28. Juni 2017

Rezension: "Der Fotograf von Auschwitz - Das Leben des Wilhelm Brasse" von Reiner Engelmann


Titel: Der Fotograf von Auschwitz - Das Leben des Wilhelm Brasse
Autor: Reiner Engelmann
Verlag: cbj
Preis: 14,99€
Seiten: 192

„Arbeit macht frei“ – jeder der sich irgendwann einmal mit NS-Geschichte auseinander gesetzt hat, kennt diesen Satz. Er ist über dem Tor des Vernichtungslagers Auschwitz befestigt und verhöhnte in den vierziger Jahren so viele verlorene Menschen. Auschwitz – das wohl berühmteste Konzentrationslager der Nationalsozialisten. Das berühmteste – das grausamste. Gewiss war jedes KZ grausam, menschenverachtend und schrecklich. Dennoch hat das KZ Auschwitz Birkenau die größten Ausmaße der Vernichtungsgeschichte.
Im kommenden Monat werde ich das KZ zum ersten Mal besuchen. Als Vorbereitung las ich das Buch „Der Fotograf von Auschwitz – Das Leben des Wilhelm Brasse“ von Reiner Engelmann. Es geht um den Funktionshäftling Wilhelm Brasse, der durch seinen Beruf ein vergleichsweise weniger schreckliches Dasein fristete. Doch die Schreckenstaten von denen er berichten kann, die Menschen, die er kennenlernte – all das kann man nicht vergessen, erst recht nicht, wenn man sie alle fotografieren musste. Menschen, die wenige Tage später bereits tot waren…
Es ist wichtig, diesen Teil der Geschichte aufzuarbeiten und jeder sollte das für sich selbst tun. Liest man „Der Fotograf von Auschwitz“ ist das ein Anfang. Denn das Buch schildert grausame Taten und Situationen. Grausam, aber unbedingt lesenswert, auch für Jugendliche!


Klappentext



Das erschütternde Dokument eines Zeitzeugen
Als Wilhelm Brasse (1917-2012) mit 22 Jahren in das Stammlager Auschwitz eingeliefert wird, ahnt er nicht, dass er als gelernter Fotograf zum Dokumentarist des Grauens wird. Seine Aufgabe ist es, die KZ-Insassen zu fotografieren. Menschen, die kurze Zeit später in den Gaskammern umgebracht werden. Menschen, die von Josef Mengele zu »medizinischen Forschungsarbeiten« missbraucht werden und denen die Todesangst ins Gesicht geschrieben steht. Hätte er die Arbeit verweigert, wäre das sein eigenes Todesurteil gewesen. Als Brasse 1945 alle Fotos verbrennen soll, widersetzt er sich, um Zeugnis zu geben von dem unfassbaren Grauen. Reiner Engelmann hat Wilhelm Brasse noch kennengelernt und schreibt sein Leben für Jugendliche auf. Ein erschütterndes Dokument – wider das Vergessen.

