Titel: Pro & Contra - Mein Licht in deiner Dunkelheit
Autor: Sabine Schulter
Verlag: Impress
Preis: 3,99€
Seiten: 431
Ich liebe außergewöhnliche Buchtitel. Es gibt jene, unter
denen man sich nicht viel vorstellen kann, Neologismen oder andere Eigennamen.
Dann gibt es die Allerweltsnamen, die dem Leser noch weniger sagen. Aber dann
gibt es auch die besonderen Namen. Diese wecken Neugier und Aufmerksamkeit und
sind gleichzeitig so verständlich, dass man sich auch mit Blick auf das Cover
etwas vorstellen kann. Einer dieser besonderen Titel ist in meinen Augen Sabine
Schulters neuer Einzelband „Pro & Contra – Mein Licht in deiner
Dunkelheit“. Das Cover ist ein einziger Traum. Die Farben kommen gut zur
Geltung und passen sehr gut zum Kontext der Geschichte. Auch die abgebildeten
Figuren, die Lampe und die Blitze passen perfekt! Selbst wenn man ohne den
Klappentext noch keine Ahnung von der unheimlich guten und spannenden
Geschichte hat, die sich hinter der Titelseite verbirgt, sorgen Titel und Cover schon für
Aufsehen. Aber ich kann versprechen, dass auch das Innere des Buches nicht
enttäuscht. Ihr habt Lust auf eine Geschichte voller Familiarität, Liebe und
Freundschaft? Voll innovativer und spannender Ideen? Und das alles noch an
außergewöhnlichen Orten? Dann seid ihr bei dieser Dystopie definitiv richtig!
Ich weiß kein Argument gegen das Lesen des Buches, aber da wären einige auf der
Pro-Seite!
Summer ist eine Pro. Ihre Zellen produzieren von Natur aus
Elektrizität – ein knappes Gut, seit ein Sonnensturm die Erde getroffen hat und
die Menschen keinen Strom mehr herstellen können. Um Summers kostbare Quelle
nutzbar zu machen, braucht es ein Gegenstück, einen Contra. Als sie zufällig
Kayden begegnet, weiß sie: Dies ist der Moment, vor dem sie sich ihr Leben lang
gefürchtet hat. Denn sobald ihre Verbindung offenbar wird, bedeutet das für sie
beide ein Leben als Ausgebeutete. Für Summer und Kayden beginnt eine atemlose
Flucht vor der Unterjochung und ein leidenschaftlicher Kampf um
Selbstbestimmung.
Zuallererst will ich es nicht versäumen, die ganz
offensichtlichen Vorzüge von „Pro & Contra“ zu benennen. Punkt eins: Es
handelt sich um einen Einzelband! Jippieh! In meinen Augen gibt es diese im
Jugendbuchgenre einfach viel zu selten. Sicher, auch diese Geschichte birgt
Potenzial für weitere Teile, aber die Autorin hat sich bewusst dagegen
entschieden, was ich absolut befürworte. Denn auch, wenn ich Kayden und Summer
ungern gehen lasse, so konnte ich mich so viel besser in der Idee fallen
lassen! Und man muss nicht mehr Jahre auf den zweiten Teil warten.
Punkt zwei: Es ist eine wahnsinnig gelungene Dystopie mit einem Ansatz, den ich
so noch nie gelesen habe. Es geht um Elektrizität und stellt eine Welt vor, die
auf genau diese verzichten musste. Doch die Menschen haben einen Weg gefunden,
erneut Strom zu erschaffen und zwar mithilfe von Menschen, dessen Genmaterial
mutiert ist. Es gibt zwei Fraktionen, die man zum Herstellen von Elektrizität
benötigt, nämlich einen Pro und einen Contra. Einleuchtend, dass jene Menschen
zur Zielscheibe der Regierung werden. Es ist ja zum Wohle der Allgemeinheit.
Ihr könnt euch denken, dass dieser Grundstein für eine Dystopie mehr als
geeignet ist.
