2. September 2025

Rezension [Hörbuch]: "Daughter of Chaos - Die Lüge der Götter" von A.S. Webb


Titel: Daughter of Chaos - Die Lüge der Götter
Autorin: A.S. Webb
Sprecherin: Viola Müller
Verlag: Radomhouse Audio
Seiten: 560
Dauer: 16h 52m
Preis: 29,95€
 

Es ist kein Geheimnis, dass mich alles interessiert, was mit griechischer Mythologie zu tun hat – auch im literarischen Bereich. „Alte Geschichte“ war nicht umsonst eines meiner Lieblingsmodule an der Uni. Der antike Stoff zieht mich immer wieder in seinen Bann. Deswegen horchte ich auf, als ich von „Daughter of Chaos – Die Lüge der Götter“ hörte. Der Klappentext fesselte mich sofort. Allein die Schlagwörter „Delphi“ und „Herakles“ hätten gereicht, um mein Interesse zu wecken. Also gab ich mich den mehr als 16 Stunden Hörgenuss hin…und habe es nicht bereut! „Daughter of Chaos“ ist ein spannender Auftakt mit einer tollen Interpretation des Stoffes und grandiosen Charakteren. Die Mischung aus Bezügen zur „Realität“ und eigener Fiktion ist wirklich gelungen und man weiß nie, was als nächstes passiert. Das macht dieses Hörbuch so spannend!

»Die letzte Tochter wird kommen, die Herrschaft des Donners beenden und zum Licht werden, das die Menschheit befreit.« Im antiken Griechenland leiden die Menschen unter der Tyrannei und Willkür der Götter. Doch eine alte Prophezeiung spricht von Hoffnung, von jemandem, der die Menschheit befreien wird.
Auf Naxos entwickelt Danae, Tochter eines Fischers, eines Tages mysteriöse Kräfte. Aus ihrem Dorf vertrieben, sucht sie Rat beim Orakel von Delphi – findet aber nur weitere Fragen ... aber auch Gerüchte über ein geheimes Netzwerk von Gläubigen, die schon lange auf ihre Ankunft gewartet haben. Auf der Suche nach Antworten schließt Danae sich dem Halbgott Herakles an. An seiner Seite macht sie sich auf, legendäre Monster zu jagen. Doch es sind die Götter des Olymps, auf deren Fährte Danae wirklich ist.

