Titel: Ich bin Circe
Autor: Madeline Miller
Sprecher: Ann Vilehaben
Verlag: Randomhouse Audio
Preis: 24,00€
Seiten: 528
Dauer: 12h 15min
Schon als Kind war ich von der griechischen Mythologie fasziniert.
All die Götter- und Heldengeschichten rund um die Eifersucht Heras, die Stärke
Herkules oder den Liebreiz Aphrodites ließen mir oft keine Ruhe und ich hörte und
las die Geschichte immer wieder. Zum Glück war ich nicht das einzig faszinierte
Kind, denn die Adaptionen der griechischen Mythen haben breiten Einzug in den deutschen
Buchmarkt gefunden. Allein der Name Rick Riordan sollte hier als Hinweis
genügen.
Doch griechische Mythologie ist keinesfalls alleinig eine Angelegenheit für
Kinder oder nur das Erzählen von uralten Märchen. Oft steckt in den Geschichten
ein Fünkchen Wahrheit. Und natürlich können auch Erwachsene ihren Spaß an den
alten Sagen haben, denn nicht immer werden die Bücher kindgerecht und humorvoll
erzählt. Ein Buch, das ebendiesen Erwachsenenanspruch erfüllt, ist definitiv
Madeline Millers „Ich bin Circe“. Die amerikanische Geschichtsdozentin hat mit
der biografisch angelegten Lektüre eine vielschichtige und interessante
Geschichte geschaffen, die neben Unterhaltung viel Wissenszuwachs garantiert.
Für diese Art der Unterhaltung muss der Leser/ Zuhörer allerdings ausdauernd
sein.
Circe, Tochter des Sonnengotts Helios, ist anders: Denn sie
besitzt Zauberkräfte. Von ihrer Familie missachtet und von Zeus verbannt, führt
sie ein zurückgezogenes Leben auf der Insel Aiaia unter wilden Tieren, die sie
gezähmt hat. In der Abgeschiedenheit entwickelt sie ihre magischen Fährigkeiten
weiter, bis sie sich wahrhaftig eine Hexe nennen kann. Doch sie bleibt nicht
lange allein: Als Hermes, Daidalos, Odysseus, Iason, Medea und die mächtige
Athene ihre Wege kreuzen, muss sich Circe die Frage stellen: Will sie zu den
Göttern gehören oder zu den Sterblichen, die sie lieben gelernt hat?
Als ich von „Ich bin Circe“ erfuhr, ergriff ich meine
Chance, meine Leidenschaft für griechische Mythen mit meiner Vorliebe für
Hörbücher zu koppeln und schaffte mir die Hörbuchversion der Geschichte an. Das
Cover fand ich von Anfang an ansprechend und auf neutrale Art und Weise
interessant. Mir gefällt die klassische Komponente an der Darstellungsweise und
auch nach dem Kennen der Geschichte muss ich sagen, dass das Cover wirklich gut
zur Geschichte selbst passt. Der Klappentext sprudelt meines Erachtens geradezu
über vor Spannung und deswegen war meine Entscheidung, das Hörbuch zu hören, schnell getroffen.
Wer sich auf dieses Hörbuch aber einlassen möchte, muss vor allem eines
mitbringen: Ausdauer. Eine Dauer von über 12 Stunden fordert nämlich eine ganze
Menge Konzentration vom Hörer, denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine
locker leichte Lektüre für nebenbei. Madeline Miller hat einen hohen Anspruch
an ihr eigenes Werk und diesen bemerkt man in jeder Zeile des Buches. Wer also
denkt, dass hier ein Held nach dem nächsten in unterhaltsamer Weise auftauchen
wird und Circes Leben auf den Kopf stellt, der irrt gewaltig. All die Helden und
Götter aus dem Klappentext kommen natürlich in der Geschichte vor. Doch
zwischen all den kleinen Geschichten liegen große Zeitabstände.