Diese beiden Punkte sind absolut offensichtlich. Aber glücklicherweise geht es
mit positiven Dingen weiter. Es ist kein Geheimnis, dass ich die Bücher von
Sabine Schulter sehr gern lese. Ich finde, dass die Autorin umwerfende Ideen
hat und ihr Stil sich in den letzten Jahren stark verbesserte. Das zeigte mir
auch dieses Buch wieder, aber dazu später. Die Werte, die die Autorin in ihre
Bücher einfließen lässt, sind zumeist gleich. Aber sie alle sind so wichtig,
dass ich nie genug davon lesen könnte. Die berühmte familiäre Verbundenheit,
die man schnell mit den Charakteren von Sabine Schulter empfindet, stellt sich
auch hier sofort ein! Liebe, Freundschaft und Zusammenhalt sind wichtige
Aspekte der Geschichte. Es gibt einige Charaktere, doch man fühlt sich in ihrer
Mitte sehr wohl! Mir gefällt das Wertekonstrukt sehr und man hat immer ein
Gefühl des „nach Hause Kommens“. Inmitten der vielen Figuren stehen die beiden
Protagonisten Kayden und Summer. Der Einstieg in die Geschichte gelingt überaus
gut und unmittelbar. Zuerst lernt der Leser Kayden kennen, der ein wenig
rebellisch, aber gleichzeitig loyal und vernünftig ist. Er ist ein wenig
düster, aber irgendwie auch ganz niedlich und vor allem sarkastisch. Ich habe
seine Erzählteile sogar lieber gelesen, als die von Summer. Er macht sich als
Protagonist mehr als gut und hat auch seine Schwächen. Nachdem man Kayden auf
einem Straßenfest kennen gelernt hat, tritt Summer auf eben diesem auf den
Plan. Summer ist zierlich und abgesehen von ihrer Gabe absolut normal. Mit
dieser Protagonistin hat Sabine Schulter mir wirklich einen riesigen Gefallen
getan. Denn ich habe gern an der Perfektheit ihrer weiblichen Protagonistinnen
rumgemeckert – und das durchaus zurecht. Aber Summer ist nicht einen Deut
perfekt. Sie ist bodenständig und ein bisschen ängstlich. Sie ist keine
Schönheit, aber durchaus intelligent. Es gibt eine Stelle, an der sie über sich
selbst Folgendes sagt:
„Ich wollte meine Freiheit bewahren, trug dazu aber nicht wirklich etwas bei, außer zickig, explosiv und weinerlich zu sein. Es gab so viele Menschen, die mehr für meine Wünsche taten als ich selbst, was mir langsam immer egoistischer vorkam.“ (33%)
Ich musste mir diese Passage einfach markieren, weil ich
total stolz darauf war, keine typische Jugendbuchprotagonistin vor mir zu
haben, sondern eine junge Frau, die sich zu reflektieren weiß. Wenn auch ein
kleines bisschen spät. Summer ist ein guter Gegenpart zum impulsiven Kayden und
die beiden ergänzen sich hervorragend. Deswegen ist auch die gewählte
Schreibweise sehr passend. Die Kapitel unterteilen sich immer in zwei Teile.
Einen erzählt Kayden, den anderen Summer, in welcher Reihenfolge ist dabei
variabel. Besonders gelungen ist dabei der Unterschied zwischen den beiden
Hauptfiguren. Kayden erzählt sehr viel impulsiver und auch wertender als
Summer. In seinen Passagen werden auch etwas derbere, manchmal lustigere
Ausdrücke verwendet. Hier ein Beispiel:
„Dreh es einmal, damit aktivierst du es“, teilte mir Elliot mit, während ich Isaac leise lachen hören konnte. Der Kasper amüsierte sich offenbar prächtig und genoss es wahrscheinlich, mich an meiner Belastungsgrenze zu wissen.“ (54%)
Kayden ist relativ leicht zu provozieren, was ein
deutlicher, aber amüsanter Makel ist. Ich mochte den jungen Mann auf Anhieb!
Die beiden Protagonisten unterscheiden sich zwar in vielen Punkten, dennoch
gleichen sie sich in den wichtigen Details. Sie kämpfen beide für Freiheit und
Gerechtigkeit. Und natürlich kommen sie nicht umhin, sich ineinander zu
verlieben. Diese Entdeckung fand ich übrigens sehr niedlich verschriftlicht.
Mir gefiel die Liebesgeschichte wirklich gut!
