2. August 2018

Rezension: "Pompeji" von Robert Harris



Titel: Pompeji
Autor: Robert Harris
Verlag: Heyne
Preis: 9,99€
Seiten: 384


Ich habe mein Studienfach mit Leidenschaft gewählt und heute unterrichte ich Geschichte mit derselben. Besonders angetan hat es mir das Zeitalter der sogenannten „Alten Geschichte“, unter das auch die Themen Griechenland und Rom fallen. Beide Themen habe ich im letzten Jahr unterrichtet und ich habe mich selbst dabei ertappt, dass es auch Bücher auf meine Freizeitleseliste geschafft haben, die in genau dieser Zeit spielen. Das Schuljahr ist vorbei, der Sommer kam und ich las lauter heiterer Liebes- und mystischer Fantasiegeschichten. Und dann hatte ich Lust auf etwas Ernstes. Auf meinem Reader fand ich „Pompeji“ von Robert Harris. Ich liebe viele seiner Bücher, denn die Mischung aus Thrill und History gelingt ihm meist sehr gut. Pompeji ist ein wahnsinnig interessantes Thema und deswegen ging ich mit viel Freude an das Buch. Was sehr zäh begann, steigerte sich stark und wurde letztendlich zu einer spannenden Lektüre. „Pompeji“ ist eine Schnitzeljagd, von der jeder im Vorhinein weiß, wie das Unglück ausgehen muss! Und so entsteht ein wirklich spannendes Buch mit antikem Zeitgeist.

Pompeji, 79 n. Chr., reichste Stadt der römischen Weltmacht, Oase der Schönen und Mächtigen: Der junge Wasserbaumeister Attilius kommt einer skrupellosen Verschwörung auf die Spur, doch seine Nachforschungen werden überschattet von den unheimlichen Vorzeichen einer drohenden Apokalypse.

