Titel: Sophie auf den Dächern
Autor: Katherine Rundell
Verlag: Carlsen
Seiten: 256
Preis: 14,99€
„Sophie schaute hin und rang nach Atem. Unter ihr dehnte sich Paris bis zur Seine aus. Paris war dunkler als London: Es war eine Stadt, die durch Blinken und Flackern erhellt wurde. Und es war schön wie ein Fabergé-Ei, dachte sie. Diese Stadt glich einem Zauberteppich.“ (S. 145)
„Sophie auf den Dächern“ ist eine besondere Geschichte über
ein besonderes Mädchen mit einem besonderen Wunsch. Eine Geschichte, die so
stringent und außergewöhnlich erzählt wird, dass der Leser die Reise über die
Dächer von Paris nur genießen kann. Katherine Rundell hat ein sehr spezielles
und dadurch herausragendes Buch geschrieben, das von den Träumen eines kleinen
Mädchens handelt, das einfach nicht aufgeben will: Große Leseempfehlung!
Inhalt
Sophie ist Waise. Bei einem Schiffsunglück fischte der verträumte
Engländer Charles die Einjährige aus der Themse und zog sie seitdem als sein
Mündel auf. Sophie lernte durch ihn das Leben mit ganz besonderen Augen zu
sehen und niemals eine Möglichkeit außer Acht zu lassen. Und genau diesem
Grundsatz folgt sie, als man sie mit 12 Jahren ihrem Vormund wegnehmen will.
Sophie ist fest davon überzeugt, dass ihre Mutter noch am Leben ist, auch wenn
jeder ihr erzählen will, dass das Unglück von keiner Frau überlebt wurde.
Kurzerhand machen Charles und Sophie sich auf nach Frankreich, wohin ihr
einziger Hinweis führt. Doch sie sind weiterhin auf der Flucht und so bleiben
Sophie nicht viele Möglichkeiten um ihre Suche zu beginnen. Irgendwie fühlt sie
sich zu den Dächern von Paris hingezogen und bald schon entdeckt sie, dass sie
nicht das einzige Kind ist, das diese Dächer liebt. Gemeinsam mit dem
Dachläufer Matteo beginnt Sophie ihre Suche nach ihrer Mutter. Doch wie findet
man jemanden über die Dächer in solch einer großen Stadt?
Meinung
Die Geschichte beginnt sehr direkt. Es gibt keinen großen
Einstieg und auch ansonsten wird keine Nebenhandlung von Katherine Rundell
eröffnet. „Sophie auf den Dächern“ hat lediglich 251 Seiten und diese 251
Seiten werden mit der niedlichen Geschichte um Sophies Suche voll ausgenutzt.
An dem Buch ist eigentlich alles speziell und außergewöhnlich. Für mich begann
dies beim Schreibstil. Meiner Meinung nach ist er einfach nicht normal. Das
heißt allerdings noch nicht viel. Er ist relativ distanziert, aber unglaublich
authentisch. Der Schreibstil ist genauso abnormal wie eben auch die Charaktere
des Buches und genau deswegen ist er so passend. Anfangs musste ich mich an den
Stil gewöhnen, doch irgendwann begann ich die Worte und Formulierungen von
Katherine Rundell zu genießen. Es fügt sich einfach alles so wunderbar in die
Geschichte ein. Hinzu kommt, dass das Buch eine ordentliche Portion Humor intus
hat. Das Geschehen trägt sich ungefähr Anfang des 20 Jahrhunderts zu, also zu einer Zeit, in der es noch nicht so normal war, dass ein alleinstehender Mann ein kleines
Mädchen aufzieht. Die Zuständige macht
Charles im folgenden Dialog auch genau darauf aufmerksam:
„Aber es ist ein Kind! Und Sie sind ein Mann!“
„Sie haben eine wahrlich bemerkenswerte Beobachtungsgabe“, erwiderte Charles. „Ihr Optiker kann stolz auf Sie sein.“ (S. 11)
Ich musste schon so früh im Buch einfach herzlich lachen.
