11. April 2018

Rezension: "Augustus" von John Williams



Titel: Augustus
Autor: John Williams
Verlag: dtv (Büchergilde)
Preis: 12,90€
Seiten: 480


Als Geschichtslehrer sollte man sein Fach lieben. Und idealerweise beschäftigt man sich manchmal auch in seiner Freizeit mit der Vergangenheit. Bei mir ist das oft so und deswegen lese ich ganz gern mal historische Romane mit biografischem Anteil. Eines meiner nächsten Unterrichtsthemen ist „Römer und Germanen“ und zufällig stieß ich auf das Buch „Augustus“ von John Williams. Ich wusste bisher nicht allzu viel über den ersten römischen Kaiser und dachte mir, dass es nicht schaden könnte, „Augustus“ als Nebenlektüre zu meiner Unterrichtsrecherche zu lesen. Und das hat es nicht. Das Werk von John Williams hat mich sogar tief beeindruckt! Und auch wenn der meiste Inhalt lediglich fiktiv ist, ist dieser Briefroman absolut gelungen und sehr spannend! Meine Empfehlung!

Macht, Verrat, Intrigen
Octavius, Großneffe und Adoptivsohn von Julius Caesar, später Kaiser Augustus: Williams schildert das Wirken und Leben dieses außergewöhnlichen Mannes so plastisch, so mitreißend, als würden sich die Geschehnisse in unseren Tagen ereignen. Fiktive Briefe und Notizen, Erinnerungen und Senatsprotokolle lassen die Person eines Herrschers lebendig werden, dem das Schicksal Macht und Reichtum in vorher ungekanntem Ausmaß zuspielte. Aber er, der sich zum Gott erheben ließ, sieht am Ende, von Frau und Tochter entfremdet, dem Tod so ungeschützt entgegen wie jeder Mensch – als das »arme Geschöpf, das er nun einmal ist«.

