23. Dezember 2019

Rezension [Hörbuch]: "Northanger Abbey" von Jane Austen


Titel: Northanger Abbey
Autor: Jane Austen
Sprecher: Ulrich Noethen u.a.
Verlag: Der Hörverlag
Dauer: ca. 2 h 15 min.
Preis: 20,00€

Großbritanniens Literatur im ausgehenden 18. Jahrhundert wurde von einer Frau geprägt, die es geschafft hat, diese Zeit bis heute durch ihre Romane lebendig zu halten. Die Rede ist natürlich von Jane Austen. Keine andere Frau schaffte es zu dieser Zeit, das alltägliche Leben der britischen Oberschicht mit solch einem Witz und Charme einzufangen und es überdauern zu lassen. Dass Jane Austen eine absolute Könnerin war, steht außer Frage. Ich habe ihre Bücher schon früh für mich entdeckt und mich gemeinsam mit Elisabeth Bennet in den guten Mr. Darcy verliebt. Doch natürlich hat Austen weit mehr erwähnenswerte Werke geschrieben, als nur „Stolz und Vorurteil“. Viele davon kenne ich inzwischen, bisher unbeachtet ließ ich einen ihrer frühsten Romane, der postum veröffentlicht wurde: „Northanger Abbey“. 
Als ich jedoch sah, dass der Hörverlag eine Art Hörspiel von dem Klassiker aufgenommen hat, musste ich mir diese schmuckvolle Ausgabe einfach anschaffen. Das Hörspiel ist wahnsinnig schön aufbereitet und sehr liebevoll gemacht. Ich habe es wirklich gern gehört. Doch zu 100 Prozent überzeugen, konnte es mich nicht…


Gotische Abteien, gruselige Mönche, verworrene Handlungen – die junge Catherine Morland liebt Schauerromane! Sie reist mit Freunden der Familie für einige Wochen nach Bath, wo sie sich in den charmanten Henry Tilney verliebt. Als sie von dessen Schwester und deren Vater auf den Familiensitz Northanger Abbey eingeladen wird, sagt sie begeistert zu. Durch ihre sich überschlagende Phantasie manövriert sie sich dort allerdings in die eine und andere peinliche Lage...

