19. November 2018

Rezension: "Pro & Contra - Mein Licht in deiner Dunkelheit" von Sabine Schulter



Titel: Pro & Contra - Mein Licht in deiner Dunkelheit
Autor: Sabine Schulter
Verlag: Impress
Preis: 3,99€
Seiten: 431

Ich liebe außergewöhnliche Buchtitel. Es gibt jene, unter denen man sich nicht viel vorstellen kann, Neologismen oder andere Eigennamen. Dann gibt es die Allerweltsnamen, die dem Leser noch weniger sagen. Aber dann gibt es auch die besonderen Namen. Diese wecken Neugier und Aufmerksamkeit und sind gleichzeitig so verständlich, dass man sich auch mit Blick auf das Cover etwas vorstellen kann. Einer dieser besonderen Titel ist in meinen Augen Sabine Schulters neuer Einzelband „Pro & Contra – Mein Licht in deiner Dunkelheit“. Das Cover ist ein einziger Traum. Die Farben kommen gut zur Geltung und passen sehr gut zum Kontext der Geschichte. Auch die abgebildeten Figuren, die Lampe und die Blitze passen perfekt! Selbst wenn man ohne den Klappentext noch keine Ahnung von der unheimlich guten und spannenden Geschichte hat, die sich hinter der Titelseite verbirgt, sorgen Titel und Cover schon für Aufsehen. Aber ich kann versprechen, dass auch das Innere des Buches nicht enttäuscht. Ihr habt Lust auf eine Geschichte voller Familiarität, Liebe und Freundschaft? Voll innovativer und spannender Ideen? Und das alles noch an außergewöhnlichen Orten? Dann seid ihr bei dieser Dystopie definitiv richtig! Ich weiß kein Argument gegen das Lesen des Buches, aber da wären einige auf der Pro-Seite!

Summer ist eine Pro. Ihre Zellen produzieren von Natur aus Elektrizität – ein knappes Gut, seit ein Sonnensturm die Erde getroffen hat und die Menschen keinen Strom mehr herstellen können. Um Summers kostbare Quelle nutzbar zu machen, braucht es ein Gegenstück, einen Contra. Als sie zufällig Kayden begegnet, weiß sie: Dies ist der Moment, vor dem sie sich ihr Leben lang gefürchtet hat. Denn sobald ihre Verbindung offenbar wird, bedeutet das für sie beide ein Leben als Ausgebeutete. Für Summer und Kayden beginnt eine atemlose Flucht vor der Unterjochung und ein leidenschaftlicher Kampf um Selbstbestimmung.

