Titel: Die Grimm-Chroniken: Der schlafende Tod
Autor: Maya Shepherd
Verlag: Sternensand Verlag
Preis: 8,95€
Seiten: 132
Mehrteilige Reihen sind für mich als Leser immer ein
zweischneidiges Schwert. Natürlich überwiegen die Freude und das Gefühl, dass
man länger Teil einer geliebten Welt sein darf. Aber diese Warterei… Viele
warten ja einfach ab, bis eine Reihe vollständig erschienen ist, bevor sie
diese starten. Aber wie sollte das bei den „Grimm-Chroniken“, aus der Feder von
Maya Shepherd, möglich sein? Die Märchenreihe ist auf viele, kürzere Folgen konzipiert,
dessen Anzahl bis heute noch nicht feststeht. Jede Folge der Grimm-Chroniken
lässt sich in wenigen Stunden durchlesen. In dieser Zeit taucht man in eine
neue Märchenwelt ein, die mit vielen innovativen Handlungselementen glänzt. Und
man kommt nicht mehr von ihr los. Wie es sich bei einer guten Serie gehört,
will man immer die nächste Folge sehen – oder hier, lesen. „Der schlafende Tod“
ist die dritte Folge rund um Will, Schneewittchen, Maggie, Mary und Dorian.
Neue Handlungsfäden entstehen, neue Märchen werden eingebunden, neue Welten
entdeckt. Und schwupps…ist es auch schon wieder vorbei. Die nächste Folge
bitte!
Goldenes Sonnenlicht fiel durch die Scheiben direkt auf den
Glassarg, in dem ein Mädchen schlief. Schwarzes glattes Haar lag ihr über die
schmalen Schultern und reichte bis zu ihren Brüsten. Es glänzte seidig, als
wäre es gerade erst gebürstet worden. Lange dunkle Wimpern umrahmten ihre
geschlossenen Augen. Sie trug ein blütenreines weißes Kleid aus zarter Spitze.
Wie sie dort lag, wirkte sie vollkommen friedlich, so als könne sie keiner Menschenseele
etwas zuleide tun.
Es herrschte eine andächtige Stille, die von Rumpelstein zerbrochen wurde.
»Töte sie, Wilhelm«, forderte er mit kalter Härte. »Bohre ihr einen Pflock ins
Herz. Nur so können wir sicher sein, dass sie wirklich tot ist.«
Bei langen Reihen wird eine Rezension mit der Zeit immer
schwerer. Ein dritter Teil ist keinesfalls das Maximum, doch es fällt mir
relativ schwer etwas zu „Der schlafende Tod“ zu sagen. Was könnte ich
schreiben, dass ich über die „Grimm-Chroniken“ nicht schon gesagt habe? Ich
werde nicht müde zu betonen, dass ich die Idee von Maya Shepherd einfach
grandios finde. Eine Buchreihe, an eine Serie angelehnt, in der mit all den „Lügen“
der Gebrüder Grimm aufgeräumt wird. Alle Märchen in ein großes Ganzes zu
verpacken ist eine tolle Idee, die ich sehr bewundere und die beim Lesen super
viel Spaß macht!
Durch die gegebene Kürze der Bücher, die immer um die 120 Seiten lang sind,
dauert die Charakterentwicklung ein wenig. Doch die Figuren werden in der
dritten Folge tiefschichtiger, man erfährt mehr über den tapferen Will, der
noch so viele Geheimnisse lüften muss und auch über das schöne, schlafende
Vampirmädchen, namens Schneewittchen. Schneewittchen tritt in „Der schlafende
Tod“ als größerer Charakter zu Tage, was mir sehr gefiel. Man erfährt mehr über
sie und über ihre gesamte Familie. Und trotzdem bleiben noch so viele
unbeantwortete Fragen, die durch die zeitlichen Abstände entstehen.
Das Buch
wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, die alle zu einer anderen Zeit
stattfinden. Einer der größten Handlungsstränge ist die Gegenwart – hier 2012 –
in der Will, Joe und Maggie die Mission bekommen, Schneewittchen aufzuhalten.
