Titel: Zentolia - Glasglanz
Autor: Tamara Schmid
Verlag: digi:tales
Preis: 3,99
Seiten: 440
Aus dem digi:tales Verlag sollte mich wirklich nichts mehr
überraschen! Es ist nun schon das zweite Mal, dass ich mich an einen Titel
gewagt habe, der weder vom Cover noch vom Klappentext so richtig in mein
Leseverhalten passt – und der mich wahnsinnig positiv überrascht und überzeugt
hat! Bereits beim Titel „Unicorn Rise“ wusste ich nicht genau, ob ich mit
diesem verträumten Cover und seiner Fantasygeschichte zurecht käme und ich war
nach dem Lesen baff. Umso mehr freut es mich, dass mir nun das gleiche mit „Zentolia
– Glasglanz“ passiert ist!
Das Cover ist nicht meins, der Klappentext hat aber wieder einmal etwas. Und so
wagte ich mich an die Jugend-Dystopie, die es wirklich in sich hat. Tamara
Schmid erschafft eine innovative und interessante Welt, in der eine
ungewöhnliche (, weil absolut nicht perfekte) Protagonistin lebt, die den Leser
mitnimmt. Ich habe Faunas Reise mehr als gern begleitet und das Buch spuckt mir
auch eine Woche nach dem Lesen noch im Kopf herum. Also: Traut euch an diese
Geschichte, es lohnt sich!
Fauna lebt in Zentolia - eine Stadt erbaut aus Stein und
Metall, umgeben von hohen Mauern. Draußen lauern nichts als Tod und Verdammnis.
Drinnen sorgen Ordnungsstifter für eine strenge Überwachung der Stadtbezirke.
Das Leben in Zentolia ist hart. Und die Herrscherin Szempra verzeiht keine
Fehler. Daher ist Fauna extrem vorsichtig, lässt außer ihrem besten Freund
Ronan und ihrer Mutter niemanden an sich heran. Als plötzlich beide spurlos
verschwinden, ist sie gezwungen, bei der Suche die Hilfe eines zwielichtigen
Fremden anzunehmen. Aber warum kennt Sander sich an den dunkelsten Ecken
Zentolias so gut aus? Und was will er wirklich von ihr? Schon bald begreift
Fauna, dass sie erneut bestohlen wird. Die Beute? − Ihr Herz.
Wer sich Zeit für den Klappentext nimmt und nicht nur vom
Cover beeinflussen lässt, der wird schnell merken, dass Tamara Schmids
Weltentwurf vielversprechend klingt. Und deswegen gab ich dem Buch auch eine
Chance. Diese hat es mehr als genutzt, denn die Dystopie klingt nicht nur
vielversprechend, sie ist es auch! Die Autorin nimmt sich auf dem ersten
Drittel der Geschichte sehr viel Zeit für die Welteinführung, was durchaus ein
wenig dauert. Doch es ist auch nicht so schnell erklärt und die etwas
ausschweifende Beschreibungsart hilft dem Leser, sich an Zentolia zu gewöhnen.
Besonders gut hat mir die Idee gefallen! An sich ist es nichts Neues in einem Buch, wenn ein
Unglück die Welt ins Chaos stürzte und ein diktatorischer Herrscher die Macht
übernommen hat. Dennoch ist die Welt von „Zentolia“ etwas Besonderes und auch
anders, als man vielleicht denkt. Ich habe einige Zeit gebraucht, um mir die
Stadt aus Stein und Metall vorzustellen. In Faunas Welt gibt es keine Pflanzen
und Tiere. Denn diese waren für die grüne Pest verantwortlich, die alles
zerstört hat. Deswegen hat Fauna wahnsinnige Angst vor jedem kleinen Unkraut,
was wirklich interessant ist. Es ist ein ungewöhnlicher Weltentwurf, der es in
sich hat. Zentolia hat eine ganz eigene Ordnung und Infrastruktur. Es gibt
viele Elemente, die man aus Dystopien kennt und trotzdem hat die Autorin es
geschafft, etwas ganz eigenes zu entwerfen, das ich so noch nicht kannte. Es
wird beispielsweise auf viel Computertechnik verzichtet, keine Netscreens
oder Pager, die das Leben begleiten – einfach nur Stein und Metall.
Trägerin der Handlung ist natürlich die Protagonistin Fauna. Es ist
faszinierend, ihre anfängliche Naivität zu beobachten. Sie hinterfragt das
System nicht, warum auch. Sie hat Angst vor der bösen Natur und ist vollkommen
zufrieden mit dem Leben, das sie führt. Jedenfalls solange ihre Mutter und ihr
bester Freund bei ihr sind. Doch genau diese beiden verschwinden am Tag der
Gründungsfeier und gleichzeitig taucht der geheimnisvolle Sander auf. Natürlich
sieht der geschulte Leser einen Zusammenhang, doch die genauen Umstände bleiben
unklar. Fauna macht sich also auf die Suche nach ihren beiden
Familienmitgliedern und muss dabei entdecken, dass es noch viel mehr gibt, als
Metall und Stein.
Fauna ist eine großartige Protagonistin. Anfangs ist sie naiv und irgendwie
auch ignorant. Sie ist nicht dumm, aber sie nimmt die Welt so hin, wie sie ist.
