Titel: Der letzte Stern
Autor: Rick Yancey
Verlag: Goldmann
Preis: 9,99€
Seiten: 384
Nachdem ich „Die 5. Welle“ im Kino gesehen hatte, griff ich
zum Buch. Der Film hatte mich so neugierig gemacht, dass ich dringend
herausfinden musste, ob das Buch auch so gut ist. Und nachdem ich diese These
bejahen konnte, musste ich natürlich wissen, wie es weitergeht. Leider ließ ich
mir dabei aber Zeit. Ich las „Das unendliche Meer“ und fand das Buch
verwirrend, aber mitreißend – kompliziert, aber großartig. Mein Fehler? Sich
mit dem Lesen des Finals erneut Zeit lassen. Denn Rick Yancey hat eine kuriose,
komplizierte und verworrene Geschichte geschrieben, in der man unbedingt drin
sein muss, um sie zu verstehen. Nur mit all den kleinen Informationen kann man das
große Ganze entwirren. Fehlen einem aber die Informationen, wird es schwer.
Doch obwohl ich zu viel vergessen hatte, war das Buch merkwürdig und phänomenal
zugleich. Es hat mich wahnsinnig mitgenommen – durch seine Brutalität, seine
Liebe, seine Emotionen. Ich kann diese Reihe nur empfehlen und suche dringend jemanden,
mit dem ich über sie diskutieren kann.
Sie kamen, um uns zu vernichten: die 'Anderen', eine fremde
feindliche Macht. Vier Wellen der Zerstörung haben sie bereits über die Erde
gebracht. Sie töteten unzählige Menschen, zerstörten Häuser und Städte,
verwüsteten ganze Landstriche. Sie verbreiteten ein tödliches Virus und
schickten gefährliche Silencer, um jedes noch lebende Wesen aufzuspüren. Jetzt
ist die Zeit der fünften Welle gekommen, die Vollendung ihres Plans, alles
Menschliche auszurotten. Doch noch gibt es Überlebende: Cassie, Ben und Evan werden
weiterkämpfen. Sie wollen die Menschheit nicht aufgeben. Und wenn sie sich
selbst dafür opfern müssen ...
Vor dem Lesen musste ich erst einmal wieder in die Welt von
Cassie und Co. eintauchen, damit ich überhaupt wieder wusste, wie „Das unendliche
Meer“ endet. „Der letzte Stern“ schließt nahtlos an seinen Vorgänger an und man
hätte durchaus in einem Rutsch weiter lesen können. Vielleicht auch sollen.
Denn ich wusste zum Beispiel nicht einmal mehr, wer Razor ist. Ist er tot? Wo
ist Ringer? Was war mit ihr geschehen? Denn schließlich ist sie es, die sich in
Band zwei zur zweiten Protagonistin mausert. Insgesamt verschiebt Yancey sein
Handlungskonstrukt. Was mit einer ganz normalen Dystopie begann, in der ein
Mädchen im Mittelpunkt steht, wird zu einem Weltzerstörungsszenario mit
wechselnden Protagonisten und sehr viel ernsterem Kern. Es handelt sich bei
dieser Reihe nicht um das klischeehafte Jugendbuch – es ist viel mehr. Und das
liegt vor allem am Stil des Autors. Rick Yancey hat sich eine fantastische und
unglaublich komplizierte Geschichte ausgedacht. Allein das ist bemerkenswert,
doch er beweist wahnsinniges Gespür für seine Charaktere und noch viel mehr für
seinen Ausdruck. Es gibt so viele tolle Stellen in „Der letzte Stern“, die
zitierungsfähig sind! Es gibt so schöne, ja sogar poetisch Stellen! Ringer ist eine so intelligente Person und ihr Denken so
radikal, dass ich allein mit ihren Zitaten Seiten füllen könnte. Yancey erfasst
den menschlichen Kern ausgesprochen gut. Man kann sich in den Aussagen wieder
finden, man glaubt sie. Denn würde man in diesem Szenario leben müssen, würde
uns allen bewusst werden, was uns Menschen wirklich ausmacht: Vertrauen,
Zusammenarbeit und Liebe. Und das sind Dinge, die „die Anderen“ der Menschheit
nehmen wollen. Doch zum Glück hat Yancey für genau die richtigen Charaktere
gesorgt.