Ich mag dieses Dreiergespann sehr, auch wenn es in dieser Folge keine allzu
große Rolle spielt. Joe ist witzig, verbirgt aber noch einige Charakterzüge.
Maggie ist ein herzliches und lebensfrohes Mädchen, die man gern zur Freundin
hätte. Mit der vordergründigen Position von Schneewittchen tritt Maggie
allerdings ein wenig in den Hintergrund. Denn Will muss in Schneewittchens
Traum und dort ist er auf sich allein gestellt. Will ist ein Charakter mit viel
Potenzial und ich bin auf sein „wahres Ich“ sehr gespannt, von dem immer wieder
angedeutet wird, dass es wichtig für die Geschichte ist. Was verbirgt Wills
Vergangenheit? Der Junge ist mutig und willensstark und ich bin auf seine Rolle
sehr gespannt. Sie wird wichtig sein, so viel ist klar. Schneewittchen und Mary
sind weiterhin schwer einschätzbare Charaktere. Schneewittchen lernt man in
ihrem Traum kennen, der Anfang des 19. Jahrhunderts spielt. Und dann wäre da der
wichtige Handlungsstrang im 16. Jahrhundert, der von der großen Protagonistin
und Ich-Erzählerin Mary erzählt wird. Als Leser bekommt man mindestens drei
Versionen der Königin geliefert. Das unschuldige, wunderschöne und verliebte
Mädchen; die liebende Mutter; und die böse Königin. Was geschieht zwischen den
einzelnen Stadien? Was passiert in all den Jahrhunderten, die unausgefüllt
sind? Eins ist klar: Maya Shepherd muss noch eine ganze Menge erklären, doch
dafür hat sie ja noch weitere Folgen Zeit.
Mit jedem Buch wird die Spannung größer, die Fragen zahlreicher, die Figuren
herzerwärmender. Man möchte wissen, wie sich das Gesamtkonzept erschließen wird
und was wohl alles in der Märchenwelt passiert ist. Welche Rolle wird Will
spielen? Wer ist gut oder böse? Und ist das Böse wirklich eine Ansichtssache?
Die Märchenelemente sind wieder sehr gut mit modernen Ideen gepaart. Derzeit
sind noch nicht allzu viele Märchen eingearbeitet, „Die kleine Meerjungfrau“
und „Blaubart“ scheinen aber demnächst eine Rolle zu spielen. „Schneewittchen“
ist in „Der schlafende Tod“ noch sehr zentral, doch ich bin sicher, dass die
Reihe bald erweitert wird. Und darauf freue ich mich.
Der Stil von der Autorin ist wieder sehr gut. Der Prolog zu Beginn gefiel mir
sprachlich wirklich gar nicht, aber wie soll man all die Geschehnisse auch
sinnvoll zusammenfassen, ohne 100 Seiten zu schreiben?! Danach wurde es
sprachlich wieder toll, märchenhaft und spannend. Das Buch ist wie seine
Vorgänger auch, sehr gut aufgemacht und mit liebevollen Details versehen. Das
Cover gefällt mir bei dieser Folge tatsächlich nicht so gut, allerdings passt
es trotzdem sehr gut zum Inhalt der Folge.
Viel Spannung, viel Rätselhaftes und tolle Figuren, die sich
in verschiedenen Zeiten durch die Märchenwelt kämpfen: so bildet sich das
reinste Lesevergüngen! Das gesamte Konzept der „Grimm-Chroniken“ ist und bleibt
atemberaubend und ich will jetzt schon die nächsten 10 Folgen haben. „Der
schlafende Tod“ macht da weiter, wo sein Vorgänger aufgehört hat und übertrifft
diesen. Mir sind die Folgen einfach viel zu kurz, weshalb ich nur 4,5
Spitzenschuhe vergebe. Und ich hebe mir das Maximum für die nächsten Folgen auf
– denn das wird kommen.
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