14. Oktober 2023

Rezension [Hörbuch]: "Oracle" von Ursula Poznanski


Titel: Oracle
Autorin: Ursula Poznanski
Sprecher: Jens Wawrczeck
Verlag: der Hörverlag
Preis: 21,95€
Dauer: 11h 20m


Ursula Poznanski ist eine unglaublich gute Autorin. Ich liebe ihre Bücher. Dabei ist es ganz egal, welchem Genre sie sich gerade zuwendet. Von Thriller bis Jugendbuch hat mir bisher jedes gefallen. Und da ich auch alte Geschichte wirklich mag, fand ich den Klappentext von „Oracle“ sofort interessant, der ja schon ein wenig mit antiker Mystik spielt. Dass das Hörbuch von Jens Wawrczeck gesprochen wird, ist selbstverständlich auch ein Bonus. Doch obwohl „Oracle“ viele spannende und sympathische Aspekte hat, bin ich alles in allem schon etwas enttäuscht von der Geschichte.

Als Kind hat Julian manchmal Visionen. Da tragen manche seiner Klassenkameraden merkwürdige Marker im Gesicht oder am Körper, die nur er sehen kann und die ihm allesamt Angst einjagen. Die rote Wolke zum Beispiel, die immer Verenas Beine verdeckt. Oder die fahlgrauen Nebel, die aus Lars' Augen fließen. Aber seit Julian die richtigen Medikamente nimmt, ist das Problem verschwunden. Das waren nur Fehlschaltungen im Hirn, sagt seine Therapeutin. Bedeutungslose Trugbilder.
Bei einem Klassentreffen Jahre später trifft Julian Verena wieder. Ein Schock: Das früher so sportliche Mädchen sitzt im Rollstuhl. Als er nachforscht, stellt er fest, dass auch anderen »markierten« Personen Schlimmes zugestoßen ist. Zufall? Waren seine Trugbilder tatsächlich so bedeutungslos? Oder war er imstande, Schatten zu sehen, die die Zukunft vorauswirft?



Die Figuren des Buches sind sehr tiefgehend gestaltet und waren mir sympathisch. Allen voran natürlich der Protagonist Julian. Als Hörer nimmt man die Welt so wahr, wie Julian sie sieht. Seine Trugbilder sind real und auch der Hörer bekommt Panik, wenn er wieder einen „Marker“ an einer Person entdeckt. Denn dass diese nichts Gutes bedeuten, ist schnell klar. Auch die anderen Figuren, sind wirklich toll. Allen voran Julians neue Freunde Robin und Pia. Beide sind etwas skurril, was aber für eine schöne Diversität der Charaktere sorgt. Und mein Liebling ist natürlich der Hund Kinski. Es gibt auch Personen, die man nicht leiden kann – und natürlich ist das so gewollt. Das gesamte Figurenkonzept geht auf jeden Fall auf und unterhält den Hörer. Viele Teile der Handlung drehen sich um die Beziehungsentwicklung, denn natürlich war Julian schon immer ein verschlossener Typ. Als er nun zu studieren beginnt, ist das auch ein Neuanfang in Bezug auf Freundschaften. Julian hier zu begleiten, ist eine schöne Sache. Doch allein aus interessanten Charakteren lässt sich eben noch keine gute Geschichte machen.
Und mein großes Problem war die Handlung selbst. Gut, Julian sieht die Trugbilder. Irgendwann wird im klar, dass er gewissermaßen die Zukunft sehen kann oder besser gesagt: Unglück, das passieren wird. Es dauert eine Weile, bis er sich traut, auszuprobieren, ob sich dieses Unglück auch verhindern ließe. Tut es. Und natürlich bringt das eine ganz andere Dynamik in die Geschichte. Denn Julian spielt fortan eine Art Schutzengel und versucht natürlich vor allem die Leute, die ihm am Herzen liegen, zu beschützen. Dass man ihn dann erst recht für verrückt halten wird, wenn er von "Zeichen" spricht, ist ja klar.
Aber meine große Frage blieb immer: Was ist das Ziel der Geschichte? Wo will die Autorin mit uns hin? Denn so, wie die Handlung gestaltet ist, arbeitet sie auf nichts Genaues hin. Sie begleitet Julian mit seinen Trugbildern einfach. Sie betrachtet seine Entwicklung. Und ja, natürlich gibt es eine Zuspitzung der Handlung, aber so eine richtige Steigerung ist es dann auch nicht. Auch wenn man durchaus von einem Finale sprechen kann, bei dem auch viele Fäden zusammenlaufen, fehlte mir hier ein klarer roter Faden. So plätscherte die Geschichte einfach vor sich hin. Und leider hatte ich auch deswegen oft nicht das Bedürfnis, weiter zu hören. Denn ich musste nicht unbedingt wissen, wie es weitergeht. Die Geschichte lässt sich zwar super hören und sowohl der Stil der Autorin als auch die Interpretation des Sprechers sind super, aber mir fehlte in der Handlung selbst einfach etwas. Ich fand es insgesamt zu langatmig, zu weit ausgeholt und eben nicht zielführend - und das über elf Stunden lang.
Wie ich aber grade schon erwähnte, macht Jens Wawrczeck seine Sache sehr gut. Er spricht Poznanskis Hörbücher des Öfteren und passt auch hier wirklich toll in die Geschichte. Ich habe ihm Julians Gefühlswelt zu 100% abgenommen. Er kann die Spannung gut steigern und bringt wunderbare Emotionen in die verschiedenen Figuren. Auch zum Schreibstil kann ich nichts Schlechtes sagen. Er ist flüssig und unterstützt den Hörer bei seiner Vorstellungskraft für die Geschichte.


Vielleicht liegt es daran, dass ich an die Bücher von Poznanski schon recht hohe Erwartungen habe, aber „Oracle“ konnte sie leider nicht erfüllen. Obwohl der Stil, der Sprecher und die Figuren der Geschichte toll sind, fehlte mir ein klares Ziel der Geschichte. Natürlich ist sie trotzdem bis zu einem gewissen Grad spannend und unterhält den Leser auch. Insgesamt ist die Handlung aber zu langatmig und eben nur „ganz gut“. Deswegen vergebe ich drei von fünf Sternen.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (Link einfügen) und in der Datenschutzerklärung von Google.