Ein Roman wie „Augustus“ ist mir bisher noch nicht untergekommen. Ich würde ihn als Briefroman bezeichnen, auch wenn die Erzählform nicht ausschließlich aus Briefen besteht. Wie im Klappentext schon angerissen, wird die Geschichte auch mit Hilfe von Protokollen, Notizen und Tagebucheinträgen erzählt. Die Briefe bilden allerdings den Großteil. Die Verfasser sind absolut verschieden und so lässt Williams viele verschieden sprachliche Varietäten auftreten, was den Stil und die Art des Erzählens sehr authentisch macht. Die Glaubwürdigkeit der Briefe und der Figuren ist wahnsinnig hoch. Und dabei sind die vorkommenden Charaktere sehr vielseitig. Man kann nicht alle allein vom Stil her unterscheiden, aber der Stil ist eben auch immer ein bisschen anders, so dass man Unterschiede bemerkt. Insgesamt verwendet der Autor eine tolle und der Zeit angemessene Sprache. Anfangs muss man sich vielleicht ein wenig daran gewöhnen, doch trotz teilweise schwerer Sprache, kann man das Buch wirklich gut lesen.
Dass mich die Geschichte so gut unterhalten würde, hatte ich nicht gedacht. In ihr haftet eine gewisse Schwere und Ernsthaftigkeit, doch beides muss meiner Meinung nach auch vorhanden sein. John Williams bekommt die Gradwanderung zwischen Historie und Unterhaltung wirklich gut hin!
Ein Punkt störte mich leider von Anfang an, der sich aber kaum vermeiden lässt. Im Vorwort macht Williams darauf aufmerksam, dass der größte Teil des Buches absolut erfunden und somit fiktiv ist. Die meisten auftauchenden Figuren gab es tatsächlich und vieles ist historisch belegt. Doch der Autor hat sich gewisse Freiheiten genommen, wie etwa Charaktere dazu zu dichten, die zeitliche Abfolge historischer Ereignisse ein bisschen zu verdrehen, oder andere Dinge auszusparen oder anders zu begründen. Als Historikerin finde ich das unglaublich schade, da man sich somit auf die Inhalte des Buches nicht verlassen kann. Als Leserin empfand ich diesen Schritt, als genau den richtigen. Durch die kleinen Abänderungen entsteht noch ein wenig mehr Spannung, die Geschichte hat mehr Freiheiten oder mehr Dramatik. Und außerdem kann man bei der Quellenlage manchmal auch denken: Niemand sagt, dass es nicht so war! Man sollte also Fantasie und Vorstellungskraft besitzen, wenn man sich an „Augustus“ wagt und keinesfalls jedes Wort glauben. Ich habe vieles im Nachhinein nochmal nachgelesen. Tatsächlich sind die meisten Sachen sehr viel realistischer, als man anfangs meint. Und der grobe Rahmen stimmt auch. Trotzdem sollte man sich beim Lesen der Fiktion bewusst sein.
Nachdem ich mich damit abgefunden hatte, dass es sich eben um einen Roman und nicht um ein Geschichtebuch handelt, konnte ich in der Geschichte versinken. Sie bietet tolle und vielschichtige Figuren, die man durch die verschiedenen Perspektiven (andere Briefe, andere Autoren) gut kennenlernt. Fasziniert hat mich so zum Beispiel Markus Agrippa und Augustus Tochter Julia. Über beide historische Figuren musste ich danach noch Artikel lesen, da ihre Geschichte so interessant ist.
Das Buch ist sehr klug aufgebaut. Es ist in drei Bücher unterteilt und erst im allerletzten spricht Augustus selbst. Erst die letzten 50 Seiten schreibt der Kaiser über die Dinge und wie er sie wahrgenommen hat. Die vorangegangenen 400 Seiten wird immer nur ÜBER Augustus geschrieben, aber nie mit oder von ihm. Das erste Buch handelt quasi vom Aufstieg des Augustus. Dieser Teil gefiel mir wahnsinnig gut. Er ist militärisch geprägt, aber super interessant. All die Intrigen und der Verrat, die Spiele der Macht, machen den Roman so einzigartig. Das zweite Buch handelt von Augustus Herrschaft und wird zum größten Teil durch Tagebucheinträge von seiner Tochter Julia erzählt. Hier geht es etwas ruhiger, aber immer noch genauso intrigant zu. Die Entwicklung der Geschichte nimmt einen wirklich mit. Fasziniert war ich übrigens auch davon, was John Williams für ein Händchen für seine weibliche Heldin hat. Der Stil ist tatsächlich sehr feminin an Julias Stellen und diese Frau wird unglaublich faszinierend. Ob mir Buch eins oder zwei besser gefallen hat, kann ich am Ende gar nicht sagen. Sagen kann ich allerdings, dass Buch drei ein wenig langsamer wird. Die Spannung wird weniger, denn Augustus befindet sich kurz vor seinem Tod. Aber auch der „Fall“ war sehr interessant. Insgesamt ist „Augustus“ zwar keine leichte Lektüre, aber eine ziemlich unterhaltsame.
Etwas schwer ist es übrigens, sich immer zu merken, wer wer ist. Hinten im Buch gibt es deswegen auch ein „Who is who“, in dem manche Figuren aufgelistet sind – allerdings auch nicht alle. Manche Figuren sind historisch, manche nicht. Hier den Überblick zu behalten ist nicht immer leicht, aber machbar.


Insgesamt hat „Augustus“ mich umgehauen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass das Buch so gut ist. Trotz historischem Thema ist der Roman super spannend und sehr authentisch. Auch wenn viele Dinge fiktiv sind und jeder Brief lediglich vom Autor geschrieben wurde, fügt sich jeder einzelne in einen tollen Erzählstrang. Man lernt viel über die Zeit des Kaisers Augustus, ohne je irgendeine scharfe Information über ihn selbst zu erhalten. Er bleibt auch nach dem Lesen des Romans ein Mysterium, aber durch das Buch ist meine Neugier geweckt. Ich vergebe fünf von fünf Spitzenschuhen für diesen historischen Briefroman.



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