Ich habe mich wahnsinnig gefreut, die wunderschöne Ausgabe von „Northanger Abbey“ in den Händen zu halten. Allein das Booklet und das Cover sind absolute Schätze. Schon vor dem Hören waren meine Erwartungen deswegen hoch. Vielleicht zu hoch.
Als ich die erste CD einlegte, musste ich mich zunächst an das komplette Setting gewöhnen. Man hat es hier nicht mit einem einfachen Hörbuch zu tun, es handelt sich eher um eine Art Hörspiel. Insgesamt wirken 14 Sprecher an diesem Werk mit, was es natürlich sehr abwechslungsreich macht. Außerdem sind Passagen des Hörspiels musikalisch untermalt. Dafür wurden eigens Melodien komponiert, die natürlich Einzug in das Hörspiel gefunden haben. Auch wegen dieser kleinen, sehr passenden Musikpassagen ist das Hörspiel etwas ganz besonderes. 
Doch so richtig kam ich nicht in die Geschichte herein. Das hat wahrscheinlich mehrere Gründe. Zum einen brauchte ich einen Moment, um das Setting zu verstehen, zum anderen waren meine Erwartungen an das Hörspiel immens hoch. Beides war eher schlecht. Mein Hauptproblem lag aber in der Geschichte selbst. Meines Erachtens merkt man durchaus, dass es sich bei „Northanger Abbey“ um einen frühen Roman Austens handelt. Ihre Protagonistin, die durchaus als Antiheldin dargestellt wird, war mir eine Spur zu naiv. Auch die Handlung selbst hatte einfach nicht die Raffinnesse, die ich von Jane Austen bisher gewohnt war. Manchmal war ich mir gar nicht sicher, ob die Figuren selbst sich über die Geschichte in gewisser Weise lustig machen. Wahrscheinlich schon. 
Um alle Figuren und Geschehnisse so richtig zu durchschauen, brauchte ich leider die komplette erste CD. Mit der zweiten allerdings gefiel mir das Hörspiel immer besser. Ich verstand so langsam die Welt von Catherine Morland, der Protagonistin. Dieses junge Geschöpf ist außerordentlich naiv und gutmütig, gleichzeitig aber sehr direkt, was wirklich amüsant ist. Ich mochte sie sehr, auch wenn ich sie nicht immer verstehen konnte. Diese Sprechrolle hat Anna Drexler übernommen, die Catherine eine wahnsinnig naive Note verleiht. Aber meines Erachtens passt das ziemlich gut. Catherine wirkt dadurch so rein und manchmal hilflos, dass es zum Verlauf der Geschichte sehr gut passt. Insgesamt muss man über das Hörspiel sagen, wurden wirklich gute Sprecher ausgewählt, die ihre Rollen höchst passend interpretieren. Mir gingen die Sprecherwechsel manchmal zu schnell und ich hatte den Eindruck, als wenn manche Figuren nicht mehr als ein, zwei Sätze sagen und diese völlig zusammenhangslos präsentiert wurden. Das hat mich überfordert. Nichtsdestotrotz ist die Sprecherleistung wirklich gut, allen voran Ulrich Noeten, der den Erzähler liest. Seine Stimme ist sehr weich und angenehm, sodass man ihm gut zuhören kann. 
Die Geschichte lebt ein wenig vom Wechsel zwischen Wirklichkeit und Fantasie, wie die junge Miss Morland sie erlebt. Dieser Wechsel gelingt durchaus. Doch die Protagonistin vergleicht vieles mit gelesenen Büchern, was manchmal verwirrend ist. In diesem Zusammenhang werden auch wenige Passagen auf Englisch im Hörspiel vorgelesen, die aus einem erwähnten Buch „Udolfo“ stammen. Ich fand diese etwas deplatziert, da sie für die Geschichte nicht notwendig waren.
Aber genug der Kritik. Nachdem ich die Charaktere kennengelernt hatte, konnte ich die Geschichte wirklich genießen. Man kann sich einfach unterhalten lassen. Das Hörspiel wird mit der Zeit immer besser und ist auch durchaus spannend. Einiges kann man sich zwar denken, dennoch wird man wirklich gut unterhalten. Als Hörer begleitet man Miss Morland dabei, wie sie sich verliebt und auf dem Heiratsmarkt zu bestehen versucht. Das macht sie ziemlich bravourös, sodass ihrem Glück am Ende nichts im Wege stehen sollte.
Der gewohnte Charme und Witz von Jane Austen lassen sich auch in diesem Werk durchaus finden – doch ist beides nicht so präsent, wie in anderen Werken. Zwischendurch klingt die unterschwellige Gesellschaftskritik durch, für die Austen so bekannt ist. Doch an manchen Stellen war mir die Geschichte wirklich zu oberflächlich. Ich glaube, dass die Regiesseurin und das gesamte Team aus „Northanger Abbey“ alles herausgeholt haben, um ein unterhaltsames Hörspiel zu gestalten. Und zu mehr ist das Original vielleicht auch nicht fähig. Von dieser These werde ich mich selbst noch überzeugen müssen, indem ich das Buch noch lese. Bis dahin bin ich von der Geschichte an sich allerdings nicht wirklich überzeugt.
Zum Hörspiel an sich muss noch gesagt werden, dass das Vorwort im Inlet der CDs wirklich großartig ist. Hans Pleschinski hat auf einigen Seiten sowohl Austen, ihre Bücher und ihre Zeit, als auch Northanger Abbey gut umrissen, sodass man einige Zusatzinformationen bekommt. Wirklich gut!


Das Hörspiel zu „Northanger Abbey“ ist gelungen, interessant und liebevoll umgesetzt. Die Gestaltung des Covers und des Inlets sind phänomenal. Auch das Hörspiel selbst ist unter anderem dank musikalischer Untermalung sehr abwechslungsreich. Mich konnte die Geschichte erst nach einiger Zeit packen, ab der Hälfte empfand ich sie jedoch als sehr unterhaltsam und spannend. Mir fehlte hier der typische Jane Austen Charme, für den das Hörspiel allerdings nichts kann. Und wenn das Hörspiel eines ist, dann charmant. Deswegen vergebe ich insgesamt 4 von 5 Sternen.




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