Titel: Daughter of Chaos - Die Lüge der Götter
Autorin: A.S. Webb
Sprecherin: Viola Müller
Verlag: Radomhouse Audio
Seiten: 560
Dauer: 16h 52m
Preis: 29,95€
Es ist kein Geheimnis, dass mich alles interessiert, was mit
griechischer Mythologie zu tun hat – auch im literarischen Bereich. „Alte
Geschichte“ war nicht umsonst eines meiner Lieblingsmodule an der Uni. Der antike
Stoff zieht mich immer wieder in seinen Bann. Deswegen horchte ich auf, als ich
von „Daughter of Chaos – Die Lüge der Götter“ hörte. Der Klappentext fesselte
mich sofort. Allein die Schlagwörter „Delphi“ und „Herakles“ hätten gereicht,
um mein Interesse zu wecken. Also gab ich mich den mehr als 16 Stunden
Hörgenuss hin…und habe es nicht bereut! „Daughter of Chaos“ ist ein spannender
Auftakt mit einer tollen Interpretation des Stoffes und grandiosen Charakteren.
Die Mischung aus Bezügen zur „Realität“ und eigener Fiktion ist wirklich
gelungen und man weiß nie, was als nächstes passiert. Das macht dieses Hörbuch
so spannend!

»Die letzte Tochter wird kommen, die Herrschaft des Donners
beenden und zum Licht werden, das die Menschheit befreit.« Im antiken
Griechenland leiden die Menschen unter der Tyrannei und Willkür der Götter.
Doch eine alte Prophezeiung spricht von Hoffnung, von jemandem, der die
Menschheit befreien wird.
Auf Naxos entwickelt Danae, Tochter eines Fischers, eines Tages mysteriöse
Kräfte. Aus ihrem Dorf vertrieben, sucht sie Rat beim Orakel von Delphi –
findet aber nur weitere Fragen ... aber auch Gerüchte über ein geheimes
Netzwerk von Gläubigen, die schon lange auf ihre Ankunft gewartet haben. Auf
der Suche nach Antworten schließt Danae sich dem Halbgott Herakles an. An
seiner Seite macht sie sich auf, legendäre Monster zu jagen. Doch es sind die
Götter des Olymps, auf deren Fährte Danae wirklich ist.
Eine Trilogie, der das griechische Pantheon zugrunde liegt,
kann eigentlich nur eine Schwäche haben – und die hat auch A.S. Webbs „Daughter
of Chaos“: Die Geschichte hat manchmal seine Längen. Mit dieser Kritik starte
ich direkt, denn es ist die einzige, die ich habe. In „Die Lügen der Götter“
geht es letztendlich um ein Mädchen, das herausfindet, dass es gewisse Kräfte
und eine damit verbundene Bestimmung hat. Um diese Bestimmung zu erfüllen, muss
sie eine lange Reise durchmachen. Und „lang“ trifft es eben sehr gut.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert, die alle einen anderen Teil von Danaes
Reise beschreiben. Sie sind sehr sinnvoll eingeteilt. Im ersten Teil befindet
sich die Tochter eines Fischers noch auf ihrer Heimatinsel Naxos und ahnt
nichts von ihrem Schicksal. Man merkt nur sehr schnell, dass Danae rebellischer und hitzköpfiger ist als andere Mädchen in ihrem Alter. Der zweite Teil lüftet langsam die ersten
Geheimnisse und führt das junge Mädchen nach Delphi. Doch erst im dritten Teil
offenbart sich das eigentliche Ziel, Danaes Gabe und das große Ganze wird
sichtbarer. Auch Herakles spielt hier erst eine große Rolle. Eine lange Reise,
auf der sich vor allem der Charakter der Protagonistin entwickelt und reift,
kostet den Leser oder Hörer einige Zeit. Ich persönlich habe diese Zeit
unglaublich gern investiert, denn ich fand jedes noch so kleine Abenteuer, jede
Abschweifung total spannend. Aber generell könnte man dem Buch eben das
vorwerfen. Es hat gewisse Längen.
