Titel: Penelope und die zwölf MägdeAutor: Margaret AtwoodSprecher: Nina Kunzendorf u.v.a.Verlag: Der HörverlagPreis: 22,00€Dauer: 3h 35m
Vor einer Weile gab es im Kulturteil unserer Regionalzeitung
einen Artikel über den Trend in der Literatur, alte Sagen und Legenden
feministischer zu gestalten. Konkret wurde hier die griechische Schaffenszeit
betrachtet und geschildert, dass es immer mehr Bücher gibt, die sich mit dem
Schicksal der namenlosen Frauen in der Geschichte (fiktiv) widmen.
So wurde ich auch auf das Buch „Penelope und die zwölf Mägde“ von Margaret
Atwood aufmerksam, denn auch dieses wurde im Artikel erwähnt. Als ich dann sah,
dass es im Hörverlag ein Hörbuch zum Buch gibt, war ich Feuer und Flamme. Wie schildert wohl
die sittsame Frau des berühmten Odysseus das gemeinsame Leben? Welche neuen
Aspekte bringt die weibliche Komponente ein? Und was hat es mit den Mägden auf
sich? Ich war sehr gespannt auf die Geschichte! Doch, was ich letztendlich
bekam, übertraf alle meine Erwartungen. „Penelope und die zwölf Mägde“ ist als
Hörbuch jetzt schon eines meiner absoluten Jahreshighlights!
Margaret Atwood ist überzeugt: »Die Geschichte, wie sie in
der ›Odyssee‹ erzählt wird, ist nicht wasserdicht.« Hier erzählt deshalb
Penelope selbst rückblickend ihre Geschichte, skeptisch und scharfsichtig
betrachtet sie ihr Leben, ihren seefahrenden Gatten Odysseus, die gewiefte
Cousine Helena, den dümmlichen Paris, die brutale, patriarchalische
Gesellschaft der Antike. Die Mägde bilden einen Chor, der den Bericht Penelopes
aus der anonymen Perspektive der Machtlosen ergänzt. Intim, leicht und dabei
illusionslos beschreiben die Frauen, was sie sehen, denken und erleben.
Schon der Klappentext klingt gut, keine Frage. Und ich bin
mir auch sicher, dass das Buch an sich wirklich klasse ist. Aber das Medium des
Hörbuchs verleiht dieser Geschichte wirklich noch einmal den besonderen Touch!
Warum? In dieser Geschichte geht es nicht nur um Penelope selbst, sondern eben
auch um die zwölf Mägde. Für diejenigen, die keine Ahnung von der Odyssee
haben: Als Odysseus nach jahrelanger Irrfahrt heimkehrt und sein Zuhause von
Freiern belagert findet, tötet er nicht nur alle Freier, sondern lässt auch die
zwölf jüngsten Mägde hinrichten, die sich mit ebendiesen Freiern eingelassen
haben. Die Geschichte dieser zwölf ist bisher wohl noch nie wirklich beleuchtet
worden. Doch das ändert Margaret Atwood, indem sie den Namenlosen eine Stimme
verleiht. Die Mägde bilden immer wieder einen Chor im Hörbuch und übernehmen
somit sowohl die klassische Funktion des Chors in der griechischen Tragödie,
als auch die Chance, ihre eigene Geschichte preiszugeben. Gelesen werden die
zwölf von drei Sprecherinnen. Luise Ehl, Johanna Engel und Toni Pitschmann
lesen die Mägde sehr emotional und fesselnd. Es ist wirklich toll, wie sich die
Stimmen überlappen und sie sich gegenseitig ergänzen. Manche Passagen werden
von den Mägden gesungen, andere gemeinsam erzählt. Hinzu kommt, dass sie eben
eigene Charaktere sind. Durch Atwood sind sie nicht mehr namen- oder geschichtenlos.
Die Kapitel der Mägde – immer sehr kurz, übrigens – sind einfach nur spannend
und tragen wirklich etwas zur Entwicklung der Geschichte bei.