Sie ist keinesfalls Anhängerin der Herrscherin Szempra, aber sie kennt ihren
Platz und der ist bei ihrer Mutter. Doch Fauna entwickelt sich im Laufe des
Buches. Sie wird reifer und mit einer unbekannten Welt konfrontiert. Das
Großartige an ihr ist ihre abweisende und kratzbürstige Art. Sie ist
pessimistisch und unfreundlich. Außerdem hält sie sich selbst nicht für eine
Schönheit oder „ehrliche Haut“. Sie kennt ihre Fehler und will diese auch gar nicht
verstecken. Das fand ich so erfrischend im Dschungel der immer gelciehn, immer perfekten Protagonistinnen. Fauna lässt sich von Sander beeinflussen, lernt aber erst langsam,
wie es ist, sich zu verlieben. Sie wird mit so vielem Neuen konfrontiert, dass
ihre Welt aus den Fugen gerät. Ich finde, dass die Autorin Fauna sehr
authentisch gezeichnet hat und sie ein absolut gelungener Charakter ist! Über
Ronan und Faunas Mutter kann ich wenig sagen, da sie nur eine sehr kurze Zeit
vor ihrem Verschwinden mitspielen. Doch beide sind ehrliche Charaktere, die
Fauna alles bedeuten. Sander hingegen bedeutet ihr anfangs gar nichts. Dass mit
ihm etwas nicht stimmt, weiß man bereits, nachdem man den Klappentext gelesen
hat. Mir war dieser junge Draufgänger allerdings sehr sympathisch. Er bringt
die Geschichte voran und bleibt natürlich ihr Mittelpunkt. Ich mochte die
Chemie zwischen Fauna und Sander, auch wenn ich das Gesamtkonzept noch besser
fand. Die Liebesgeschichte zwischen ihnen kommt beinahe schon kurz. Wer auf große Knutschereien hofft, ist hier jedenfalls Fehl am Platz. Das langsame Herantasten ist aber umso schöner und ich befürchte, dass Sander sein Herz nicht zum ersten Mal verschenkt hat...
Ich habe während der Geschichte wenig nachgedacht, sondern „Zentolia“ einfach
weggelesen. Und das ging mit der richtigen Zeit erstaunlich gut. Anfangs hatte
ich ein paar Schwierigkeiten, ins Buch zu kommen. Aber nachdem man mit der Welt
warm geworden ist, liest man das Buch so weg. Anfangs war mir auch nicht klar,
ob die Suche nach Faunas Mutter und Ronan der gesamte Inhalt ist und deswegen
war es manchmal wenig zielführend. Aber natürlich ist es nicht der einzige
Inhalt, denn das große Ganze wird hinterfragt und diese Grundsteinänderung
gelingt sehr gut. Die Geschichte hat sehr spannende Elemente, lebt aber
deutlich von ihrem Entwurf und den Charakteren. Es gibt immer wieder spannende
Szenen, doch bis zum Ende hin herrscht eher eine solide Grundspannung. Es gibt
die Thematik der Edelsteine, die auch auf dem Cover erkennbar ist. Die habe ich
noch nicht vollkommen durchschaut, denn über sie wird noch nicht viel verraten.
Deswegen irritierte sie mich auch ein wenig, aber gestört hat es mich nie. Ich
persönlich fand die Handlung auch nicht voraussehbar, abgesehen von ein paar
Grundpfeilern. Insgesamt konnte die Geschichte mich aber immer wieder
überraschen, sei es nun mit dem Untergrund, dem Schwarzmarkt oder dem
Holzkästchen. Nach dem ersten Drittel hatte die Geschichte mich gefesselt und
ich habe mich dabei ertappt, wie ich immer wieder mit den Gedanken nach Zentolia
abdriftete. Das passiert mir auch noch viele Tage nach dem Lesen des Buches,
was ich als sehr positiv bewerte. Das Ende des Buches ist relativ hektisch und
abrupt, aber gelungen! Und nun bin ich einfach nur gespannt, wie es weitergehen
wird, denn zum Glück wird es das. „Zentolia“ ist eine Dilogie, dessen zweites
Buch aber noch nicht angekündigt wurde. Eine Schande!
Zum Schreibstil kann ich nur sagen, dass er gelungen und angemessen ist. Er
trägt gekonnt zur Weltbeschreibung bei und vermittelt dem Leser einen tollen
Eindruck von Zentolia. Das Buch hat auch seine Längen und seine Schwächen, doch
im Nachhinein sehe ich darüber großzügig hinweg, weil mich die Geschichte doch
vor allem beeindruckt hat! Das kann ich zum Cover übrigens nicht sagen. Die
beiden abgebildeten Figuren haben wenig mit Sander und Fauna gemein,
beziehungsweise kann ich mir beide so einfach nicht vorstellen. Das äußere und
detailreiche Muster finde ich schön und die Farbe Grün passt absolut zum Buch.
Aber diese Figuren?! Hm. Aber gut, man kann es nicht jedem recht machen und
solange der Inhalt stimmt, kann man über ein Cover hinweg sehen.
„Zentolia – Glasglanz“ ist ein Buch mit einem so spannenden
und innovativen Weltentwurf, dass allein dieser Fakt reicht, um es lesen zu
sollen. Aber hinzu kommen die überaus authentischen Charaktere, allen voran
Fauna. Sie hat mich mit ihrer kratzbürstigen Art für sich eingenommen und
einfach in ihre Welt entführt. Die Figurenkonstellation ist ideal und der
Weltentwurf großartig! Deswegen kann ich über Kleinigkeiten hinweg sehen, wie
etwa ein paar Handlungslängen, die mich gestört haben. Nach diesem Buch sind
noch so viele Fragen offen, dass ich das Lesen von Teil zwei kaum erwarten
kann. Und weil mich die Geschichte einfach nicht loslässt und sie mir sehr gut
gefallen hat, vergebe ich fünf von fünf Spitzenschuhen. Ob man die auf dem
Schwarzmarkt in Zentolia auch bekäme?!
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