Zuallererst will ich es nicht versäumen, die ganz offensichtlichen Vorzüge von „Pro & Contra“ zu benennen. Punkt eins: Es handelt sich um einen Einzelband! Jippieh! In meinen Augen gibt es diese im Jugendbuchgenre einfach viel zu selten. Sicher, auch diese Geschichte birgt Potenzial für weitere Teile, aber die Autorin hat sich bewusst dagegen entschieden, was ich absolut befürworte. Denn auch, wenn ich Kayden und Summer ungern gehen lasse, so konnte ich mich so viel besser in der Idee fallen lassen! Und man muss nicht mehr Jahre auf den zweiten Teil warten.
Punkt zwei: Es ist eine wahnsinnig gelungene Dystopie mit einem Ansatz, den ich so noch nie gelesen habe. Es geht um Elektrizität und stellt eine Welt vor, die auf genau diese verzichten musste. Doch die Menschen haben einen Weg gefunden, erneut Strom zu erschaffen und zwar mithilfe von Menschen, dessen Genmaterial mutiert ist. Es gibt zwei Fraktionen, die man zum Herstellen von Elektrizität benötigt, nämlich einen Pro und einen Contra. Einleuchtend, dass jene Menschen zur Zielscheibe der Regierung werden. Es ist ja zum Wohle der Allgemeinheit. Ihr könnt euch denken, dass dieser Grundstein für eine Dystopie mehr als geeignet ist.
Diese beiden Punkte sind absolut offensichtlich. Aber glücklicherweise geht es mit positiven Dingen weiter. Es ist kein Geheimnis, dass ich die Bücher von Sabine Schulter sehr gern lese. Ich finde, dass die Autorin umwerfende Ideen hat und ihr Stil sich in den letzten Jahren stark verbesserte. Das zeigte mir auch dieses Buch wieder, aber dazu später. Die Werte, die die Autorin in ihre Bücher einfließen lässt, sind zumeist gleich. Aber sie alle sind so wichtig, dass ich nie genug davon lesen könnte. Die berühmte familiäre Verbundenheit, die man schnell mit den Charakteren von Sabine Schulter empfindet, stellt sich auch hier sofort ein! Liebe, Freundschaft und Zusammenhalt sind wichtige Aspekte der Geschichte. Es gibt einige Charaktere, doch man fühlt sich in ihrer Mitte sehr wohl! Mir gefällt das Wertekonstrukt sehr und man hat immer ein Gefühl des „nach Hause Kommens“. Inmitten der vielen Figuren stehen die beiden Protagonisten Kayden und Summer. Der Einstieg in die Geschichte gelingt überaus gut und unmittelbar. Zuerst lernt der Leser Kayden kennen, der ein wenig rebellisch, aber gleichzeitig loyal und vernünftig ist. Er ist ein wenig düster, aber irgendwie auch ganz niedlich und vor allem sarkastisch. Ich habe seine Erzählteile sogar lieber gelesen, als die von Summer. Er macht sich als Protagonist mehr als gut und hat auch seine Schwächen. Nachdem man Kayden auf einem Straßenfest kennen gelernt hat, tritt Summer auf eben diesem auf den Plan. Summer ist zierlich und abgesehen von ihrer Gabe absolut normal. Mit dieser Protagonistin hat Sabine Schulter mir wirklich einen riesigen Gefallen getan. Denn ich habe gern an der Perfektheit ihrer weiblichen Protagonistinnen rumgemeckert – und das durchaus zurecht. Aber Summer ist nicht einen Deut perfekt. Sie ist bodenständig und ein bisschen ängstlich. Sie ist keine Schönheit, aber durchaus intelligent. Es gibt eine Stelle, an der sie über sich selbst Folgendes sagt:

„Ich wollte meine Freiheit bewahren, trug dazu aber nicht wirklich etwas bei, außer zickig, explosiv und weinerlich zu sein. Es gab so viele Menschen, die mehr für meine Wünsche taten als ich selbst, was mir langsam immer egoistischer vorkam.“ (33%)
Ich musste mir diese Passage einfach markieren, weil ich total stolz darauf war, keine typische Jugendbuchprotagonistin vor mir zu haben, sondern eine junge Frau, die sich zu reflektieren weiß. Wenn auch ein kleines bisschen spät. Summer ist ein guter Gegenpart zum impulsiven Kayden und die beiden ergänzen sich hervorragend. Deswegen ist auch die gewählte Schreibweise sehr passend. Die Kapitel unterteilen sich immer in zwei Teile. Einen erzählt Kayden, den anderen Summer, in welcher Reihenfolge ist dabei variabel. Besonders gelungen ist dabei der Unterschied zwischen den beiden Hauptfiguren. Kayden erzählt sehr viel impulsiver und auch wertender als Summer. In seinen Passagen werden auch etwas derbere, manchmal lustigere Ausdrücke verwendet. Hier ein Beispiel:
„Dreh es einmal, damit aktivierst du es“, teilte mir Elliot mit, während ich Isaac leise lachen hören konnte. Der Kasper amüsierte sich offenbar prächtig und genoss es wahrscheinlich, mich an meiner Belastungsgrenze zu wissen.“ (54%)
Kayden ist relativ leicht zu provozieren, was ein deutlicher, aber amüsanter Makel ist. Ich mochte den jungen Mann auf Anhieb! Die beiden Protagonisten unterscheiden sich zwar in vielen Punkten, dennoch gleichen sie sich in den wichtigen Details. Sie kämpfen beide für Freiheit und Gerechtigkeit. Und natürlich kommen sie nicht umhin, sich ineinander zu verlieben. Diese Entdeckung fand ich übrigens sehr niedlich verschriftlicht. Mir gefiel die Liebesgeschichte wirklich gut!
Noch besser fand ich aber das Figurenkonstrukt. Summer und Kayden sind in relativ gleichen Sozialformen aufgewachsen und deswegen haben sowohl Summer, als auch Kayden ihre eigenen Leute um sich geschart, was eine große Gruppe am Ende ergibt. Elliot ist Summers bester Freund, Glenn ihr Beschützer. Beide Männer spielen eine große Rolle in ihrem Leben, aber auch Kalou gehört dazu. In Kaydens Leben hat eine gewisse Schmugglerbande das Sagen, die aber vor allem liebenswert ist. Ich mochte Thor und Susann, aber vor allem Isaac sorgt für Humor im Buch. Die große Gruppe hat sich der Befreiung der Strompaare verschrieben, doch dieses gefährliche Unternehmen geht nicht ohne Verluste von statten. So ist auch Emotionalität garantiert, neben all der Spannung, die die Geschichte bietet.
Für mich hat „Pro & Contra“ eine gewisse Grundspannung. Vor allem der Anfang hat mich wahnsinnig gefesselt. In der Mitte wurde es dann deutlich ruhiger, aber am Ende passierte sehr viel Rasantes. Die Spannungskurve gelingt gut, aber sie geht nicht immer steil nach oben. 
Zum Schreibstil lässt sich noch hinzufügen, dass er sehr flüssig und bildgewaltig ist. Sabine Schulter erschafft durch ihre kreativen Handlungsorte eine großartige Atmosphäre. Sie hat in all ihren Büchern den Kontrast zwischen Höhe und Tiefe untergebracht und deswegen befinden sich auch Summer und Kayden mal hoch über der Stadt und mal unter ihren Straßen. Mir gefällt dieser Kontrast sehr und die „verborgene Stadt“ hat wirklich etwas Besonderes. Die Autorin weiß auf jeden Fall zu erzählen und steckt viel Liebe in ihre Figuren, die auch deswegen so lebendig und real werden.


