Titel: Northanger Abbey
Autor: Jane Austen
Sprecher: Ulrich Noethen u.a.
Verlag: Der Hörverlag
Dauer: ca. 2 h 15 min.
Preis: 20,00€
Großbritanniens Literatur im ausgehenden 18. Jahrhundert
wurde von einer Frau geprägt, die es geschafft hat, diese Zeit bis heute durch
ihre Romane lebendig zu halten. Die Rede ist natürlich von Jane Austen. Keine
andere Frau schaffte es zu dieser Zeit, das alltägliche Leben der britischen
Oberschicht mit solch einem Witz und Charme einzufangen und es überdauern zu
lassen. Dass Jane Austen eine absolute Könnerin war, steht außer Frage. Ich
habe ihre Bücher schon früh für mich entdeckt und mich gemeinsam mit Elisabeth
Bennet in den guten Mr. Darcy verliebt. Doch natürlich hat Austen weit mehr
erwähnenswerte Werke geschrieben, als nur „Stolz und Vorurteil“. Viele davon
kenne ich inzwischen, bisher unbeachtet ließ ich einen ihrer frühsten Romane,
der postum veröffentlicht wurde: „Northanger Abbey“.
Als ich jedoch sah, dass der Hörverlag eine Art Hörspiel von dem Klassiker
aufgenommen hat, musste ich mir diese schmuckvolle Ausgabe einfach anschaffen.
Das Hörspiel ist wahnsinnig schön aufbereitet und sehr liebevoll gemacht. Ich
habe es wirklich gern gehört. Doch zu 100 Prozent überzeugen, konnte es mich
nicht…
Gotische Abteien, gruselige Mönche, verworrene Handlungen –
die junge Catherine Morland liebt Schauerromane! Sie reist mit Freunden der
Familie für einige Wochen nach Bath, wo sie sich in den charmanten Henry Tilney
verliebt. Als sie von dessen Schwester und deren Vater auf den Familiensitz
Northanger Abbey eingeladen wird, sagt sie begeistert zu. Durch ihre sich
überschlagende Phantasie manövriert sie sich dort allerdings in die eine und
andere peinliche Lage...
Ich habe mich wahnsinnig gefreut, die wunderschöne Ausgabe
von „Northanger Abbey“ in den Händen zu halten. Allein das Booklet und das
Cover sind absolute Schätze. Schon vor dem Hören waren meine Erwartungen
deswegen hoch. Vielleicht zu hoch.
Als ich die erste CD einlegte, musste ich mich zunächst an das komplette
Setting gewöhnen. Man hat es hier nicht mit einem einfachen Hörbuch zu tun, es
handelt sich eher um eine Art Hörspiel. Insgesamt wirken 14 Sprecher an diesem
Werk mit, was es natürlich sehr abwechslungsreich macht. Außerdem sind Passagen
des Hörspiels musikalisch untermalt. Dafür wurden eigens Melodien komponiert,
die natürlich Einzug in das Hörspiel gefunden haben. Auch wegen dieser kleinen,
sehr passenden Musikpassagen ist das Hörspiel etwas ganz besonderes.
Doch so richtig kam ich nicht in die Geschichte herein. Das hat wahrscheinlich
mehrere Gründe. Zum einen brauchte ich einen Moment, um das Setting zu
verstehen, zum anderen waren meine Erwartungen an das Hörspiel immens hoch. Beides
war eher schlecht. Mein Hauptproblem lag aber in der Geschichte selbst. Meines
Erachtens merkt man durchaus, dass es sich bei „Northanger Abbey“ um einen
frühen Roman Austens handelt. Ihre Protagonistin, die durchaus als Antiheldin
dargestellt wird, war mir eine Spur zu naiv. Auch die Handlung selbst hatte
einfach nicht die Raffinnesse, die ich von Jane Austen bisher gewohnt war.
Manchmal war ich mir gar nicht sicher, ob die Figuren selbst sich über die
Geschichte in gewisser Weise lustig machen. Wahrscheinlich schon.
