5. Januar 2025

Rezension [Hörbuch]: "Scandor" von Ursula Poznanski


Titel: Scandor
Autorin: Ursula Poznanski
Sprecher: Jens Wawrczeck
Verlag: der Hörverlag
Preis: 22€
Dauer: 12h 22m
 

Würdest du es schaffen, rund um die Uhr die Wahrheit zu sagen? Keine Notlügen, keine Ausflüchte. Nur die Wahrheit. Wenn ich ehrlich bin, bezweifle ich, dass ich eine solche Challenge schaffen würde. Doch genau darum geht es im neusten Buch von Ursula Poznanski, namens „Scandor“. Und dieses Buch hat es in sich. Spannend, unterhaltsam und erschreckend realitätsnah zeigt „Scandor“, was die Wahrheit mit Menschen machen kann. Meine absolute Empfehlung!

Es ist eine Challenge der besonderen Art, auf die Philipp und Tessa sich einlassen: Hundert Menschen treten an, um einen einzigartigen, unfehlbaren Lügendetektor zu testen: Scandor. Er begleitet die Kandidaten rund um die Uhr, wittert jede Ausflucht, jede Schwindelei. Wer lügt, fliegt aus dem Rennen und muss sich als Buße seinen tiefsten Ängsten stellen. Die Person hingegen, die am Ende übrig bleibt, erhält ein Preisgeld von fünf Millionen Euro.
Doch nicht alle spielen fair. Und es gibt jemanden, der sich auf die Suche nach einer ganz besonderen Wahrheit gemacht hat …

Ich liebe Poznanski-Themen und höre seit Jahren ihre Bücher. Aber da mich ihr letztes („Oracle“) ein wenig enttäuscht hat, wollte ich meine Erwartungen an „Scandor“ nicht zu hoch schrauben. Doch weit gefehlt! „Scandor“ hat mich absolut abgeholt und gefesselt. Der Einzelband hat einfach alles, was ein spannendes Hörerlebnis ausmacht.
Doch beginnen wir von vorn.
Worum geht es?
Diverse Kandidaten werden zu einem geheimen Wettbewerb eingeladen, bei dessen Sieg fünf Millionen Euro auf den Gewinner warten. Durch Zufall gelangen auch der junge Student Phillip und die turbulente Tessa an Münzen, die für den Wettbewerb qualifizieren. Während Philipp lediglich ein Mädchen beeindrucken will, braucht Tessa das Geld ganz dringend. Sie schlägt sich von Job zu Job durch und will ihren Eltern keinesfalls auf der Tasche liegen. Außerdem könnte sie so dafür sorgen, endlich von ihrem schrecklichen Onkel Hendrik loszukommen. Doch der Wettbewerb hat seine Tücken, denn es geht um die Wahrheit. Jeder Kandidat trägt dauerhaft eine Art Lügendetektor an seinem Arm, der mit ihm kommuniziert. Stellt dir jemand eine Frage, musst du sie wahrheitsgemäß beantworten. Auch eine Höflichkeitsfloskel kann das Ende bedeuten. Immer wieder stellt „Scandor“ seinen Trägern auch Challenges, sodass aus den anfangs 100 Kandidaten schnell weniger werden. Doch was geschieht bei einer Niederlage? Jeder einzelne muss sich seiner schlimmsten Angst stellen und diese durchleben. Klingt an den Haaren herbeigezogen? Ist es nicht. Denn schnell begreifen Philipp und Tessa, dass dieser Wettbewerb es ernst meint – genauso wie seine Teilnehmer.