Insgesamt erzählt die Geschichte das Leben der Göttin Circe. Beginnend bei der
Kindheit und furchtbaren Jugend, über die Verbannung des Mädchens, hin zu ihrem
Leben als Hexe und all ihren Erfahrungen und Berichten. Problematisch war für
mich der fehlende Höhepunkt. Man fragt sich immer wieder, wo das Buch hinführen
soll und irgendwann erkennt man: nirgendwohin. Es befasst sich einfach mit dem gesamten
Dasein einer Göttin. Dieses Dasein hat mal spannende und mal langweilige
Momente und der Leser verfolgt sie alle. Man erlebt mit, wie Circe von ihren
Geschwistern gehänselt, von ihrer Familie verachtet und verbannt wird. Wie sie
ihre Fähigkeiten entdeckt und ausbaut und letztlich vor der Frage steht, was
sie sein will. Das Hören ist unterhaltsam, gerade durch die vielen
mythologischen Figuren, die sozusagen Gastauftritte in Circes Leben haben,
allerdings findet es auch auf einem sehr hohen und intellektuellen Niveau
statt. Man kann sich keinesfalls von der Geschichte berieseln lassen und
deswegen wird das Hören zwischenzeitlich sehr anstrengend. Entschädigend sind
dann eben all die erwähnten Passagen, in denen etwa Daidalos, Hermes oder
Odysseus eine Rolle spielen. Mit Odysseus Auftauchen wird der Geschichte
außerdem eine neue Wendung gegeben. Bis dahin dauert es aber.
Circe ist ein sehr interessanter Charakter und mir gefiel sie als Heldin ihrer
eigenen Geschichte wirklich sehr gut! Sie ist authentisch, denn sie zweifelt
viel und hinterfragt beinahe alles. Ihr Entwicklungsprozess ist sehr komplex
und interessant. Am Ende der Geschichte ist sie wahrlich eine andere, als zu
Beginn. Sie ist es auch, die die gesamte Geschichte trägt und weshalb ich nie
aufgehört habe, der Geschichte zuzuhören. Allerdings gibt es in Circes Leben –
was wohl in jedem Leben einer Gottheit über die Dauer so sein muss –
unglaubliche Längen. Vieles hätte man kürzer fassen können, dabei ist die
Hörbuchfassung bereits gekürzt… Ich hatte mit dieser ausschweifenden Erzählart
wirklich zu kämpfen. Und das mag an Millers Schreibstil liegen. So eloquent und
wortgewandt die Autorin auch erzählt, so erschwert sie dem Leser und Hörer in
gewisser Weise den Zugang.
Auch die Sprecherin Ann Vielhaben muss ich in einem Punkt kritisieren. Denn
obwohl sie eine überaus angenehme und weiche Stimme hat, liest sie die
Satzanfänge oft undeutlich und verschluckt die letzte Silbe. Sie wird am Ende
des Satzes also immer sehr leise und man muss schon genau hinhören, um der
Sprecherin weiter folgen zu können. Was Vielhaben allerdings mehr als gut
macht, ist die Betonung der Stimmen und Ereignisse. Sie bringt Circes Zorn
unglaublich gut zur Geltung und auch die fiesen Figuren der Geschichte, wie
etwa Circes Geschwister oder die Nymphe Skylla haben wirklich tolle Stimmen
bekommen.
Die Handlung des Hörbuches ist stringent, was sie eben manchmal so unglaublich
langwidrig macht. Trotzdem darf man die Spannung mancher Passagen nicht
unterschätzen. Denn diese gibt es auch und gerade das Ende ist absolut
gelungen! Miller schafft es in jedem Fall zahlreiche griechische Mythen in die
Biografie einer einzelnen Göttin zu bringen und diesen Punkt habe ich an dem
Hörbuch nicht nur bewundert, sondern auch genossen!
Insgesamt handelt es sich bei „Ich bin Circe“ um ein
interessantes und vielseitiges Hörbuch, das dem Hörer aber auch einiges
abverlangt. Denn die vorhandenen Längen müssen überstanden werden, bis man sich
wieder den spannenden Handlungsteilen widmen kann. Das Hörbuch kann den Hörer
über einen langen Zeitraum hinweg konstant begleiten und in dieser Zeit fühlt
man sich, als würde man Teil der antiken griechischen Welt werden. Denn Miller
und auch die Sprecherin Vielhaben ziehen den Hörer in diese alte Welt und
unterhalten ihn dort durchaus gekonnt. Insgesamt vergebe ich 3,5 Sterne für das
Hörbuch, da es eben ein paar Kritikpunkte gab. Wenn man die Zeit und Geduld aber investiert, lernt man mithilfe von „Ich
bin Circe“ so einiges – vielleicht auch über die eigene Sicht auf die Welt.
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