12. Februar 2017

Rezension: "Eleanor" von Jason Gurley


Titel: Eleanor
Autor: Jason Gurley
Verlag: Heyne
Preis: 14,99€
Seiten: 416

Ich bin auf das Buch „Eleanor“ aufmerksam geworden, als ich einen Blick in den Klappentext warf. Eine Mischung aus Fantasy und Realität erwartet den Leser. Dazu kommt ein ominöses Geheimnis, das mich sehr neugierig machte. Ein völlig subjektiver Grund, warum ich zu diesem Buch griff, ist der Titel. Ich liebe den Namen „Eléna“ und „Eleanor“ ist im Englischen nicht so weit weg davon…also: Lesen. Anfangs musste ich sehr mit der brutalen Geschichte kämpfen. Dann nimmt das Buch an Fahrt auf und wird spannender. Man taucht tiefer in Jason Gurleys erschaffene Welt ein und findet langsam die Logik. Nichtsdestotrotz ist diese nicht immer leicht zu finden. Der Leser ist schnell verwirrt, denn im Buch herrscht das reinste Chaos. Erst nach gut 300 Seiten gewinnt man an Durchblick und das ist wirklich anstrengend. „Eleanor“ ist wirklich auf eine gewisse Weise ein besonderes Buch. Man kann schnell erfassen, dass Gurley fast 15 Jahre an dieser Geschichte geschrieben hat. Denn sie ist komplex, kompliziert, nicht wirklich greifbar und hat dennoch ihre ganz eigene Logik. Ich finde das Buch faszinierend, aber man muss es mit sehr viel Aufmerksamkeit und Zeit lesen, damit man den Zauber dahinter verstehen kann – und das zu schaffen ist ein Kunststück für sich.

Klappentext


Das Leben der jungen Eleanor gerät völlig aus den Fugen, als ihre Zwillingsschwester Esme bei einem Autounfall stirbt: Der Vater verlässt die Familie, die Mutter ergibt sich dem Alkohol. Eines Tages tritt Eleanor in der Schule durch die Tür der Cafeteria und befindet sich plötzlich zu einer völlig anderen Zeit an einem völlig anderen Ort. Im Laufe der Jahre fällt Eleanor immer öfter aus der Zeit und kommt schließlich einem magischen Geheimnis auf die Spur – einem Geheimnis, das mit dem Tod ihrer Schwester zu tun hat …