Noch besser fand ich aber das Figurenkonstrukt. Summer und Kayden sind in
relativ gleichen Sozialformen aufgewachsen und deswegen haben sowohl Summer,
als auch Kayden ihre eigenen Leute um sich geschart, was eine große Gruppe am
Ende ergibt. Elliot ist Summers bester Freund, Glenn ihr Beschützer. Beide
Männer spielen eine große Rolle in ihrem Leben, aber auch Kalou gehört dazu. In
Kaydens Leben hat eine gewisse Schmugglerbande das Sagen, die aber vor
allem liebenswert ist. Ich mochte Thor und Susann, aber vor allem Isaac sorgt
für Humor im Buch. Die große Gruppe hat sich der Befreiung der Strompaare
verschrieben, doch dieses gefährliche Unternehmen geht nicht ohne Verluste von
statten. So ist auch Emotionalität garantiert, neben all der Spannung, die die
Geschichte bietet.
Für mich hat „Pro & Contra“ eine gewisse Grundspannung. Vor allem der
Anfang hat mich wahnsinnig gefesselt. In der Mitte wurde es dann deutlich
ruhiger, aber am Ende passierte sehr viel Rasantes. Die Spannungskurve gelingt
gut, aber sie geht nicht immer steil nach oben.
Zum Schreibstil lässt sich noch hinzufügen, dass er sehr flüssig und
bildgewaltig ist. Sabine Schulter erschafft durch ihre kreativen Handlungsorte
eine großartige Atmosphäre. Sie hat in all ihren Büchern den Kontrast zwischen
Höhe und Tiefe untergebracht und deswegen befinden sich auch Summer und Kayden
mal hoch über der Stadt und mal unter ihren Straßen. Mir gefällt dieser
Kontrast sehr und die „verborgene Stadt“ hat wirklich etwas Besonderes. Die
Autorin weiß auf jeden Fall zu erzählen und steckt viel Liebe in ihre Figuren,
die auch deswegen so lebendig und real werden.
Der Titel lässt es schon erahnen: Hier geht es um Emotionen.
„Mein Licht in deiner Dunkelheit“ deutet tief verborgene Probleme an, die nur
durch Zusammenhalt gelöst werden können. Und Zusammenhalt ist definitiv eine
der wichtigsten Stärken des Buches. Direkt dahinter lassen sich weitere Werte
wie Familie, Freundschaft und Liebe finden. Sabine Schulter hat mit „Pro &
Contra“ eine interessante und innovative Dystopie erschaffen, die vor allem
durch ihre Charaktere glänzt! Summer und Kayden sind so verschieden und kämpfen
doch für die gleiche Sache. Abenteuer, Emotionen und ein Kampf auf Leben und Tod
lassen sich in dieser spannenden Geschichte finden. Ich vergebe also 5 von 5
Sternen und freue mich über diesen so gelungenen Einzelband!
Hallo Julia
AntwortenLöschenIch weiss nicht wieso, aber hinter dem Cover hätte ich auf Anhieb irgendwie keine Dystopie erwartet - deshalb wurde ich positiv überrascht. Dystopien gehören nach wie vor zu einem meiner Lieblingsgenres ♥
Von dem Buch habe ich zuvor noch nie etwas gehört, aber ich stimme dir zu: Die Idee mit der Elektrizität ist wirklich sehr innovativ und etwas einzigartiges, das ich bisher auch noch in keinem anderen, ähnlichen Buch gelesen habe. (Ich meine mich aber zu erinnern, dass ich mal eine Dystopie über Menschen gelesen habe, die Blitze kontrollieren können. Aber das ist ja nicht genau das gleiche :D)
Positiv finde ich auch, dass du die Erwähnung eines Einzelbandes hervorgehoben hast. Ich lese ja gerne Reihen, aber mein to-read Stapel steigt damit einfach immer ins unermessliche, wenn ich schon wieder einen Reihenauftakt lese und alle Fortsetzungen dann auf meiner Wunschliste landen.
Die Charakterisierung klingt ebenfalls überzeugend. Ich mag ja allzu perfekte "Mary Sue" Charaktere auch nicht, deshalb freut es mich, dass das hier nicht der Fall ist.
Mit deiner Rezension hast du mich sehr neugierig gemacht und das Buch landet umgehend auf meiner Wunschliste :) Danke für den tollen Lesetipp!
Liebe Grüsse und einen schönen Sonntagabend
paperlove ♥