Es dauert lang, die Grundpfeiler der Story zu erklären. Und daran merkt man schon, wie komplex die Geschichte ist. Die Idee zog mich von Anfang an in ihren Bann. Immer nur die reine Wahrheit? Geht das überhaupt? Denn wie oft stellt man am Tag Fragen, auf die man eigentlich keine Antwort erwartet. Wie komisch wäre es, würde man eine solche immer bekommen? Genau solche Situationen kommen in „Scandor“ immer wieder vor. Als Hörer ist man sofort im Geschehen, denn die Geschichte beginnt unmittelbar. Der Wettbewerb wird Stück für Stück erklärt und der Plot baut sich auf. Tessa und Philipp lernen sich auf der Begrüßungsgala aller Kandidaten kennen, doch weiterhin spielt jeder für sich selbst. Das System selbst sorgt dafür, dass die beiden Protagonisten irgendwann eine Art Team bilden. Und damit beginnt die Geschichte erst so richtig. Denn der Wettbewerb hat Hintergedanken. Jemand will eine bestimmte Wahrheit herausfinden. Und dass Philipp und Tessa von dieser direkt betroffen sind, merken sie erst viel zu spät…
Beide Protagonisten sind wirklich interessant. Zumeist wechselt die Perspektive nach jedem Kapitel. Mal verfolgt man Tessa, mal Philipp. Obwohl beide wenig miteinander zu tun haben, ergibt sich doch irgendwie nur durch beide Sichtweisen ein Ganzes.
Tessa ist ein spezieller Charakter. Sie ist frech, direkt und wahrheitsliebend. Mit ihren blauen Haaren ist sie es gewohnt, anzuecken. Philipp ist das genaue Gegenteil. Er ist stets darauf bedacht, nicht zu sehr aufzufallen und eigentlich ein ruhiger Typ. Gleichzeitig weiß er sehr genau, was er will – und was nicht.
Neben diesen beiden Figuren spielen vor allem ihre Familien eine Rolle. Sehr präsent ist Tessas Onkel Hendrik, der viel zu reich ist und seinem körperlich beeinträchtigten Bruder immer wieder vorhält, was dieser alles nicht hat. Auch Philipps Eltern spielen eine Rolle. Und dann wären da noch all die anderen Kandidaten, auf die Tessa und Philipp während des Wettbewerbs treffen.
Ich kann es gar nicht genau beschreiben, ohne tiefer in die Geschichte zu gehen. Aber glaubt mir einfach eines: Es ist super spannend! Und vor allem regt der Plot zum Nachdenken an. Noch heute, viele Tage nach dem Hören, lässt mich das Thema immer noch nicht los. Denn was Poznanski wirklich drauf hat, ist Geschichten zu erfinden, die erschreckend nah an der Realität sind. Wer sagt mir, dass es nicht längst mobile Lügendetektoren gibt, die dank KI wissen, wann du die Wahrheit sagst und dann auch noch mit dir kommunizieren? Vor allem aber habe ich mich selbst reflektiert. Es wäre sicher spannend, herauszufinden, wie oft am Tag man selbst nicht die ganze Wahrheit sagt. Was macht es mit einem Menschen, wenn er IMMER ehrlich ist? Für Philipp und Tessa ist die Antwort klar: Es ist die reinste Qual. Und das habe ich sofort geglaubt.
Das konkrete Ziel der Geschichte ergibt sich erst recht spät. Aber für mich als Hörerin war das gar nicht entscheidend, denn auch so unterhält der Wettbewerb allein wunderbar! Die Auflösung der großen Wahrheit und was hinter Scandor steckt, ist für den ein oder anderen sicher etwas konstruiert. Für mich war es durchaus passend und sinnvoll. Ich hatte von Anfang bis Ende wirklich nichts an der Geschichte auszusetzen.
Zum Schreibstil und dem Sprecher muss ich kaum was sagen. Ursula Poznanski versteht es, den Leser in ihre Welt zu entführen, Empathie für ihre Figuren aufzubauen und ein tolles Setting zu erschaffen. Jens Wawrczeck ist meistens der Sprecher ihrer Hörbücher. Zu ihm muss ich wohl noch weniger sagen…der berühmte Drei-Fragezeichen-Sprecher liest großartig und sehr einfühlsam. Er betont toll und hat ein super Gespür für die Charaktere.

Mich hat die Story hinter „Scandor“ wirklich beeindruckt. Und ein bisschen schockiert. Aber gerade dieser Wechsel war so spannend. Die Handlung, die Charaktere und der Stil sind großartig. Ich habe dieses Mal kein Problem, ehrlich zu sein: Das Hörbuch verdient die vollen fünf Sterne.



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