Ich war schon immer ein riesiger Fan von Cassie. Das Motiv der großen
Schwester, die den Teddy ihren Bruders durch die halbe Welt trägt, ist einfach
großartig! Insgesamt spart Yancey übrigens nicht an Symbolen, was mir persönlich sehr gefällt. Cassie opfert sich für Samy auf und dieser ist gar nicht mehr der
kleine Junge: Er ist Soldat. Sam ist ein erstaunlicher Charakter. Ich wusste
nie, ob ich ihn mögen soll oder nicht. Doch er tat mir leid, ich habe ihn
bewundert. Ohne ihn würde „Der letzte Stern“ nicht funktionieren. Und das lässt
sich von allen wichtigen Charakteren sagen: Zombie, Ringer, Evan. Zombie ist
eigentlich ein einfacher Junge, aber seine Entwicklung ist radikal und meiner
Meinung nach positiv. Ringer ist keine Sympathieträgerin. Sie ist das Mädchen,
das niemals lächelt. Und doch weiß sie zu kämpfen. Es sei dahin gestellt, ob
man die Charaktere dieser Geschichte wirklich mögen muss oder vielleicht sogar
kann. Aber sie machen diese Geschichte so einzigartig. Evan ist einer meiner
persönlichen Lieblinge, doch leider kommt er etwas kurz. Mein Herz brach, als
sein Urteil gefällt wird. Und noch mehr brach es, als das Buch sich seinem
Finale näherte. Denn wie der Klappentext schon sagt: Die Figuren würden alles
für ihre Welt tun, auch wenn sie sich für diese opfern müssten. Ich finde das
Ende so mutig und passend. Es gibt nicht einen Satz in diesem Buch, den ich dem
Autor nicht geglaubt habe. Rick Yancey schreibt seine Geschichte nämlich
authentisch – und wie. So abgedreht der Weltentwurf auch ist, so viel Wahrheit
steckt in der Geschichte, so viel Intelligenz.
Und doch habe ich Kritik: Denn es werden nicht annähernd alle Fragen
beantwortet. Vielleicht liegt das auch mit daran, dass ich selbst viele
Informationen vergessen habe. Aber am Ende des Buches war ich wirklich
verwirrt. Wer ist Vosch wirklich? Was ist seine Aufgabe? Und was soll uns die
Geschichte vermitteln? Mir hat sie vor Augen geführt, wie wichtig Vertrauen für
uns Menschen ist, die Zweisamkeit, die Liebe. Denn dafür steht Cassie! Ich habe
mir ein vollkommen anderes Ende erwünscht, aber ich bin dennoch damit
zufrieden. Denn Yancey bleibt seiner Idee und seinen Figuren treu.
Hinzu kommt, dass der Leser nie weiß, was als nächstes passiert. „Der letzte
Stern“ ist eine spannende Angelegenheit. Und durch den Stil wird es noch
spannender. Denn inzwischen gibt es so viele verschiedene Perspektiven, so
viele Stellen, an denen erzählt wird. Man bekommt Einblicke ist Zombies,
Cassies und Ringers Innenleben, aber genauso auch in das von Sam, von Evan, von
Silencern…ja von den 7 Milliarden Opfern…Der Stil ist einfach spannend und so
auch die Handlung.
Als letztes muss ich noch sagen, dass auch die Aufmachung des Buches sehr schön
ist. Der Glanzeffekt des Covers passt toll zur Geschichte, ebenso wie die
innere Gestaltung.
„Der letzte Stern“ beantwortet zwar nicht annähernd alle
Fragen, die der Leser im Laufe der Reihe gesammelt hat, aber er sorgt dennoch
für Klarheit. Und vor allem sorgt er für ein authentisches Ende voller
Selbstaufopferung, Vertrauen und Liebe. Meiner Meinung nach lenkt Rick Yancey
durch diese Reihe unseren Blick wieder auf das Wesentliche, darauf, was uns
Menschen ausmacht. Es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht, diese Reise
anzutreten, auch wenn ich dafür Brutalität in Kauf nehmen musste. Das Buch und
seine Handlung mögen roh erscheinen, aber sie sind so echt verfasst, dass man
mitfühlen muss. Bei mir rief „Der letzte Stern“ die ganz großen Emotionen
hervor und deswegen vergebe ich volle fünf Spitzenschuhe. Das Buch hinterlässt
Fragezeichen, aber auch ein unglaubliches Leseerlebnis.