Titel: Der Tod wartet
Autor: Agatha Christie
Sprecher: Martin Maria Schwarz
Verlag: Der Hörverlag
Seiten: 240
Dauer: 7h
Mit niemandem ermittle ich so gern zusammen, wie mit Hercule
Poirot. Allzugern folge ich dem drolligen belgischen Detektiv, wenn er wieder
einmal seine kleinen grauen Zellen bemüht, um Diebe, Betrüger oder Mörder zu
finden. Und am allerliebsten ermittle ich mit ihm gemeinsam, indem ich zu einem
Agatha-Christie-Hörbuch greife. „Der Hörverlag“ hat inzwischen eine ganze Reihe
der Poirot-Krimis als Hörbuch produziert und so auch den 23. Kriminalfall über
Poirot, den Agatha Christie schrieb, mit dem Namen „Der Tod wartet“. Ein
einleuchtender Titel, denn wer kann dem Tod schon entrinnen? Wartet er nicht
auf uns alle? Sehr viel mehr als den Titel brauchte ich nicht, um zu
entscheiden, dass dieser „mein“ nächster Poirot-Fall sein sollte. Doch auch der
Klappentext überzeugte. Nach dem Hören muss ich allerdings zugeben: der Fall
selbst eher nicht.
Hercule Poirot macht Ferien und ausgerechnet am Toten Meer.
Da macht er die Bekanntschaft der Familie Boyton. Das Familienoberhaupt, die
alte Mrs. Boyton, tyrannisiert ihre Tochter und ihre Stiefkinder. Da wird sie
tot aufgefunden und Hercule Poirot weiß sofort, dass es Mord ist. Als er die
Vergangenheit der Boytons untersucht, wird der Fall immer düsterer. Doch Poirot
kann mit seinen kleinen grauen Zellen auch diesen Fall lösen!
Das Hörbuch ist recht ungewöhnlich aufgebaut. Normalerweise
beginnt ein Poirot-Fall in Hercule Poirots Büro, vielleicht ist zudem sein
Freund Captain Hastings anwesend und die beiden unterhalten sich über
belanglose Dinge. In den extravaganteren Fällen trifft man Poirot auch mal
außerhalb Londons an, beispielsweise in einem Zug, einem Flugzeug oder auf
einem Schiff auf dem Nil. Auch „Der Tod wartet“ spielt an solch einem
extravaganten Ort: am Schwarzen Meer. Ein Großteil der Geschichte spielt in
Jerusalem, der andere in der Felsenstadt Petra. Die Schauplätze dieses Falles
sind absolut außergewöhnlich und malerisch. Gleichzeitig fungieren sie
natürlich als faszinierende Stätte für einen hinterhältigen Mord. Doch, anstatt
dass der Hörer direkt mit Poirot in Berührung kommt, wählte die Autorin in
diesem Buch einen anderen Weg. Sie teilte die Geschichte in ein „Davor“ und ein
„Danach“ ein.
Zwischen beiden Strängen steht natürlich der besagte Mord an Mrs. Boyton, den
der Klappentext bereits ankündigt. Doch ungefähr ein Drittel des Hörbuches ist
die besagte Dame noch quicklebendig. Der Hörer begleitet nämlich nicht etwa Poirot,
sondern die Familie Boyton. Und Poirot spielt überhaupt nicht mit. Wobei – das stimmt
nicht ganz. In einer Szene wird er kurz erwähnt, doch obwohl diese Szene
natürlich entscheidend ist, spielt Hercule Poirot lediglich eine Nebenrolle.
(Das sollte ihm keinesfalls jemand sagen, ansonsten wird der arrogante Detektiv
sicher nicht erfreut sein.) Und das war für mich sehr komisch. Denn man
begleitet eine sehr lange Zeit eine „fremde“ Familie und eine weitere Protagonistin
(Sarah King). Und das, ohne dass man weiß, warum. Ich muss zugeben, dass diesem
Abschnitt dennoch eine gewisse Spannung innewohnt, da die Familie äußerst
ungewöhnlich ist und obwohl scheinbar überhaupt nichts passiert, fühlt man sich
gut unterhalten. Nichtsdestotrotz war mir dieser Abschnitt zu lang. Bis der
Mord tatsächlich geschieht, hat man schon eine ganze Weile gehört. Und bis
Poirot dann auftaucht, muss man sich erneut gedulden.
