, mit der die Geschichte definitiv nicht langweilig wird. Ihr
Gegenpart ist übrigens Levan, der Sohn des Anführers der Bloodmons. Er ist ein
Mörder, ein Heuchler, durch und durch schlecht. Oder etwa nicht?
Die Liebesgeschichte zwischen diesen beiden Figuren ist fesselnd. Gleichzeitig
wird man immer wieder herausgefordert, sich selbst zu hinterfragen. Ist das moralisch
eigentlich okay, was hier gerade passiert? Definitiv nicht. Und trotzdem fiebert
man mit.
Die Handlung hat mich so gefangen genommen, dass ich oft den Kopf geschüttelt
habe. Immer wieder wurde ich überrascht. Das Ende ist einfach nur heftig. Und
NATÜRLICH will ich wissen, wie es weitergeht. Vor allem der Epilog, der aus
Levans Sicht geschrieben ist, macht den Hörer sprachlos. Eigentlich kann es
kein gutes Ende mit Saffron nehmen. Aber was heißt in der Welt von „Silvercloak“
schon „gut“?!
Der Schreibstil von L.K. Steven ist wirklich super. Man kommt flüssig durch das
Buch und ihre Art zu beschreiben, hilft dem Leser, sich in dieser komplexen
Welt zurecht zu finden. Mindestens ebenso gut ist die Stimme von Anne Düe, die
Saffrons Geschichte klasse liest. Sie nimmt den Hörer mit in diese Welt und
verdeutlicht all die vielschichtigen Emotionen. Die Besetzung der Leserin ist
wirklich herausragend gelungen.
Herausragend ist eigentlich das richtige Wort für den Auftakt dieser Trilogie. Mich hat „Silvercloak – Unter Feinden“ einfach nur gefesselt. Wenn man sich mit diesem extremen Brutalitätsfaktor anfreunden kann, dann gibt diese Geschichte einem unglaublich viel. Vielleicht lernt man sich sogar selbst noch einmal anders kennen. Denn wie hätte man selbst an Saffrons Stelle gehandelt? Ich würde in ihrer Welt definitiv nicht überleben, so viel steht fest. Doch ich drücke die Daumen, dass Saffron es irgendwie schafft! Auch deswegen kann ich es kaum abwarten, bis der zweite Teil erscheint. Sein Auftakt verdient definitiv fünf Sterne!