1. August 2018

Rezension: "Zentolia - Glasglanz" von Tamara Schmid



Titel: Zentolia - Glasglanz
Autor: Tamara Schmid
Verlag: digi:tales
Preis: 3,99
Seiten: 440

Aus dem digi:tales Verlag sollte mich wirklich nichts mehr überraschen! Es ist nun schon das zweite Mal, dass ich mich an einen Titel gewagt habe, der weder vom Cover noch vom Klappentext so richtig in mein Leseverhalten passt – und der mich wahnsinnig positiv überrascht und überzeugt hat! Bereits beim Titel „Unicorn Rise“ wusste ich nicht genau, ob ich mit diesem verträumten Cover und seiner Fantasygeschichte zurecht käme und ich war nach dem Lesen baff. Umso mehr freut es mich, dass mir nun das gleiche mit „Zentolia – Glasglanz“ passiert ist! 
Das Cover ist nicht meins, der Klappentext hat aber wieder einmal etwas. Und so wagte ich mich an die Jugend-Dystopie, die es wirklich in sich hat. Tamara Schmid erschafft eine innovative und interessante Welt, in der eine ungewöhnliche (, weil absolut nicht perfekte) Protagonistin lebt, die den Leser mitnimmt. Ich habe Faunas Reise mehr als gern begleitet und das Buch spuckt mir auch eine Woche nach dem Lesen noch im Kopf herum. Also: Traut euch an diese Geschichte, es lohnt sich!


Fauna lebt in Zentolia - eine Stadt erbaut aus Stein und Metall, umgeben von hohen Mauern. Draußen lauern nichts als Tod und Verdammnis. Drinnen sorgen Ordnungsstifter für eine strenge Überwachung der Stadtbezirke. Das Leben in Zentolia ist hart. Und die Herrscherin Szempra verzeiht keine Fehler. Daher ist Fauna extrem vorsichtig, lässt außer ihrem besten Freund Ronan und ihrer Mutter niemanden an sich heran. Als plötzlich beide spurlos verschwinden, ist sie gezwungen, bei der Suche die Hilfe eines zwielichtigen Fremden anzunehmen. Aber warum kennt Sander sich an den dunkelsten Ecken Zentolias so gut aus? Und was will er wirklich von ihr? Schon bald begreift Fauna, dass sie erneut bestohlen wird. Die Beute? − Ihr Herz.