Meinung


„Eleanor“ ist ein tragisches Buch. Dieser Punkt muss gleich zu Beginn klargestellt werden. Ich zum Beispiel hatte das nicht so heftig erwartet und war daher von den Geschehnissen erschlagen. Hinzu kommt der komplizierte Aufbau des Buches. Als wenn diese traurige und brutale Tragödie nicht genug ist, muss der Leser erst einmal vieles begreifen, um sich zurecht zu finden. 
Im Grunde ist das Buch in einen Prolog, vier verschiedene Teile und einen abschließenden Epilog geteilt. Der Pro- wie auch Epilog befassen sich ebenfalls mit einer Eleanor, allerdings nicht der Protagonistin. Hier begegnet dem Leser die Großmutter der späteren Eleanor, die spurlos verschwindet. Dass sie eine zentrale Bedeutung für die Geschichte hat, ist schnell klar. Genauso tragisch, wie die Geschichte beginnt, geht sie weiter. Dem Leser wird die Familie um die Zwillinge herum vorgestellt, der schreckliche Autounfall wird beschrieben und spätestens hier hat sich das Gesicht jedes Lesers zu einer traurigen Grimasse verzogen. Die Themen in diesem Buch haben mich auf den ersten 100 Seiten beinahe erschlagen. Jason Gurley konfrontiert den Leser mit Themen, die er im Alltag normalerweise meiden würde. Für mich persönlich war die Alkoholsucht von Eleanors Mutter der schlimmste Punkt. Durch diese geballte Themenwahl fühlte ich mich mit dem Buch unwohl. Ich war konfrontiert mit zu viel brutaler Realität, der ich doch eigentlich durch das Lesen entrinnen will. Aber gut, man muss sich auf das Buch einlassen. Und das ist gar nicht so einfach.
Denn es ist nicht so, als wenn die junge Eleanor, die wir nach dem Unfall, bei dem sie sechs ist, mit 14 Jahren kennenlernen, die einzige Erzählerin wäre. Sie nimmt den größten Teil ein. Aber dann wäre das noch die mysteriöse Mea, die körperlos im Nichts schwebt. Als wäre das nicht verwirrend genug, kommt noch „Die Hüterin“ hinzu – und die ist so richtig merkwürdig. Ich wusste lange Zeit nicht, was ich mit ihr, ihrem Schatten und der komischen Welt, in der sie lebt, anfangen soll. Denn die Hüterin hat nicht viel Reales an sich und dennoch werden ihre Passagen immer wichtiger und größer. Für mich war sie lange Zeit ein wahres Rätsel und ich habe ihre Passagen auch wirklich nicht gern gelesen. Am Ende komme noch Paul, Agnes, Geraldine und Jack als Erzähler hinzu.
Vielleicht kennt ihr das: Man braucht einige Tage und schafft nur wenig in einem Buch. Dann kommt ein Tag, an dem man viel, viel Zeit hat und an dem man den größten Teil des gesamten Buches liest. So war es bei mir. Lange turnte ich bei den ersten 150 Seiten herum. Die folgenden 200 las ich dann an einem Abend. Vielleicht liegt es daran, dass ich finde, dass die Geschichte an Fahrt aufnimmt und spannender wird. Man wird ziemlich viel allein gelassen, aber dadurch ist der Aha-Effekt am Ende auch sehr groß. Eigentlich hat Jason Gurley das Buch sehr schlau geschrieben, aber man braucht so viel Durchhaltevermögen, um ihm das auch anzuerkennen. Sein Stil ist zum Teil sehr kompliziert, was aber an der dazugehörigen Perspektive liegt. Manchmal kommen auch sehr schöne Sätze zum Vorschein. Eleanor konnte man immer gut folgen und das Buch ist gut geschrieben. Auch ist Eleanor ein sympathischer Charakter. Sie tut dem Leser natürlich unglaublich leid – wie könnte es auch anders sein. Ihr Leben ist nichts, das man anstrebt. Für mich war in diesem Zusammenhang Jack eine sehr wichtige Figur. Seine Liebe zu Eleanor wird besonders am Ende so deutlich sichtbar, dass man den beiden die Daumen drückt. Eleanors Vater Paul ist interessanter und sehr realistischer Charakter. Agnes, ihre Mutter, ist wohl ein Damoklesschwert. Sie ist der Bösewicht des Buches und dennoch kann man sie nur in Teilen hassen. Die Situation, die Gurley zeichnet, ist einfach nur brutal und nicht leicht zu verarbeiten. Die Fantasygeschichte, die er aufmacht ist interessant und innovativ umgesetzt. Es erscheint einem nicht wirklich unlogisch und zusätzlich lässt sich so wenig von gängiger Fantasy entdecken. Man hat das Gefühl, als wenn das Genre Fantasy kaum vorhanden wäre und dennoch wäre das Buch ohne den Fantasyaspekt gar nicht existent. Das Thema Zeit ist allgegenwärtig und gut eingefangen - das hat mir sehr gut gefallen. Insgesamt gibt es viele Aspekte, die ich in meiner Rezension nicht benennen kann, die aber gelungen sind.

Fazit




Ich bin sehr zwiegespalten, was das Buch betrifft, denn am Ende gefiel es mir ganz gut! Eleanor ist eine gute und starke Protagonistin und sie macht den Leser neugierig. Die Geschichte ist interessant. Aber gleichzeitig baut der Autor so viele tragische Themen ein, dass einem die Freude am Lesen genommen wird. Die interessante Geschichte wird wirr und man kann ihr nur schwer folgen. Ich finde, dass Gurley einen sehr authentischen Kreis und eine ebenso realistische Geschichte geschrieben hat und dennoch musste ich so sehr mit ihr kämpfen. Man kann „Eleanor“ als ein tolles Buch bezeichnen, in das man aber etwas investieren muss, damit es dazu wird. Will man sich einfach nur berieseln lassen, ist man hier absolut falsch. Und man darf nicht zimperlich sein, was die Themen betrifft. Leider treffen nicht alle diese Punkte auf mich zu, weshalb ich bei 3,5 Spitzenschuhen bin. Es gibt tolle Passagen und das Buch ist unglaublich durchdacht, aber es ist auch einfach ein bisschen zu kompliziert.





Vielen Dank an den Heyne-Verlag für das schöne Rezensionsexemplar!


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