Eine Trilogie, der das griechische Pantheon zugrunde liegt, kann eigentlich nur eine Schwäche haben – und die hat auch A.S. Webbs „Daughter of Chaos“: Die Geschichte hat manchmal seine Längen. Mit dieser Kritik starte ich direkt, denn es ist die einzige, die ich habe. In „Die Lügen der Götter“ geht es letztendlich um ein Mädchen, das herausfindet, dass es gewisse Kräfte und eine damit verbundene Bestimmung hat. Um diese Bestimmung zu erfüllen, muss sie eine lange Reise durchmachen. Und „lang“ trifft es eben sehr gut.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert, die alle einen anderen Teil von Danaes Reise beschreiben. Sie sind sehr sinnvoll eingeteilt. Im ersten Teil befindet sich die Tochter eines Fischers noch auf ihrer Heimatinsel Naxos und ahnt nichts von ihrem Schicksal. Man merkt nur sehr schnell, dass Danae rebellischer und hitzköpfiger ist als andere Mädchen in ihrem Alter. Der zweite Teil lüftet langsam die ersten Geheimnisse und führt das junge Mädchen nach Delphi. Doch erst im dritten Teil offenbart sich das eigentliche Ziel, Danaes Gabe und das große Ganze wird sichtbarer. Auch Herakles spielt hier erst eine große Rolle. Eine lange Reise, auf der sich vor allem der Charakter der Protagonistin entwickelt und reift, kostet den Leser oder Hörer einige Zeit. Ich persönlich habe diese Zeit unglaublich gern investiert, denn ich fand jedes noch so kleine Abenteuer, jede Abschweifung total spannend. Aber generell könnte man dem Buch eben das vorwerfen. Es hat gewisse Längen.
Wie kommen diese aber zustande? Und nun beginne ich mal bei den viele großartigen Dingen dieses Buches. Ich habe bereits angerissen, dass die Protagonistin auf einer kleinen Insel aufwächst. Danae lebt als zweite Tochter bei ihrer Familie. Ihre großen Brüder sind bereits alle verheiratet und so sind nur noch ihre Schwester Alea und sie bei ihren Eltern. Der erste Teil der Geschichte widmet sich dem alltäglichen Leben. Man bekommt einen wunderbaren Eindruck, wie das einfache Leben der Menschen in der Antike war. Gleichzeitig versteht man, wie A.S. Webb diese Welt gestaltet. Die Autorin versteht die antike Welt so, dass all die überlieferten Sagen wahr sind. Sprich, es gibt die Götter. Es gibt die mythischen Wesen und Ungeheuer, die Helden und die Phänomene, die man heute kaum noch begreifen kann. Für einiges davon gibt es logische Erklärungen. Aber wenn Geister oder magische Vögel, geflügelte Pferde oder sechsarmige Monster auftauchen, dann ist das die Realität in dieser Geschichte. Ich fand das eigentlich ziemlich cool. Diese Dinge werden auch ganz selbstverständlich erzählt. So kommt der Mix aus High Fantasy und antikem Stoff wirklich gut zur Geltung. Viele der eingearbeiteten Details sind übrigens wirklich so überliefert. Natürlich handelt es sich vor allem um Stoff aus den Sagen (an dessen Wahrheitsgehalt man definitiv zweifeln darf), aber das verleiht dem Buch noch mehr Authentizität und zeigt, wie liebevoll die Autorin mit ihrer Geschichte umgeht. Ich habe beispielsweise erst einmal gegoogelt, wer alles auf der „Argo“, dem Schiff des Helden Jason, dabei war. Und tatsächlich: Herakles oder auch Atalanta waren dabei. Eben solche Details sind auch in „Daughter of Chaos“ eingearbeitet. Man muss allerdings auch sagen, dass manches ganz anders überliefert wurde und nicht ganz in die Handlung passt. Aber ich schweife ab.
Danaes Reise beginnt ganz zaghaft und es dauert eine Weile, bis das Setting aufgebaut und man in der Geschichte angekommen ist. Erst wenn der zweite Teil beginnt, wird es eigentlich so richtig spannend. Dann nehmen auch die Bezüge zur Antike zu. Die Geschichte von Theseus, Atalanta, den Amazonen Herakles und dem Orakel von Delphi spielen hier eine Rolle. Insgesamt gibt es neben der Hauptgeschichte unglaublich viele „Nebenabenteuer“, die überstanden werden müssen. Danae lernt dabei listig zu sein, manchmal zu lügen und vor allem: zu überleben. Der Charakterwandel ist grandios. Gleichzeitig bleibt sie aber authentisch und definitiv sympathisch. Sie ist eine Protagonistin, die zweifelt und unsicher ist. Die trotzdem Stärke zeigt und sich kämpferisch gibt. Grandios sind übrigens auch die Nebenfiguren. Allen voran der berühmte Herakles, der eben auch Schwächen hat. Auch die anderen Reisegefährten wie Atalanta sind interessant und sehr vielschichtig. Sie sorgen für ordentlich Gezanke und Reibereien, aber auch für lustige und herzerwärmende Momente. Trotzdem gibt es viele grausame Aspekte in der Geschichte, die zum Teil mit den Handlungen der Figuren zu tun haben. Besonders spannend fand ich übrigens Manto als Figur. Er/Sie spielt gar nicht so lange mit und trotzdem prägt er/sie die Geschichte. Das einzig wirklich Verwirrende war die „Wokeness“ dieses Charakters. Denn Manto bezeichnet sich als weder weiblich noch männlich und jeder verwendet ganz selbstverständlich im Zusammenhang mit dieser Figur das Pronomen „dae“. Ich gebe zu, dass ich anfangs dachte, es würde sich um zwei Figuren handelt: Manto und Dae. Tat es aber nicht. Ich glaube weniger, dass man es im antiken Griechenland einfach akzeptierte, wenn jemand keinem Geschlecht zugeordnet werden wollte, weshalb es für mich nicht so in die Geschichte passte. Aber okay. Warum eigentlich auch nicht?!
Die Punkte Handlung (spannend und vielseitig) und Figuren (grandios und abwechslungsreich) können wir abhaken. Bleibt noch die Sprache. A.S. Webb schreibt flüssig und sehr bildhaft. Ich fand ihren Stil für das Setting der Geschichte sehr gut. Sie scheut nicht davor zurück, auch die Schattenseiten der Geschichte darzustellen, weshalb es eben auch Themen wie Tod und gar Mord zu Hauf in „Daughter of Chaos“ gibt. Hier wird nichts geschönt und das wird dem Hörer auch transportiert. Die Sprecherin Viola Müller hat eine sehr angenehme Stimme, die ich vollkommen mit Danae identifiziert habe. Ich hatte ihre Stimme auch lange nach dem Hören noch im Kopf. Müller betont gut und nimmt den Hörer mit auf diese vielschichtige und spannende Reise.

Alles in allem hat mich „Daughter of Chaos – Die Lüge der Götter“ wirklich überrascht – im positiven Sinne. Ich habe das Buch unglaublich gern gehört und wollte immer wissen, wie es weitergeht. Kommen unsere Helden ans Ziel? Wird Danae sich den Göttern stellen können? Welche Abenteuer werden noch auf dem Weg dorthin geschehen? Die ganze Reise ist spannend. Aber verlustreich. Die Entwicklung der Charaktere ist sehr gut gelungen und für jeden gibt es definitiv Figuren, mit denen man sich identifizieren kann. Stören einen die Längen nicht, hat man mit diesem Hörbuch eine Menge Spaß. Ich hatte ihn und deswegen warte ich nun gespannt auf den zweiten Teil und vergebe gern fünf Sterne für diese Reise ins antike Griechenland.