Wer sich Zeit für den Klappentext nimmt und nicht nur vom Cover beeinflussen lässt, der wird schnell merken, dass Tamara Schmids Weltentwurf vielversprechend klingt. Und deswegen gab ich dem Buch auch eine Chance. Diese hat es mehr als genutzt, denn die Dystopie klingt nicht nur vielversprechend, sie ist es auch! Die Autorin nimmt sich auf dem ersten Drittel der Geschichte sehr viel Zeit für die Welteinführung, was durchaus ein wenig dauert. Doch es ist auch nicht so schnell erklärt und die etwas ausschweifende Beschreibungsart hilft dem Leser, sich an Zentolia zu gewöhnen. Besonders gut hat mir die Idee gefallen! An sich ist es nichts Neues in einem Buch, wenn ein Unglück die Welt ins Chaos stürzte und ein diktatorischer Herrscher die Macht übernommen hat. Dennoch ist die Welt von „Zentolia“ etwas Besonderes und auch anders, als man vielleicht denkt. Ich habe einige Zeit gebraucht, um mir die Stadt aus Stein und Metall vorzustellen. In Faunas Welt gibt es keine Pflanzen und Tiere. Denn diese waren für die grüne Pest verantwortlich, die alles zerstört hat. Deswegen hat Fauna wahnsinnige Angst vor jedem kleinen Unkraut, was wirklich interessant ist. Es ist ein ungewöhnlicher Weltentwurf, der es in sich hat. Zentolia hat eine ganz eigene Ordnung und Infrastruktur. Es gibt viele Elemente, die man aus Dystopien kennt und trotzdem hat die Autorin es geschafft, etwas ganz eigenes zu entwerfen, das ich so noch nicht kannte. Es wird beispielsweise auf viel Computertechnik verzichtet, keine Netscreens oder Pager, die das Leben begleiten – einfach nur Stein und Metall.
Trägerin der Handlung ist natürlich die Protagonistin Fauna. Es ist faszinierend, ihre anfängliche Naivität zu beobachten. Sie hinterfragt das System nicht, warum auch. Sie hat Angst vor der bösen Natur und ist vollkommen zufrieden mit dem Leben, das sie führt. Jedenfalls solange ihre Mutter und ihr bester Freund bei ihr sind. Doch genau diese beiden verschwinden am Tag der Gründungsfeier und gleichzeitig taucht der geheimnisvolle Sander auf. Natürlich sieht der geschulte Leser einen Zusammenhang, doch die genauen Umstände bleiben unklar. Fauna macht sich also auf die Suche nach ihren beiden Familienmitgliedern und muss dabei entdecken, dass es noch viel mehr gibt, als Metall und Stein.
Fauna ist eine großartige Protagonistin. Anfangs ist sie naiv und irgendwie auch ignorant. Sie ist nicht dumm, aber sie nimmt die Welt so hin, wie sie ist. Sie ist keinesfalls Anhängerin der Herrscherin Szempra, aber sie kennt ihren Platz und der ist bei ihrer Mutter. Doch Fauna entwickelt sich im Laufe des Buches. Sie wird reifer und mit einer unbekannten Welt konfrontiert. Das Großartige an ihr ist ihre abweisende und kratzbürstige Art. Sie ist pessimistisch und unfreundlich. Außerdem hält sie sich selbst nicht für eine Schönheit oder „ehrliche Haut“. Sie kennt ihre Fehler und will diese auch gar nicht verstecken. Das fand ich so erfrischend im Dschungel der immer gelciehn, immer perfekten Protagonistinnen. Fauna lässt sich von Sander beeinflussen, lernt aber erst langsam, wie es ist, sich zu verlieben. Sie wird mit so vielem Neuen konfrontiert, dass ihre Welt aus den Fugen gerät. Ich finde, dass die Autorin Fauna sehr authentisch gezeichnet hat und sie ein absolut gelungener Charakter ist! Über Ronan und Faunas Mutter kann ich wenig sagen, da sie nur eine sehr kurze Zeit vor ihrem Verschwinden mitspielen. Doch beide sind ehrliche Charaktere, die Fauna alles bedeuten. Sander hingegen bedeutet ihr anfangs gar nichts. Dass mit ihm etwas nicht stimmt, weiß man bereits, nachdem man den Klappentext gelesen hat. Mir war dieser junge Draufgänger allerdings sehr sympathisch. Er bringt die Geschichte voran und bleibt natürlich ihr Mittelpunkt. Ich mochte die Chemie zwischen Fauna und Sander, auch wenn ich das Gesamtkonzept noch besser fand. Die Liebesgeschichte zwischen ihnen kommt beinahe schon kurz. Wer auf große Knutschereien hofft, ist hier jedenfalls Fehl am Platz. Das langsame Herantasten ist aber umso schöner und ich befürchte, dass Sander sein Herz nicht zum ersten Mal verschenkt hat...
Ich habe während der Geschichte wenig nachgedacht, sondern „Zentolia“ einfach weggelesen. Und das ging mit der richtigen Zeit erstaunlich gut. Anfangs hatte ich ein paar Schwierigkeiten, ins Buch zu kommen. Aber nachdem man mit der Welt warm geworden ist, liest man das Buch so weg. Anfangs war mir auch nicht klar, ob die Suche nach Faunas Mutter und Ronan der gesamte Inhalt ist und deswegen war es manchmal wenig zielführend. Aber natürlich ist es nicht der einzige Inhalt, denn das große Ganze wird hinterfragt und diese Grundsteinänderung gelingt sehr gut. Die Geschichte hat sehr spannende Elemente, lebt aber deutlich von ihrem Entwurf und den Charakteren. Es gibt immer wieder spannende Szenen, doch bis zum Ende hin herrscht eher eine solide Grundspannung. Es gibt die Thematik der Edelsteine, die auch auf dem Cover erkennbar ist. Die habe ich noch nicht vollkommen durchschaut, denn über sie wird noch nicht viel verraten. Deswegen irritierte sie mich auch ein wenig, aber gestört hat es mich nie. Ich persönlich fand die Handlung auch nicht voraussehbar, abgesehen von ein paar Grundpfeilern. Insgesamt konnte die Geschichte mich aber immer wieder überraschen, sei es nun mit dem Untergrund, dem Schwarzmarkt oder dem Holzkästchen. Nach dem ersten Drittel hatte die Geschichte mich gefesselt und ich habe mich dabei ertappt, wie ich immer wieder mit den Gedanken nach Zentolia abdriftete. Das passiert mir auch noch viele Tage nach dem Lesen des Buches, was ich als sehr positiv bewerte. Das Ende des Buches ist relativ hektisch und abrupt, aber gelungen! Und nun bin ich einfach nur gespannt, wie es weitergehen wird, denn zum Glück wird es das. „Zentolia“ ist eine Dilogie, dessen zweites Buch aber noch nicht angekündigt wurde. Eine Schande!
Zum Schreibstil kann ich nur sagen, dass er gelungen und angemessen ist. Er trägt gekonnt zur Weltbeschreibung bei und vermittelt dem Leser einen tollen Eindruck von Zentolia. Das Buch hat auch seine Längen und seine Schwächen, doch im Nachhinein sehe ich darüber großzügig hinweg, weil mich die Geschichte doch vor allem beeindruckt hat! Das kann ich zum Cover übrigens nicht sagen. Die beiden abgebildeten Figuren haben wenig mit Sander und Fauna gemein, beziehungsweise kann ich mir beide so einfach nicht vorstellen. Das äußere und detailreiche Muster finde ich schön und die Farbe Grün passt absolut zum Buch. Aber diese Figuren?! Hm. Aber gut, man kann es nicht jedem recht machen und solange der Inhalt stimmt, kann man über ein Cover hinweg sehen.


„Zentolia – Glasglanz“ ist ein Buch mit einem so spannenden und innovativen Weltentwurf, dass allein dieser Fakt reicht, um es lesen zu sollen. Aber hinzu kommen die überaus authentischen Charaktere, allen voran Fauna. Sie hat mich mit ihrer kratzbürstigen Art für sich eingenommen und einfach in ihre Welt entführt. Die Figurenkonstellation ist ideal und der Weltentwurf großartig! Deswegen kann ich über Kleinigkeiten hinweg sehen, wie etwa ein paar Handlungslängen, die mich gestört haben. Nach diesem Buch sind noch so viele Fragen offen, dass ich das Lesen von Teil zwei kaum erwarten kann. Und weil mich die Geschichte einfach nicht loslässt und sie mir sehr gut gefallen hat, vergebe ich fünf von fünf Spitzenschuhen. Ob man die auf dem Schwarzmarkt in Zentolia auch bekäme?!


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