Um alle Figuren und Geschehnisse so richtig zu durchschauen, brauchte ich
leider die komplette erste CD. Mit der zweiten allerdings gefiel mir das
Hörspiel immer besser. Ich verstand so langsam die Welt von Catherine Morland,
der Protagonistin. Dieses junge Geschöpf ist außerordentlich naiv und gutmütig,
gleichzeitig aber sehr direkt, was wirklich amüsant ist. Ich mochte sie sehr,
auch wenn ich sie nicht immer verstehen konnte. Diese Sprechrolle hat Anna
Drexler übernommen, die Catherine eine wahnsinnig naive Note verleiht. Aber
meines Erachtens passt das ziemlich gut. Catherine wirkt dadurch so rein und
manchmal hilflos, dass es zum Verlauf der Geschichte sehr gut passt. Insgesamt
muss man über das Hörspiel sagen, wurden wirklich gute Sprecher ausgewählt, die
ihre Rollen höchst passend interpretieren. Mir gingen die Sprecherwechsel
manchmal zu schnell und ich hatte den Eindruck, als wenn manche Figuren nicht
mehr als ein, zwei Sätze sagen und diese völlig zusammenhangslos präsentiert
wurden. Das hat mich überfordert. Nichtsdestotrotz ist die Sprecherleistung
wirklich gut, allen voran Ulrich Noeten, der den Erzähler liest. Seine Stimme
ist sehr weich und angenehm, sodass man ihm gut zuhören kann.
Die Geschichte lebt ein wenig vom Wechsel zwischen Wirklichkeit und Fantasie,
wie die junge Miss Morland sie erlebt. Dieser Wechsel gelingt durchaus. Doch
die Protagonistin vergleicht vieles mit gelesenen Büchern, was manchmal
verwirrend ist. In diesem Zusammenhang werden auch wenige Passagen auf Englisch
im Hörspiel vorgelesen, die aus einem erwähnten Buch „Udolfo“ stammen. Ich fand
diese etwas deplatziert, da sie für die Geschichte nicht notwendig waren.
Aber genug der Kritik. Nachdem ich die Charaktere kennengelernt hatte, konnte
ich die Geschichte wirklich genießen. Man kann sich einfach unterhalten lassen.
Das Hörspiel wird mit der Zeit immer besser und ist auch durchaus spannend.
Einiges kann man sich zwar denken, dennoch wird man wirklich gut unterhalten.
Als Hörer begleitet man Miss Morland dabei, wie sie sich verliebt und auf dem
Heiratsmarkt zu bestehen versucht. Das macht sie ziemlich bravourös, sodass
ihrem Glück am Ende nichts im Wege stehen sollte.
Der gewohnte Charme und Witz von Jane Austen lassen sich auch in diesem Werk
durchaus finden – doch ist beides nicht so präsent, wie in anderen Werken. Zwischendurch
klingt die unterschwellige Gesellschaftskritik durch, für die Austen so bekannt
ist. Doch an manchen Stellen war mir die Geschichte wirklich zu oberflächlich.
Ich glaube, dass die Regiesseurin und das gesamte Team aus „Northanger Abbey“
alles herausgeholt haben, um ein unterhaltsames Hörspiel zu gestalten. Und zu
mehr ist das Original vielleicht auch nicht fähig. Von dieser These werde ich
mich selbst noch überzeugen müssen, indem ich das Buch noch lese. Bis dahin bin
ich von der Geschichte an sich allerdings nicht wirklich überzeugt.
Zum Hörspiel an sich muss noch gesagt werden, dass das Vorwort im Inlet der CDs
wirklich großartig ist. Hans Pleschinski hat auf einigen Seiten sowohl Austen,
ihre Bücher und ihre Zeit, als auch Northanger Abbey gut umrissen, sodass man
einige Zusatzinformationen bekommt. Wirklich gut!
Das Hörspiel zu „Northanger Abbey“ ist gelungen, interessant und liebevoll umgesetzt. Die Gestaltung des Covers und des Inlets
sind phänomenal. Auch das Hörspiel selbst ist unter anderem dank musikalischer
Untermalung sehr abwechslungsreich. Mich konnte die Geschichte erst nach
einiger Zeit packen, ab der Hälfte empfand ich sie jedoch als sehr unterhaltsam
und spannend. Mir fehlte hier der typische Jane Austen Charme, für den das
Hörspiel allerdings nichts kann. Und wenn das Hörspiel eines ist, dann
charmant. Deswegen vergebe ich insgesamt 4 von 5 Sternen.
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