Titel: Augustus
Autor: John Williams
Verlag: dtv (Büchergilde)
Preis: 12,90€
Seiten: 480
Als Geschichtslehrer sollte man sein Fach lieben. Und
idealerweise beschäftigt man sich manchmal auch in seiner Freizeit mit der
Vergangenheit. Bei mir ist das oft so und deswegen lese ich ganz gern mal
historische Romane mit biografischem Anteil. Eines meiner nächsten
Unterrichtsthemen ist „Römer und Germanen“ und zufällig stieß ich auf das Buch „Augustus“
von John Williams. Ich wusste bisher nicht allzu viel über den ersten römischen
Kaiser und dachte mir, dass es nicht schaden könnte, „Augustus“ als
Nebenlektüre zu meiner Unterrichtsrecherche zu lesen. Und das hat es nicht. Das
Werk von John Williams hat mich sogar tief beeindruckt! Und auch wenn der meiste
Inhalt lediglich fiktiv ist, ist dieser Briefroman absolut gelungen und sehr
spannend! Meine Empfehlung!
Macht, Verrat, Intrigen
Octavius, Großneffe und Adoptivsohn von Julius Caesar,
später Kaiser Augustus: Williams schildert das Wirken und Leben dieses
außergewöhnlichen Mannes so plastisch, so mitreißend, als würden sich die
Geschehnisse in unseren Tagen ereignen. Fiktive Briefe und Notizen,
Erinnerungen und Senatsprotokolle lassen die Person eines Herrschers lebendig
werden, dem das Schicksal Macht und Reichtum in vorher ungekanntem Ausmaß
zuspielte. Aber er, der sich zum Gott erheben ließ, sieht am Ende, von Frau und
Tochter entfremdet, dem Tod so ungeschützt entgegen wie jeder Mensch – als das
»arme Geschöpf, das er nun einmal ist«.
Ein Roman wie „Augustus“ ist mir bisher noch nicht
untergekommen. Ich würde ihn als Briefroman bezeichnen, auch wenn die Erzählform
nicht ausschließlich aus Briefen besteht. Wie im Klappentext schon angerissen,
wird die Geschichte auch mit Hilfe von Protokollen, Notizen und
Tagebucheinträgen erzählt. Die Briefe bilden allerdings den Großteil. Die
Verfasser sind absolut verschieden und so lässt Williams viele verschieden
sprachliche Varietäten auftreten, was den Stil und die Art des Erzählens sehr authentisch
macht. Die Glaubwürdigkeit der Briefe und der Figuren ist wahnsinnig hoch. Und
dabei sind die vorkommenden Charaktere sehr vielseitig. Man kann nicht alle
allein vom Stil her unterscheiden, aber der Stil ist eben auch immer ein
bisschen anders, so dass man Unterschiede bemerkt. Insgesamt verwendet der
Autor eine tolle und der Zeit angemessene Sprache. Anfangs muss man sich
vielleicht ein wenig daran gewöhnen, doch trotz teilweise schwerer Sprache,
kann man das Buch wirklich gut lesen.
Dass mich die Geschichte so gut unterhalten würde, hatte ich nicht gedacht. In
ihr haftet eine gewisse Schwere und Ernsthaftigkeit, doch beides muss meiner
Meinung nach auch vorhanden sein. John Williams bekommt die Gradwanderung
zwischen Historie und Unterhaltung wirklich gut hin!
Ein Punkt störte mich leider von Anfang an, der sich aber kaum vermeiden lässt.