Auch in dem nun folgenden Aufklärungsprozess gibt es leider einige Längen.
Eigentlich befindet Poirot sich in seinem privaten Urlaub, doch ein Bekannter
bittet ihn, sich den Fall der Familie Boyton einmal anzusehen. Denn eines ist
recht schnell klar: Jedes Familienmitglied hatte ein Interesse am Tode der
alten Dame. Und da es an anderen Verdächtigen mangelt, muss doch jemand von
ihnen etwas mit dem Mord zu tun haben. Oder?
Diese Frage stellt sich Hercule Poirot. Und um sich des Rätsels Lösung
anzunähern, verhört er alle Figuren. Und diese Verhöre dauern an. Noch länger
allerdings dauert die tatsächliche berühmte Aufklärung am Ende der Geschichte.
Also die berühmte Szene, in der alle Beteiligten des Falles im gleichen Raum
sitzen und Poirot darüber sinniert, wer denn nun der Mörder ist. Diese Szenen
sind mir wirklich die liebsten! Doch diese dauerte ewig.
Mein zentraler Kritikpunkt sind also die Längen des Hörbuchs und auch die lange
Abwesenheit des eigentlichen Ermittlers. Mit zweiterem kann ich allerdings
leben, da es dem ersten Teil, wie bereits erwähnt, an keiner Spannung fehlt. Es
gibt aber natürlich auch positive Dinge, die dieses Hörbuch auszeichnet.
Der ungewöhnliche Erzählweg, den Agatha Christie hier gewählt hat, ist durchaus
abwechslungsreich. So lernt man die junge Ärztin Sarah King sehr gut kennen und
sie ist in jedem Fall eine Betrachtung wert. Außerdem gibt es viele kleine
Zwischenhandlungen, da die Familie Boyton aus einer ganzen Menge Personen
besteht. Jede einzelne Figur hat seine Geschichte und seine Träume und einige
von ihnen sind durchaus interessant. Des Weiteren ist es dem Hörer wirklich
unmöglich, den Täter zu ermitteln. Ich hatte während des Hörens so viele
Theorien, die ich letztendlich alle verwerfen musste. Denn auf die richtige bin
ich ja doch nicht gekommen. Mich hat die Wendung überrascht, doch auch
gefallen. Ebenso gefallen hat mir der kurze Epilog, der einen Einblick in das
Leben der Boytons fünf Jahre nach dem Mord gibt. Ich hatte das Gefühl, dass Christie
in diesem Fall etwas mehr an den Gefühlen der anderen Figuren der Handlung
gelegen war. Sie legt viel Wert auf die Entwicklung der Charaktere und nimmt
sich viel Zeit, um ihre Geschichten festzuhalten. Dieser etwas andere Weg hat
mir durchaus gefallen.
Ebenfalls loben muss ich den Schreibstil und die Art von Martin Maria Schwarz,
das Hörbuch zu lesen. Ich finde seine Stimme sehr angenehm und unterhaltsam.
Auch mag ich seine Interpretation von Hercule Poirots Akzent, weshalb ich
verstehen kann, dass er so viele Poirot-Hörbücher vertont hat. In diesem Hörbuch ist außerdem seine Interpretation von Mrs. Boyton absolut phänomenal. Man kann diese Frau einfach gar nicht mögen.
Insgesamt ist „Der Tod wartet“ eine interessante Geschichte,
die wirklich gut durchdacht ist. Die Aufklärung des Falles gelingt sehr gut,
weshalb man von einem hohen Spannungsfaktor sprechen muss. Dieser allerdings
wird immer wieder von eingebauten Handlungslängen gestört, sodass das Hörbuch
an sich ganz schön gezogen wird. Die Figuren sind interessant, Poirot so
charmant und arrogant wie eh und je und der Schreib- und Vorlesestil sind
ebenfalls gelungen. Trotzdem muss ich aufgrund meiner anfangs aufgeführten
Kritik Punkte abziehen, sodass ich „Der Tod wartet“ mit 3 von 5 Sternen bewerte. Doch versteht mich
nicht falsch. Mrs. Boytons Fall ist durchaus empfehlenswert. Und eine kleine
Schlussbemerkung: Selten hatte jemand es so sehr verdient, zu sterben, wie sie.
Wenn ihr wissen wollt, wieso: Dann greift zum Hörbuch.
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