Der Titel lässt es schon erahnen: Hier geht es um Emotionen. „Mein Licht in deiner Dunkelheit“ deutet tief verborgene Probleme an, die nur durch Zusammenhalt gelöst werden können. Und Zusammenhalt ist definitiv eine der wichtigsten Stärken des Buches. Direkt dahinter lassen sich weitere Werte wie Familie, Freundschaft und Liebe finden. Sabine Schulter hat mit „Pro & Contra“ eine interessante und innovative Dystopie erschaffen, die vor allem durch ihre Charaktere glänzt! Summer und Kayden sind so verschieden und kämpfen doch für die gleiche Sache. Abenteuer, Emotionen und ein Kampf auf Leben und Tod lassen sich in dieser spannenden Geschichte finden. Ich vergebe also 5 von 5 Sternen und freue mich über diesen so gelungenen Einzelband!



1 Kommentar:

  1. Hallo Julia

    Ich weiss nicht wieso, aber hinter dem Cover hätte ich auf Anhieb irgendwie keine Dystopie erwartet - deshalb wurde ich positiv überrascht. Dystopien gehören nach wie vor zu einem meiner Lieblingsgenres ♥
    Von dem Buch habe ich zuvor noch nie etwas gehört, aber ich stimme dir zu: Die Idee mit der Elektrizität ist wirklich sehr innovativ und etwas einzigartiges, das ich bisher auch noch in keinem anderen, ähnlichen Buch gelesen habe. (Ich meine mich aber zu erinnern, dass ich mal eine Dystopie über Menschen gelesen habe, die Blitze kontrollieren können. Aber das ist ja nicht genau das gleiche :D)

    Positiv finde ich auch, dass du die Erwähnung eines Einzelbandes hervorgehoben hast. Ich lese ja gerne Reihen, aber mein to-read Stapel steigt damit einfach immer ins unermessliche, wenn ich schon wieder einen Reihenauftakt lese und alle Fortsetzungen dann auf meiner Wunschliste landen.

    Die Charakterisierung klingt ebenfalls überzeugend. Ich mag ja allzu perfekte "Mary Sue" Charaktere auch nicht, deshalb freut es mich, dass das hier nicht der Fall ist.

    Mit deiner Rezension hast du mich sehr neugierig gemacht und das Buch landet umgehend auf meiner Wunschliste :) Danke für den tollen Lesetipp!

    Liebe Grüsse und einen schönen Sonntagabend
    paperlove ♥

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