Titel: Di BernardoAutorin: Natasha KorsakovaVerlag: SeptimePreis: 24,00€Seiten: 264
Obwohl ich selten Ausflüge ins Krimi-Genre mache, gibt es doch etwas, das mich immer wieder dazu bewegen würde: ein neuer Roman von Natasha Korsakova. Die Autorin hat mich mit ihren ersten beiden Büchern über den Detektiv Dionisio Di Bernardo, der in Rom ermittelt, absolut überzeugt. Das Besondere an ihnen ist der Musikcharakter. Denn was man wissen muss, Korsakova ist eigentlich professionelle Violinistin. Kein Wunder also, dass di Bernardo immer mal wieder in der Musikwelt ermitteln muss. So auch diesmal in Korsakovas neustem Buch, das genauso heißt, wie seine Hauptfigur. Und obwohl ich an "Di Bernardo" durchaus kleine Kritikpunkte habe, muss ich sagen, dass mich das Buch trotzdem absolut in seinen Bann gezogen hat!
Rom. Ein grausamer Doppelmord hat sich neben der Basilica di
San Giovanni in Laterano ereignet. Alessandro Ferro, ein bekannter römischer
Komponist, liegt tot in einer riesigen Blutlache, eine Pistole in der Hand.
Dagegen scheint niemand die junge Frau zu kennen, die nur wenige
Meter entfernt von ihm erschossen wurde – mutmaßlich von Alessandro selbst.
Commissario Di Bernardo, der zusammen mit seinem Inspettore Roberto Del Pino
schon Jahre zuvor in der illustren Musikwelt ermittelt hat, wird mit dem Fall
beauftragt. Schon bald gibt es eine Handvoll Verdächtige. Eine von ihnen ist
Alessandros Ex-Freundin Elisa – eine Geigerin, die mit Umweltaktivisten
sympathisiert, die sich gegen den illegalen Holzhandel starkmachen. Eine andere
Spur führt Di Bernardo zu einem römischen Bogenbauer, der die gefährdeten
Tropenhölzer quasi mit Gold aufwiegt.
Ohne es zu ahnen, betritt Di Bernardo eine Welt, die von Habgier,
Existenzängsten und Konkurrenzdruck gleichermaßen regiert wird.
Doch wie weit kann man für die eigenen Ziele gehen? Eine Frage, die auch der
Commissario sich stellen muss, als die dritte Leiche gefunden wird und alle
seine bisherigen Hypothesen zunichte gemacht werden …
Commissario Di Bernardo war für mich wahrlich kein
Unbekannter. Schon Korsakovas Debüt „Tödliche Sonate“ ließ mich zu einer
Anhängerin des Kommissars werden. Ich war also sehr gespannt, wie sich die
Figur entwickelt hat und was sein neuster Fall bringen würde. Tatsächlich finde
ich, dass Di Bernardo selbst und seine Entwicklung in diesem Buch mehr im Fokus
stehen, als in den beiden Vorgängern. Daher ist wahrscheinlich auch sein Name
als Titel gewählt worden. Wenn ich gerade an diesem Punkt bin, muss ich hier
aber leider auch meine Kritik äußern. So sehr ich den Mitfünfziger mag und
seine Denkweise schätze, seinen eher leisen Humor liebe und wirklich gern lese,
wie er sich um sein Team kümmert, so muss ich doch festhalten, dass der Titel
„Di Bernardo“ der Geschichte einfach nicht gerecht wird. Meiner Meinung nach
hätte man hier wirklich etwas Aufmerksamkeitserregenderes wählen sollen. Denn,
ja! Natürlich ist Di Bernardo die Figur, die die Handlung trägt. Aber
nichtsdestotrotz gibt es noch so viele tolle Nebenfiguren und eben auch die
Morde haben titeltechnisch wirklich viel mehr Potenzial.
Aber gut. Daran will ich mich nicht aufhalten. Der Titel stört mich eben auch
nur deswegen, weil ich ihn für ein mögliches Publikum so wenig aussagekräftig
finde. Und das ist schade. Denn die Geschichte hatte mich sofort in ihren Bann
gezogen!