Wer sich für das Unglück von Pompeji oder das Römische Reich interessiert, ist bei diesem Buch genau richtig! Robert Harris ist ein wirklich begabter Autor, der die historischen Themen immer mit Thrillelementen und Intrigen mischt. Aus diesen Mischungen werden sehr spannende Angelegenheiten, auch für Nichthistoriker. Wer aber gar kein Interesse an der Zeit um die Geburt Christi hat, kann mit diesem Buch wahrscheinlich nicht viel anfangen. Zu wichtig ist die historische Verortung, das System, das Leben der Menschen. All diese Dinge spielen in „Pompeji“ eine Rolle und würzen die Geschichte. Interessant ist an diesem Roman natürlich, dass jeder weiß, was an seinem Ende stehen muss. Denn der Vesuv ist 79 n. Chr. ausgebrochen und hat tausende von Menschen getötet. (Übrigens ein Szenario, das sich in Zukunft wieder ereignen wird, denn der Vesuv ist noch immer aktiv und wird eines Tages wieder ausbrechen. Das so nebenbei.) Das Ende steht also fest, warum sollte man das Buch dann noch lesen? Eine gute Frage, die ich nur schwer beantworten kann. Doch für mich war es aufgrund des bekannten Endes umso spannender, die Geschichte zu lesen. Das Unausweichliche würde geschehen, aber was würde mit den Figuren geschehen? Was wird bis dahin herausgefunden? Überlebt doch jemand? Das Buch ist ein Wettlauf mit der Zeit, nur dass die Charaktere nicht wissen, dass ihre Zeit abläuft. Der Leser ist ihnen somit überlegen, was ein faszinierendes Gefühl ist. Dieses Gefühl kennt man oft aus historischen Romanen, doch Harris schafft es wirklich den Leser in seinen Bann zu ziehen. 
Der Anfang des Buches ist beinahe schon dröge. Ich musste mich sehr an den Stil gewöhnen, der natürlich viel mit dem Zeitalter zu tun hat. Der Autor trifft einen authentischen Stil und Ton. Obwohl das Römische Reich so glorreich war, herrschten zum Teil schreckliche Verhältnisse und derbe Tonarten. Beides fängt Harris sehr gut ein. Lediglich bei den Sexualpraktiken war ich ein wenig abgeschreckt, will aber nicht in Abrede stellen, dass es durchaus so gewesen sein kann. Manchmal sind das Verhalten und der Ton der Figuren ekelerregend und widerlich. Aber all das macht das Buch auch authentisch. Insgesamt wird das Gesellschaftssystem wahnsinnig gut eingefangen! Meines Erachtens hat Harris sehr gut recherchiert und mir fielen keine historischen Fehler auf. Sicher hat er sich künstlerische Freiheiten erlaubt und auch was die Vulkanforschung angeht, habe ich keine Ahnung, ob alles so abgelaufen sein kann, aber es gibt nichts, das den Leser aus dem Lesefluss bringt. 
Das Thema der Vulkane ist beinahe schon das faszinierendste am ganzen Buch. Nach dem Lesen des Romans musste ich mir erst einmal eine Dokumentation über den Ausbruch 79 n. Chr. anschauen, weil ich vom ganzen Thema so fasziniert war. Jedem Kapitel ist ein kurzer Text vorgestellt, der meistens aus der Vulkanforschung stammt. Er stellt die Veränderungen und Entwicklungen eines Vulkans dar, was zumeist auch im kommenden Kapitel beobachtet werden kann. So mischt der Autor Wissenschaft mit Fiktion sehr gut und weckt im Leser ein Interesse gegenüber der Vulkanologie. Denn diese Naturkatastrophe steht wahrlich im Fokus. Der Vesuv thront über allem und sein Ausbruch ist nicht zu verhindern, ja für die Figuren nicht einmal zu erahnen. Außer für einen? 
Die Handlung beschäftigt sich mit dem jungen Aquarius Attilius. Er wurde nur zwei Tage vor Ausbruch des Vesuvs nach Pompeji als neuer Wassermeister geschickt. Er kümmert sich um die Aqua Augusta, das lange Aquädukt also, das Pompeji versorgt. Er bemerkt Anzeichen dafür, dass das Aquädukt beschädigt sein muss und geht der Sache auf den Grund. Dabei gerät er in die Fänge der Oberschicht, denn Wasser ist ein Luxusgut und somit ein Geschäftsmittel. Er lernt die reichste Familie Pompejis kennen und verliebt sich in die Tochter des Hauses, Corelia. Doch Corelias Vater hat ganz andere Pläne und hat es auf den jungen Aquarius abgesehen. Dieser entdeckt im Laufe des Buches immer mehr Hinweise, dass der große Berg bald für ein Unglück verantwortlich sein wird. Und richtig, der Vesuv bricht aus. Doch damit endet das Buch nicht etwa, wie man erwarten könnte. Der Ausbruch wird sehr authentisch geschildert. Hier hat Harris eine Menge recherchiert und den Ausbruch den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst. Denn tatsächlich wurden die Menschen in Pompeji erst über 18 Stunden nach dem Ausbruch von einem pyroklastischen Strom getötet. Bis dahin bleibt also eine ganze Menge Zeit für das Buch, seine Handlung weiter zu führen. Insgesamt spielt es schließlich nur über drei Tage, da sind 18 Stunden schon eine ganze Menge. Attilius stellt sich der Natur, denn der Tod scheint unausweichlich und kehrt zurück nach Pompeji. Mit dem Ende des Buches kann der Autor nicht mehr viele überraschen. Und trotzdem schafft er eine kleine Wende, mit der ich nicht gerechnet hatte, die durchaus auf Logik beruht. Dennoch sind Tod und Zerstörung zentrale Themen im Buch. Ebenfalls präsent sind die ganze Zeit über antike Intrigen, aber auch zarte Liebesgefühle. Mich hat das Buch mit seinen Themen und seinem bekannten Ende sehr fasziniert. Der Autor hat interessante Figuren in dieses Szenario geschickt, die die Geschichte lesenswert machen. Die Namen sind nicht immer ganz einfach voneinander zu unterscheiden und die Erzählsicht wechselt sich oft, da immer verschiedene Figuren betrachtet werden. So wird das Buch manchmal sprunghaft und man muss den Überblick behalten. Gelingt dies aber, ist das Lesen ein Genuss, der nebenbei noch ein bisschen Bildung bietet. Die Figuren sind sehr verschieden und bilden einen Querschnitt der römischen Gesellschaft dar. Es gibt keine richtigen Identifikationsfiguren oder Helden, aber Attilius ist sehr sympathisch. Mir haben die Charaktere gut gefallen, Robert Harris hat allerdings das Geschehen in den Fokus gestellt. 

Das Unglück der Stadt Pompeji ist weltweit bekannt. Robert Harris hat dieses Schicksal zum Anlass genommen ein sehr spannendes historisches Buch mit Thrillelementen zu schreiben, das dem interessierten Leser ein wahrer Genuss wird. „Pompeji“ ist spannend und authentisch. Die Figuren passen hervorragend ins Zeitalter und stecken alle in verschiedenen Intrigen. Mich hat das Buch mit all seiner Thematik wahnsinnig fasziniert und ich habe viel aus ihm mitgenommen. Trotz aller historischer Richtigkeit muss man auch die fiktiven Motive im Auge behalten, doch so oder so bleibt dieses Buch großartig. Ich vergebe fünf volle Spitzenschuhe, auch wenn diese den Ausbruch wohl nie überstanden hätten.



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