Meinung


Es ist schwer, eine Rezension zu solch einem Buch zu verfassen, da das Thema so grauenvoll ist. „Der Fotograf von Auschwitz“ ist rein äußerlich sehr schön gestaltet. Cbj hat das Buch hochwertig verlegt und Reiner Engelmann verwendet ein sehr simples Vokabular. Damit wird deutlich, dass das Buch auch für eine jüngere Leserschaft angedacht ist. Und das ist meiner Meinung nach gut so. Es gibt eine gewisse Altersgrenze, ab der man sich mit NS und Holocaust auseinandersetzen sollte. Ich vertrete nicht die Meinung, dass beispielsweise die Grundschule der richtige Ort dafür ist (, alles schon vorgekommen). Aber als Jugendlicher kann man zu der Geschichte von Wilhelm Brasse greifen und wird Vieles mitnehmen können. Das Buch beinhaltet sehr kurze Kapitel, die sich zumeist mit bestimmten Vorfällen und Themen beschäftigen. Dabei geht der Autor chronologisch vor, sodass man dem Verlauf des zweiten Weltkriegs in Ansätzen folgen kann. Engelmann schildert Brasses Sicht und Erlebnisse, seine Eindrücke und natürlich seine Meinung. Brasse ist ein sehr interessanter Charakter. Als Funktionshäftling ging es ihm vergleichsweise gut im Lager. Man benötigte ihn, damit er die Fotos aller Häftlinge anfertigen konnte. Es gab nur wenige Menschen, die in Auschwitz wirklich lebend benötigt wurden. Die meiste menschliche Ware war ja nachlieferbar. Den Nazis waren die Häftlinge oftmals tot lieber. Brasse kannte die meisten NS-Größen in Auschwitz, denn auch sie ließen sich fotografieren – für ihre Familien als Gruß. Das Buch schildert absolut großartig die Grausamkeit und Brutalität mancher Menschen. Es wird deutlich, wie viele NS-Größen tagsüber folterten, brutal vorgingen, ja mordeten – und abends mit ihrer Familie beim Abendbrot lachten. Es scheint paradox und war doch so normal. 
Das Buch ist nicht besonders lang, gerade einmal 192 Seiten, von denen die eigentlichen Schilderungen auf Seite 162 enden. Es folgt ein umfassendes Begriffs- und Personenglossar. Viele der NS-Begriffe werden erklärt, sodass jeder Leser weiß, worum es geht. Im Text sind diese Begriffe mit Sternchen gekennzeichnet. Die Kurzbiografien sind erschütternd. Liest man die Kurzabrisse der einzelnen Menschen, wird einem übel. Auch, da so viele überlebt haben. Es ist einfach unglaublich, zu was wir Menschen fähig sind. In Auschwitz gab es einige Sadisten – das ist mir nach dem Lesen klar. Und das sollte auch vor dem Lesen klar sein. Denn „Der Fotograf von Auschwitz“ ist kein Buch, das man eben mit in die Bahn nimmt oder zwischendurch liest. Man muss sich in Ruhe hinsetzen und alles andere ausblenden. Zwei Mal musste ich das Buch beim Lesen zuklappen, weil die geschilderten Methoden so grauenhaft waren und mir schlecht wurde. Mir fehlen die Worte, weitere Beschreibungen vorzunehmen. 
Das Buch beschäftigt sich mit dem Lageralltag aus der Perspektive eines Insassen. Es wird relativ neutral berichtet, manchmal mit Zitaten gearbeitet und auch besondere Vorkommnisse werden erzählt. Außerdem lassen sich einige Bilder im Buch finden, was beim Beruf von Brasse zu erwarten ist. Es ist ein komisches Gefühl, dass Brasse viele der Fotos selbst gemacht hat. Obwohl seine Funktion so unspektakulär wirkt, war es doch eine jahrelange grausame Folter. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es im Lager gewesen sein muss, doch einen Eindruck habe ich gewonnen. Und der ist noch grausamer, als man erwarten kann. Ich wage es nicht, etwas am Buch zu kritisieren, denn ich glaube nicht, dass ich das Recht dazu habe. Liest man „Der Fotograf von Auschwitz“, muss man sich der Adressatengruppe bewusst sein und keine hohen wissenschaftlichen Standards erwarten. Dadurch allerdings ist das Buch auch nicht trocken oder Ähnliches.  Man sollte sich die Zeit nehmen und diesen Gräueltaten und seinen Opfern gedenken. Ein Buch wie dieses zu lesen, ist dabei ein guter Anfang.

Fazit




Wilhelm Brasse war ein junger Fotograf, wurde zum Funktionshäftling und erlebte eine grauenhafte Zeit in Auschwitz. Ich kann mir nicht vorstellen, was es für ein Gefühl war, täglich hunderte Häftlinge zu fotografieren, von denen viele die nächsten Tage nicht überleben würden. Reiner Engelmann schildert Brasses Leben in relativ neutralem Ton, allerdings sehr eindrucksvoll und auch jugendgerecht. Ich vergebe volle 5 Spitzenschuhe und bin voller Traurigkeit über die Geschichte meines eigenen Landes. Aber genau deswegen ist es so wichtig, dass wir gedenken und versuchen aus der Vergangenheit zu lernen. Als Geschichtslehrerin ist mir der Gegenwartsbezug immer sehr wichtig. Also lasst uns verhindern, dass Menschen jemals wieder so grausam gegenüber Menschen sind. Jedes Leben ist wertvoll. 



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