Doch in dieser Geschichte spielt eigentlich jemand anderes die Hauptrolle:
Penelope von Sparta. Ich muss zugeben, dass ich diese griechische Figur als
absolut langweilige graue Maus im Kopf hatte. Ich habe die Odyssee nämlich
tatsächlich gelesen. Und was man dort über die Ehefrau von Odysseus erfährt,
ist wirklich nicht viel. Nun wird dieser grauen Maus aber das ganze Buch
gewidmet und der Figur wird die Zeit gegeben, die Menschen davon zu überzeugen,
dass sie mehr war, als nur die langweilige und tugendhafte Ehefrau. Klappt das?
Oh ja, und wie!
Denn die großartige Erzählerin Penelope ist sich ihrer historischen
Außenwirkung absolut bewusst. Sie kokettiert ein wenig mit ihrem Ruf und stellt
auf unglaublich grandiose Art und Weise dar, wie sie die Dinge erlebt hat. Ihr
Erzählstil ist dabei sehr sarkastisch und extrem modern. Margaret Atwood hat
Penelope das moderne Denken zugeschrieben und so verwendet sie auch aktuelles
Vokabular und manchmal auch Umgangssprache.
Der Plot an sich ist simpel. Penelope ist tot und erzählt aus dem Hades heraus
ihre Geschichte. Das geschieht durch Rückblenden. Sie kommentiert das Geschehen
schamlos und stellt vieles klar. Sie bemitleidet sich nie selbst und reflektiert
wirklich interessant. Zwischen den Rückblenden erzählt sie immer wieder vom
Leben in der Unterwelt und ihren dortigen Begegnungen. Ein Dorn im Auge ist ihr
ihre wunderschöne Cousine Helena. Die bekommt wirklich ihr Fett weg. Aber auch
andere große und tragische Figuren werden dargestellt und kommentiert, manchmal
wird sogar ein wenig mit ihnen abgerechnet. Insgesamt hält sich der Ablauf an
die Handlung der Odyssee, aber eben auf ganz andere Art und Weise.
Als Hörer war es für mich ein so abwechslungsreiches und fesselndes Hörbuch wie
kaum ein anderes. Ich interessiere mich natürlich auch für die griechische
Antike und ging mit viel Vorwissen an
die Geschichte. Aber auch so muss man den feministischen und modernen Charakter
einfach würdigen. Auch jeder, der keinen blassen Schimmer von der Odyssee hat,
kann hier seinen Spaß finden. Toll ist einfach auch der Mix aus Antike und
Moderne. Es gibt nämlich am Ende auch kleine Zwischenspiele, als es dann um das
Schicksal der zwölf Mägde geht. Ein fiktiver Gerichtsprozess wird nachgestellt,
ein universitärer Hörsaal wird inszeniert und die Rolle der Zwölf so ganz neu
interpretiert.
Vielleicht erlaubt das Buch keinen absolut neuen Blickwinkel auf die
Geschehnisse, da Penelope die Geschichte eben nicht verändern, aber aus ihrer
Perspektive erzählen kann. Aber allein diese Perspektive ist so innovativ und
spannend, dass es mir eine unglaubliche Freude war, dieses Buch zu hören. Der
Vollständigkeit halber muss ich noch erwähnen, dass Penelopes Stimme, Nina
Kunzendorf, die Geschichte toll liest. Ihre beruhigende, aber eben auch
stichelnde Art ist hervorragend und trägt die Geschichte. Die Aufmachung des Hörbuches ist, nebenbei erwähnt, ebenfalls sehr schön. Die CDs haben ein tolles Cover und das Bookelt ist zwar nicht umfangreich aber ausreichend. Man hätte allerdings auf die Plastikinnenseite verzichten können.
Ihr merkt schon: Ich komme aus dem Lobgesang und auch dem Staunen gar nicht mehr heraus. „Penelope und die zwölf Mägde“ ist als Hörbuch ein absolutes Highlight, das nicht nur für feministisch interessierte Personen spannend ist, sondern eben auch für jeden anderen, der einfach Spaß an Kultur hat. Ich bin wirklich begeistert und empfehle das Hörbuch bedingungslos: fünf Sterne!
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