Charles ist ein ganz besonderer Charakter. Er ist so liebenswürdig und
freundlich, wie kaum ein anderer Protagonist. Eigentlich ist er ein Nichtsnutz,
der seine Zeit am liebsten mit seinen Büchern verbringt, doch genau das macht
ihn so sympathisch. Er hat keinerlei Ahnung davon, wie man aus einem Baby eine
junge Dame macht, also versucht er es einfach. Sophie darf auf Wände schreiben und
kann Shakespeare rezitieren, doch hat sie keine Ahnung von Kochen oder wo die
Knöpfe bei einer Bluse sind. Sie trägt viel lieber Hosen und ist ein
freiheitsliebendes Kind. Genau wie Charles. Beide sind sehr groß und fallen
einfach aus. Bereits nach folgendem Zitat war Charles sofort meine
Lieblingsfigur:
„In Sophies Augen war Charles ein Rätsel. […] Aber dort, wo bei anderen Menschen die Lunge saß, war in seinem Fall die Güte daheim und er war höflich bis in die Fingerspitzen. Wenn er gegen einen Laternenpfahl rannte, weil er wieder einmal im Gehen las, entschuldigte er sich und prüfte dann nach, ob der Laternenpfahl noch heil war.“ (S. 15)
Dieser liebenswerte und vertrottelte Mensch schlich sich
sofort in mein Herz. Mit Sophie hatte ich ein paar Probleme mehr, allerdings
bewundere ich sie sehr. Sie ist ein wenig komisch, aber eben einfach echt.
Genau wie der Stil auch. Sophie gibt alles dafür ihre Mutter zu finden und
Charles glaubt an sein Mädchen und dass sie alles erreichen kann, was sie nur
will. Vielleicht sollten wir alle unsere Kinder etwas mehr erziehen, wie
Charles seine kleine Sophie. Aus jeder Zeile des Buches spricht die Liebe. Auch
die Liebe zur Freiheit, der Natur und der Musik. Sophie liebt das Cello, denn
sie glaubt, dass ihre Mutter Cellistin war. Also lernt sie das Instrument zu
beherrschen und es spielt im Verlaufe des Buches eine große Rolle. Eine große
Rolle spielen auch die Dachläufer, von denen man anfangs nur Matteo
kennenlernt. Sie führen ein Leben, das so unterschiedlich von unserem ist, dass
der Leser schnell in Faszination gerät. Ab der Hälfte des Buches hat sich die
Geschichte von London nach Paris und somit auf seine Dächer verlagert. Mir
gefielen die Handlungsorte besonders gut und Katherine Rundell hat hier einfach
eine glänzende und neue Idee umgesetzte. Sie erschafft eine ganz eigene Welt –
die Dächer von Paris. Ich kann mir nach diesem Roman gut vorstellen, dass es
die Dachläufer tatsächlich gibt oder gegeben hat. Eine interessante
Vorstellung, der ich nachgehen sollte!
Das Highlight war für mich das Ende und seine letzten Szenen. Ich war kurz davor ein paar Tränchen zu verdrücken, denn das Bild, das hier gezeichnet wird, ist einfach unglaublich schön. Die Sprache, die benutz wird, ist so bildlich und lebendig, dass ich wirklich dachte, ich sei auch auf dem Dach und würde beobachten, was die Dachläufer und Charles beobachten.
Die Geschichte ist von einer gewissen Naivität geprägt, die einfach wunderbar
ist. Es ist alles so leicht und merkwürdig und dadurch außergewöhnlich,
besonders und traumhaft schön. Das Einzige, das ich kritisieren möchte, ist
dass das Buch eben ein bisschen kurz ist. Aber warum auch mehr schreiben, wenn
man sich so treu bleibt? Besonders schön ist nebenbei bemerkt auch
noch das Cover und der Umschlag des Buches. Alles ist in Pink gehalten und die
kleinen Vögelchen sind auch auf dem Hardcover zu sehen. Über jedem Kapitel ist
des Weiteren ein laufendes Mädchen, das den Vögeln entgegenrennt. Zur Mitte des
Buches befinden sich beide auf der gleichen Höhe und ganz am Ende ist das
Mädchen am Ziel. Eine wunderbare Allegorie auf die Geschichte. Man folgt Sophie
durch die Geschichte und wartet, bis sie das Ziel ihrer Suche erreicht.
Fazit
Mir hat die besondere Geschichte um Sophie und ihre Suche
wirklich sehr gefallen und mich beeindruckt zurückgelassen. Der spezielle Stil und die besonderen Charaktere machen das Buch außergewöhnlich. Ich vergebe 5 von 5
möglichen Spitzenschuhen. Denn wie Sophie nun sagen würde: „Man soll keine
Möglichkeit außer Acht lassen!“
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