Im Vorwort macht Williams darauf aufmerksam, dass der größte Teil des Buches
absolut erfunden und somit fiktiv ist. Die meisten auftauchenden Figuren gab es
tatsächlich und vieles ist historisch belegt. Doch der Autor hat sich gewisse
Freiheiten genommen, wie etwa Charaktere dazu zu dichten, die zeitliche Abfolge
historischer Ereignisse ein bisschen zu verdrehen, oder andere Dinge
auszusparen oder anders zu begründen. Als Historikerin finde ich das
unglaublich schade, da man sich somit auf die Inhalte des Buches nicht
verlassen kann. Als Leserin empfand ich diesen Schritt, als genau den
richtigen. Durch die kleinen Abänderungen entsteht noch ein wenig mehr
Spannung, die Geschichte hat mehr Freiheiten oder mehr Dramatik. Und außerdem
kann man bei der Quellenlage manchmal auch denken: Niemand sagt, dass es nicht
so war! Man sollte also Fantasie und Vorstellungskraft besitzen, wenn man sich
an „Augustus“ wagt und keinesfalls jedes Wort glauben. Ich habe vieles im
Nachhinein nochmal nachgelesen. Tatsächlich sind die meisten Sachen sehr viel
realistischer, als man anfangs meint. Und der grobe Rahmen stimmt auch.
Trotzdem sollte man sich beim Lesen der Fiktion bewusst sein.
Nachdem ich mich damit abgefunden hatte, dass es sich eben um einen Roman und
nicht um ein Geschichtebuch handelt, konnte ich in der Geschichte versinken.
Sie bietet tolle und vielschichtige Figuren, die man durch die verschiedenen
Perspektiven (andere Briefe, andere Autoren) gut kennenlernt. Fasziniert hat
mich so zum Beispiel Markus Agrippa und Augustus Tochter Julia. Über beide
historische Figuren musste ich danach noch Artikel lesen, da ihre Geschichte so
interessant ist.
Das Buch ist sehr klug aufgebaut. Es ist in drei Bücher unterteilt und erst im
allerletzten spricht Augustus selbst. Erst die letzten 50 Seiten schreibt der
Kaiser über die Dinge und wie er sie wahrgenommen hat. Die vorangegangenen 400
Seiten wird immer nur ÜBER Augustus geschrieben, aber nie mit oder von ihm. Das
erste Buch handelt quasi vom Aufstieg des Augustus. Dieser Teil gefiel mir
wahnsinnig gut. Er ist militärisch geprägt, aber super interessant. All die
Intrigen und der Verrat, die Spiele der Macht, machen den Roman so einzigartig.
Das zweite Buch handelt von Augustus Herrschaft und wird zum größten Teil durch
Tagebucheinträge von seiner Tochter Julia erzählt. Hier geht es etwas ruhiger,
aber immer noch genauso intrigant zu. Die Entwicklung der Geschichte nimmt
einen wirklich mit. Fasziniert war ich übrigens auch davon, was John Williams
für ein Händchen für seine weibliche Heldin hat. Der Stil ist tatsächlich sehr
feminin an Julias Stellen und diese Frau wird unglaublich faszinierend. Ob mir
Buch eins oder zwei besser gefallen hat, kann ich am Ende gar nicht sagen.
Sagen kann ich allerdings, dass Buch drei ein wenig langsamer wird. Die
Spannung wird weniger, denn Augustus befindet sich kurz vor seinem Tod. Aber
auch der „Fall“ war sehr interessant. Insgesamt ist „Augustus“ zwar keine
leichte Lektüre, aber eine ziemlich unterhaltsame.
Etwas schwer ist es übrigens, sich immer zu merken, wer wer ist. Hinten im Buch
gibt es deswegen auch ein „Who is who“, in dem manche Figuren aufgelistet sind –
allerdings auch nicht alle. Manche Figuren sind historisch, manche nicht. Hier
den Überblick zu behalten ist nicht immer leicht, aber machbar.
Insgesamt hat „Augustus“ mich umgehauen. Ich hatte nicht
damit gerechnet, dass das Buch so gut ist. Trotz historischem Thema ist der
Roman super spannend und sehr authentisch. Auch wenn viele Dinge fiktiv sind
und jeder Brief lediglich vom Autor geschrieben wurde, fügt sich jeder einzelne
in einen tollen Erzählstrang. Man lernt viel über die Zeit des Kaisers
Augustus, ohne je irgendeine scharfe Information über ihn selbst zu erhalten.
Er bleibt auch nach dem Lesen des Romans ein Mysterium, aber durch das Buch ist
meine Neugier geweckt. Ich vergebe fünf von fünf Spitzenschuhen für diesen
historischen Briefroman.
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