Der Leser findet sich als erstes in einem Prolog wieder, deren Charaktere
gänzlich unbekannt sind. Wir sind in Rumänien und werden Zeuge eines
Beseitigungsmordes. Schon hier kochten meine Emotionen hoch, denn die Autorin
versteht es wirklich gut, auch die Abgründe des Menschen darzustellen und
nichts schönzureden. Die Welt ist in vielen Teilen unfair und das wird hier
sehr deutlich. Zu keinem Zeitpunkt versucht das Buch irgendwelche Kompromisse
zu machen oder unlogische Handlungsstränge aufzubauen, nur damit es
möglicherweise ein Happy End gibt. Und genau das führt dazu, dass man mit den
Figuren mitfühlt. Ich konnte Di Bernardos Verzweiflung an vielen Stellen so
nachfühlen, wenn er in den Ermittlungen auf der Stelle trat. Gerade der Mord an
der jungen Livia ist bewegend und wirft Rätsel auf. Wie der Klappentext schon vermuten
lässt, ist die Handlung und die darin enthaltene Ermittlung vielschichtig. Es
gibt mehrere Spuren und alle scheinen ins Leere zu führen. Lange sind Di
Bernardo, Del Pinio und das restliche Team ratlos. Das sorgt aber keinesfalls
für Langeweile beim Leser. Im Gegenteil. Leerstellen werden mit privaten
Angelegenheiten gefüllt, sodass die Figuren sehr menschlich werden und das
Szenario unglaublich realistisch wird. Auch Korsakovas Beschreibungen von Orten
oder Straßen sorgen dafür, dass ich immer wieder dachte, ich sei wirklich in
Rom. Ihre Sprachvielfalt ist gewaltig. Und gleichzeitig ist der Schreibstil
sehr flüssig und immer gut lesbar. Meines Erachtens schreibt sie auf eine
gewisse Weise intelligent und spricht damit genau ihre Zielgruppe an.
Über Di Bernardo selbst habe ich glaube ich genug gesagt. Die Nebenfiguren der
Geschichte sind ebenfalls sehr sympathisch. Roberto Del Pino ist eigentlich
schon keine Nebenfigur mehr und der jüngere Ermittler übernimmt auch in diesem
Fall eine sehr große Rolle. Er zweifelt erstmals deutlich an sich und man bemerkt seine Verletzbarkeit. Doch auch die Gerichtsmedizinerin Isabella oder
Personen wie Andrea, Anna oder Frederica sind authentisch gestaltet und nehmen
ihre Position in der Handlung gut ein. Das gesamte Figurenkonstrukt ist
gelungen. Und dann wären da noch die Verdächtigen. An diesen mangelt es anfangs
definitiv. Doch auch die finale Auflösung hat mir sehr gut gefallen. All die
falschen Fährten führten zwar nicht unbedingt zur Lösung, doch sie hinterlassen
beim Leser oft Denkimpulse. Hier meine ich vor allem den Umweltschutz. Denn
wem, der kein professioneller Musiker ist, ist schon klar, dass die Geige
durchaus umweltschädlich ist? Ich fand diesen Kontext sehr spannend, obwohl er
manchmal auch verwirrend für den Leser sein kann. Als „verwirrend“ empfinde ich
auch noch immer ein paar kurze Kapitel im Buch. Eine Handvoll sind aus einer
recht unklaren Perspektive in kursiven Lettern geschrieben. Ehrlich gesagt bin
ich mir immer noch nicht sicher, was mir diese kurzen Absätze sagen sollen,
weshalb ich sie für die Handlung als nicht wirklich notwendig empfinde. Aber
wahrscheinlich hat sich mir der höhere Sinn einfach nicht erschlossen.
Neben meinen kleinen Kritikpunkten muss ich aber auch eine Sache noch
hervorheben. Im Buch sind insgesamt fünf QR-Codes abgedruckt, zumeist zu
Kapitelbeginn. Diese führen zu Youtube-Aufnahmen der Autorin. Hier kann sich
dann tatsächlich jeder überzeugen, dass Korsakova nicht nur eine unglaublich
tolle Autorin, sondern auch eine atemberaubende Musikerin ist. Es macht schon
Sinn, die Codes zu scannen, während man liest und entweder mit der Musik im
Hintergrund weiterzulesen oder sich ihr ganz allein hinzugeben. Es macht doch
etwas mit einem als Leser, wenn man dies tut. Und so schwer ist es in unserer
digitalen Welt ja nun einmal nicht. Toll an den Stücken ist auch, dass so noch einmal viel deutlicher wird, dass die Musik die ganze Zeit Teil der Ermittlung und auch ein alter Bekannter ist.
Meine Kritik an „Di Bernardo“ lässt sich schnell zusammenfassen:
Der Titel (und übrigens auch das Cover) ist mir zu wenig aussagekräftig und der
Geschichte unwürdig. Kurze Abschnitte im Buch haben sich mir nicht erschlossen.
Und das war’s. Punkt.
Der Rest wird zu einer Lobeshymne. Mich hat dieser Kriminalfall sehr gut
unterhalten. Ich habe immer gern weitergelesen und bekam auch von der
Entwicklung der Figuren nicht genug. Di Bernardo und Del Pinio sind ein tolles
Team, das sehr realistisch in einem authentischen Rom ermittelt. Hier bleiben
keine Emotionen auf der Strecke, im Gegenteil: Als Leser muss man sich einigen
menschlichen Abgründen stellen und auch ein bisschen weiterdenken. Die Themen,
die eher nebensächlich angesprochen werden, sind gesellschaftlich relevant und
tagesaktuell. Alles in allem: ein großartige Lektüre, die ich (trotz Kritik) mit
fünf Sternen bewerte.
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