Titel: Odyssee
Autor: Homer
Übersetzer: Kurt Steinmann
Verlag: Penguin
Preis: 12,00€
Seiten: 448
Studiert man Geschichte, muss man in jedem Grundstudium auch
„Alte Geschichte“ belegen. Und hat man dies getan, ist man erstaunt über die
Quellenlage. Ich meine nicht etwas den logischen Punkt, dass sie schlecht ist
(-denn natürlich gibt es umso weniger Fundstücke, desto länger das Ereignis
zurückliegt). Ich meine den Punkt, dass man sich historisch tatsächlich auf die
Epen Homers bezieht. Die „Ilias“ und die „Odyssee“ gelten als historische
Quellen für den Trojanischen Krieg, die Zeit drum herum und natürlich danach. Geht
das? Ein primär literarisches Werk als historische Quelle? Es muss sogar! Denn
beide Werke sind sehr viel mehr als reine Geschichten. Wie viel Wahrheit in
ihnen steckt und ob wirklich ein einziger Mensch beide Bücher geschrieben haben
kann, ist umstritten. Unumstritten hingegen ist der Fakt, dass beide Werke zur
Weltliteratur zählen. Und mit der neuen Übersetzung der „Odyssee“ von Kurt
Steinmann leuchtet dies auch jedem Leser ein. Der künstlerische Stil und eine
gelungene Syntax führen dazu, dass dieses Buch trotz ausholender Geschichte zu einem spannenden Meisterwerk wird.
Klappentext
Kurt Steinmanns vielgelobte Versübertragung der »Odyssee«
verbindet in idealer Weise hohe Texttreue mit sprachlicher Eleganz. Mühelos
gelingt es ihm, dem jahrtausendealten Menschheitsepos um die Abenteuer des
listenreichen Odysseus und dessen Gefährten neues Leben einzuhauchen. So
erstrahlen einige der berühmtesten Episoden der Weltliteratur – die
Gefangenschaft beim Kyklopen Polyphem, die verführerischen Gesänge der Sirenen,
die Bedrohung durch Skylla und Charybdis – in frischem Glanz. Von der Sorgfalt
der reich kommentierten Neuübersetzung – erstmals 2007 bei Manesse erschienen –
zeugt auch die Taschenbuch-Ausgabe des kanonischen Großklassikers.
Meinung
Liest man den Klappentext, springen einem sofort die
lobenden Worte ins Auge. Das wirkt auf den ersten Blick manipulierend und kaum
einzuhalten. Des Weiteren hat der Leser unglaublich hohe Ansprüche an diese
Ausgabe. Doch nun folgt das große Aber. Die neue Ausgabe der „Odyssee“ aus dem
Penguin Verlag hält, was sie verspricht! Ich hätte nicht erwartet, dass ich
mich so lobend über dieses Buch äußern würde, aber ich unterstütze die
Behauptungen der Eleganz, Texttreue und des neu eingehauchten Lebens.
Man muss vieles bedenken, wenn man zu der „Odyssee“ greift. Sie ist zwar ein
eigenständiges Werk, doch es kann nicht schaden, die „Ilias“ zu kennen. Ich
habe sie vor einiger Zeit gelesen und mich durchgekämpft. Nach dem Lesen war
ich nicht viel schlauer als zuvor. Doch es half mir dennoch für die „Odyssee“
und verdeutlichte mir nun, dass das zweite Werk einfach so viel besser ist.
Möglicherweise liegt dies auch tatsächlich an der Übersetzung, aber gerade
deswegen preise ich ja auch Kurt Steinmann. Kennt man keine anderen Zugänge,
weiß man vielleicht nicht zu schätzen, was der Übersetzer für einen
herausragenden Job gemacht hat. Während ich mit tief hängendem Gesicht über der
„Ilias“ brütete, strahlten meine Augen geradezu bei der „Odyssee“. Vergebt mir,
dass ich hier leicht übertreibe und versteht mich auch bitte nicht falsch.
Dieses Buch ist absolut nichts für zwischendurch. Es ist trotz wunderbarer
Sprache extrem schwer zu lesen und anstrengend. Noch nie habe ich ein Buch so
langsam gelesen, wie die „Odyssee“. Man kann nicht mittendrin aufhören und
später weiterlesen. Man sollte sich Zeit für dieses Buch nehmen. Die „Odyssee“ besteht
aus 24 Gesängen, die allesamt in Versen geschrieben sind. Sie weisen eine
deutliche Syntax auf, was das Lesen auf eine gewisse Weise erleichtert, der
ungewohnte Satzbau aber auch dazu führt, dass man die Worte beinahe mitspricht.
