Titel: Agnes Grey
Autor: Anne Bronte
Verlag: dtv
Preis: 9,90€
Seiten: 320
Ich lese gern aus verschiedenen Genres. Und so kommt es auch vor, dass mir ein Klassiker in die Hände fällt. Durch Klassiker findet man sich in einem anderen Zeitalter, in einer anderen Weltansicht wieder. Man erlebt die Geschichten von Menschen, die mit anderen Problemen zu kämpfen hatten, als es heute der Fall ist. In ein solches Zeitalter wurde ich durch den Roman der wohl unbekanntesten Bronte-Schwester, Anne Bronte, entführt. „Agnes Grey“ ist ihr erster veröffentlichter Roman aus dem Jahr 1847 und erzählt die Geschichte der jungen Gouvernante Agnes. Ein schön geschilderter Roman mit lehrreichen Zwischenstellen, jedoch auch einigen langatmigen Passagen, die heute weniger hilfreich sind.
Inhalt
Agnes Grey ist als Pfarrerstochter in bescheidenen, aber
glücklichen Verhältnissen aufgewachsen. Ihrer Schwester Mary und ihr hat es nie
an etwas gefehlt, obwohl ihr Vater sich ständig um das Geld sorgte. Agnes ist
in gewisser Weise verwöhnt und möchte dennoch ihren Teil beitragen. So
entschließt sie, sich als Gouvernante zu beweisen. Doch ihre Vorstellungen, auf
liebe und brave Kinder aufzupassen und deren Vertraute zu sein, werden bitter
enttäuscht. Bald schon stellt Agnes fest, dass sie neben der Entbehrung ihre
Familie zu verlassen, noch ganz andere Hürden im Leben meistern muss. Verzogene
Schützlinge, arrogante Familien und Spott anderer Angestellter lassen die
schüchterne Agnes zurückschrecken. Wird sie ihr Glück im Leben dennoch finden?
Meinung
„Agnes Grey“ ist ein schöner Klassiker. Das möchte ich
gleich zu Beginn betonen. Allerdings kommt er an die Berühmtheiten aus dem 19.
Jahrhundert, in dem sich Namen wie Jane Austen oder die ihrer Schwestern Emily
und Charlotte Bronte tummeln, nicht heran. Anne Bronte hat einen schönen Stil
zu erzählen. Er ist sehr klassisch und lehrreich und damit der Zeit völlig
angemessen. Dennoch ist er nicht schwer zu lesen, wenn man sich den
geschilderten Themen anpasst. Im Grunde erzählt der Roman die Geschichte der
Gouvernante Agnes, die auf eigenen Beinen stehen möchte, das jedoch auch nur um
ihre Familie zu unterstützen. Wir haben es hier keinesfalls mit einer
emanzipatorischen Geschichte zu tun. Heute wird vermutet, dass Anne selbst die
Vorlage dieses Romans war und zum Teil ihre eigenen Erlebnisse schildert. Neben
zahlreichen biographischen Parallelen passt dies auch zur Art des Erzählens, da
die Autorin und ihre Protagonistin den Leser immer wieder darauf aufmerksam machen,
dass dieses Buch dem Leser helfen soll mit ähnlichen Erfahrungen zurecht zu
kommen. Der Roman liest sich trotz manchmal mangelnder Handlung sehr gut. Einen
großen Teil nimmt das christliche Weltbild von Agnes ein. Mir gefiel das
allerdings sehr gut, weil es einem doch sehr deutlich vor Augen hält, wie sehr
sich unsere Welt verändert hat. Die Vorstellung an einem recht einsamen Ort in
der Natur zu leben und seinen Lebtag mit Lesen oder Spazierengehen zu
verbringen, finde ich sehr faszinierend. Und diese Faszination springt aus den
Seiten auf den Leser über.
Agnes berichtet über ihre Stellung als Gouvernante, die alles andere als gut
ist. Sie dient im Buch zwei Familien, von denen eine schlimmer ist als die
andere. Zum Teil ist der Leser selbst unglaublich verärgert über die
Dreistigkeit der Kinder, andererseits stelle ich mir das sehr authentisch vor. Schrecklich
fand ich die geschilderten Grausamkeiten mancher Kinder, die Spaß daran haben
unschuldige Tiere zu quälen und sich so den Tag zu vertreiben.
Agnes ist eine sehr ruhige und rechtschaffende Person. Ich
empfand sie als schüchtern und nah am Wasser gebaut. Allerdings ist sie sehr
pflichtbewusst und dadurch auch wieder liebeswert. Sie lernt sich
zurückzuhalten, was ihrer Stellung als Gouvernante nur förderlich ist. Im
Allgemeinen macht sie einen Wandel durch. Richtig sympathisch war sie mir
dennoch nicht. Beinahe täglich bricht die arme Agnes in Tränen aus, da ihr
Leben wenig Glück bereithält. Erst zum Ende hin erfährt sie ein wenig Hoffnung,
indem sie sich in den Hilfspfarrer Mr. Weston verliebt. Dieser wiederum ist ein
so nüchterner Charakter, dass es schwer ist zu erkennen, ob ein Happy End in
Sicht ist.
Die anderen Figuren sind nicht besonders tiefgreifend, aber gut beschrieben. Am
interessantesten ist wohl noch die junge Miss Murray, dessen Sinn im Leben eher
fraglich ist.
Die Kapitel sind eher lang als kurz und haben unglaublich nichtssagende
Überschriften, was jedoch typisch für die Zeit ist. Die Ausgabe aus dem
dtv-Verlag ist wunderschön und man fühlt sich Agnes gleich ein wenig näher,
indem man sich vorstellt, mit diesem Büchlein in der Hand über die Felder von
Horton Lodge zu wandern. Insgesamt muss ich sagen, dass das Buch wohl absolut
dem Zeitgeist des 19. Jahrhunderts entspricht und ich mich gern in dieses
entführen ließ. Die Handlung hat keine besondere Spannung zu bieten, wie etwa
die Geschichte von „Jane Eyre“, aber sie fließt wie ein stetiger Fluss nett
anzusehen dahin und kommt letztendlich
doch ans Ziel.
Fazit
„Agnes Grey“ ist eine schöne Geschichte, in der es vor allem
um eine persönliche Geschichte aus einem bestimmten Berufsstand geht. Agnes hat
mit kleinen Intrigen und verzogenen Mädchen zu kämpfen, mit Ungerechtigkeiten
und der dreisten Gesellschaft. Dennoch lernt sie sich zu behaupten und kann auf
eine harmonische Liebe hoffen. Ich vergebe 3,5 Sterne für einen süßen Klassiker
in einer bezaubernden Ausgabe.
PS: Leider habe ich mit den zwei Punkten über dem e beim Namen der Autorin einige Probleme gehabt und konnte sie nicht einfügen. Das tut mir sehr leid!
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