Wie kommen diese aber zustande? Und nun beginne ich mal bei den viele
großartigen Dingen dieses Buches. Ich habe bereits angerissen, dass die
Protagonistin auf einer kleinen Insel aufwächst. Danae lebt als zweite Tochter
bei ihrer Familie. Ihre großen Brüder sind bereits alle verheiratet und so sind
nur noch ihre Schwester Alea und sie bei ihren Eltern. Der erste Teil der
Geschichte widmet sich dem alltäglichen Leben. Man bekommt einen wunderbaren
Eindruck, wie das einfache Leben der Menschen in der Antike war. Gleichzeitig
versteht man, wie A.S. Webb diese Welt gestaltet. Die Autorin versteht die
antike Welt so, dass all die überlieferten Sagen wahr sind. Sprich, es gibt die
Götter. Es gibt die mythischen Wesen und Ungeheuer, die Helden und die
Phänomene, die man heute kaum noch begreifen kann. Für einiges davon gibt es
logische Erklärungen. Aber wenn Geister oder magische Vögel, geflügelte Pferde
oder sechsarmige Monster auftauchen, dann ist das die Realität in dieser
Geschichte. Ich fand das eigentlich ziemlich cool. Diese Dinge werden auch ganz
selbstverständlich erzählt. So kommt der Mix aus High Fantasy und antikem Stoff
wirklich gut zur Geltung. Viele der eingearbeiteten Details sind übrigens
wirklich so überliefert. Natürlich handelt es sich vor allem um Stoff aus den Sagen
(an dessen Wahrheitsgehalt man definitiv zweifeln darf), aber das verleiht dem
Buch noch mehr Authentizität und zeigt, wie liebevoll die Autorin mit ihrer
Geschichte umgeht. Ich habe beispielsweise erst einmal gegoogelt, wer alles auf
der „Argo“, dem Schiff des Helden Jason, dabei war. Und tatsächlich: Herakles
oder auch Atalanta waren dabei. Eben solche Details sind auch in „Daughter of
Chaos“ eingearbeitet. Man muss allerdings auch sagen, dass manches ganz anders
überliefert wurde und nicht ganz in die Handlung passt. Aber ich schweife ab.
Danaes Reise beginnt ganz zaghaft und es dauert eine Weile, bis das Setting
aufgebaut und man in der Geschichte angekommen ist. Erst wenn der zweite Teil
beginnt, wird es eigentlich so richtig spannend. Dann nehmen auch die Bezüge
zur Antike zu. Die Geschichte von Theseus, Atalanta, den Amazonen Herakles und
dem Orakel von Delphi spielen hier eine Rolle. Insgesamt gibt es neben der
Hauptgeschichte unglaublich viele „Nebenabenteuer“, die überstanden werden
müssen. Danae lernt dabei listig zu sein, manchmal zu lügen und vor allem: zu
überleben. Der Charakterwandel ist grandios. Gleichzeitig bleibt sie aber authentisch
und definitiv sympathisch. Sie ist eine Protagonistin, die zweifelt und
unsicher ist. Die trotzdem Stärke zeigt und sich kämpferisch gibt. Grandios
sind übrigens auch die Nebenfiguren. Allen voran der berühmte Herakles, der
eben auch Schwächen hat. Auch die anderen Reisegefährten wie Atalanta sind
interessant und sehr vielschichtig. Sie sorgen für ordentlich Gezanke und
Reibereien, aber auch für lustige und herzerwärmende Momente. Trotzdem gibt es
viele grausame Aspekte in der Geschichte, die zum Teil mit den Handlungen der
Figuren zu tun haben. Besonders spannend fand ich übrigens Manto als Figur.
Er/Sie spielt gar nicht so lange mit und trotzdem prägt er/sie die Geschichte.
Das einzig wirklich Verwirrende war die „Wokeness“ dieses Charakters. Denn
Manto bezeichnet sich als weder weiblich noch männlich und jeder verwendet ganz
selbstverständlich im Zusammenhang mit dieser Figur das Pronomen „dae“. Ich
gebe zu, dass ich anfangs dachte, es würde sich um zwei Figuren handelt: Manto
und Dae. Tat es aber nicht. Ich glaube weniger, dass man es im antiken
Griechenland einfach akzeptierte, wenn jemand keinem Geschlecht zugeordnet
werden wollte, weshalb es für mich nicht so in die Geschichte passte. Aber okay.
Warum eigentlich auch nicht?!
Die Punkte Handlung (spannend und vielseitig) und Figuren (grandios und
abwechslungsreich) können wir abhaken. Bleibt noch die Sprache. A.S. Webb schreibt
flüssig und sehr bildhaft. Ich fand ihren Stil für das Setting der Geschichte
sehr gut. Sie scheut nicht davor zurück, auch die Schattenseiten der Geschichte
darzustellen, weshalb es eben auch Themen wie Tod und gar Mord zu Hauf in „Daughter
of Chaos“ gibt. Hier wird nichts geschönt und das wird dem Hörer auch transportiert.
Die Sprecherin Viola Müller hat eine sehr angenehme Stimme, die ich vollkommen
mit Danae identifiziert habe. Ich hatte ihre Stimme auch lange nach dem Hören
noch im Kopf. Müller betont gut und nimmt den Hörer mit auf diese
vielschichtige und spannende Reise.
Alles in allem hat mich „Daughter of Chaos – Die Lüge der
Götter“ wirklich überrascht – im positiven Sinne. Ich habe das Buch unglaublich
gern gehört und wollte immer wissen, wie es weitergeht. Kommen unsere Helden
ans Ziel? Wird Danae sich den Göttern stellen können? Welche Abenteuer werden
noch auf dem Weg dorthin geschehen? Die ganze Reise ist spannend. Aber
verlustreich. Die Entwicklung der Charaktere ist sehr gut gelungen und für jeden
gibt es definitiv Figuren, mit denen man sich identifizieren kann. Stören einen
die Längen nicht, hat man mit diesem Hörbuch eine Menge Spaß. Ich hatte ihn und
deswegen warte ich nun gespannt auf den zweiten Teil und vergebe gern fünf
Sterne für diese Reise ins antike Griechenland.