Um alles zu verstehen, liest man sich das Buch quasi selbst vor. Das ist kompliziert,
aber auch künstlerisch – und vor allem zeitaufwendig. Dennoch überraschte mich
ein Fakt extrem: Obwohl das Lesen anstrengend ist, ist das Buch irgendwie auch
spannend. Die „Ilias“ empfand ich leider nie wirklich als spannend, obwohl die
Handlung des Trojanischen Krieges ja einigen Input gibt. Die Taten des Odysseus
hingegen sind wirkliche Abenteuer. Jeder findet in diesem Buch irgendeinen
Verweis auf etwas, das er kennt. Ist dies nun der Kyklop („Zyklop“, für alle
die Percy Jackson gelesen haben) Polyphem und den Trick von „Niemand“ oder
kennt man den Geist des Sisyphus, der bis in alle Ewigkeit den Stein auf den
Berg schieben muss, oder sagt einem der Name „Kalypso“ einfach nur etwas. Aus
der Odyssee sind so viele Elemente entsprungen, die in unsere heutige Welt
Einzug gefunden haben, dass es unglaublich faszinierend ist. Mir gefielen die
Geschichten um Odysseus, auch wenn es einen Mann wie ihn nie gegeben haben
kann. Vor allem die letzten Gesänge sind wirklich lesenswert und spannend. Und
damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.
Der Erzählstil ist einfach mehr als gelungen. Und zusätzlich gibt es
ausführliche Anmerkungen zu den Gesängen, in denen Worte geklärt werden. Dies
ist hilfreich und interessant. Kurt Steinmann hat Großes mit dieser Übersetzung
geleistet, denn sie lässt sich für einen griechischen Epos erstaunlich gut
lesen. Woran aber auch er nichts ändern kann, ist der Inhalt. Aus heutiger
Perspektive muss kritisiert werden, wie brutal dieses Buch vor allem zum Ende
hin ist. Auch wenn man weiß, was passieren wird, wird der Freiermord
unglaublich präzise beschrieben. Das ist abschreckend, aber war im 7. Jahrhundert
vor Christus wohl ein Publikumsmagnet. Man sollte sich die Umstände einfach
bewusst machen, dann kann man diese Seiten schnell hinter sich bringen.
Ebenfalls etwas störend sind die ständigen Wiederholungen und Beschreibungen
von Opfern oder Menschen. Aber auch das ist der Dichtkunst von Homer geschuldet
und man kann es in einer Übersetzung nicht einfach weglassen. Dann wäre es ja
nicht mehr Homer.
Ich kann dieses Buch nicht normal rezensieren und nun auch noch etwas über die
Figuren sagen oder diese kritisieren. Dass Odysseus im Mittelpunkt steht,
sollte bekannt sein. Da es noch sehr viel mehr Figuren gibt, gibt es ja das
Verzeichnis über Namen und Orte am Ende der Ausgabe. Des Weiteren findet man
noch ein Nachwort von Walter Burkert, das sehr gelungen ist. Ebenfalls gern
gelesen habe ich die Zeilen „Zur Übersetzung“ von Steinmann. Beide Texte
vermitteln ein gutes Gefühl für das Gesamtwerk.
Fazit
Die Übersetzung der „Odyssee“ von Kurt Steinmann, die der
Penguin Verlag als Taschenbuch herausgegeben hat, ist ein wahres Wunder. Es ist
trotz schweren Stils sehr schön zu lesen und entführt in eine ganz andere Zeit.
Die Geschichte um Odysseus ist spannend und voller Abenteuer. Zusätzlich bildet
sie ein kleines Stück Allgemeinwissen und Weltliteratur. Und selbst, wenn man es sich nicht
zutraut, dieses Meisterwerk zu lesen, wird dieses Buch in jedem Regal zum
Schmuckstück. Denn nicht nur der Stil beinhaltet Eleganz – das Cover tut es
auch. Ich vergebe 5 Spitzenschuhe, da alles andere eine Beleidigung wäre. Investiert die Zeit, es lohnt sich!
Vielen Dank an den Penguin Verlag für das wunderschöne Rezensionsexemplar!
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