Titel: Belgravia
Autor: Julian Fellows
Vorleser: Beate Himmelstoß
Verlag: der Hörverlag
Preis: 29,95€
Dauer: 16 h 59 Min.
Seiten Original: 448
Wenn man Geschichte studiert hat, bleibt es nicht aus,
bestimmte geschichtliche Epochen zu bevorzugen. Ich persönlich fühle mich im
18. und 19 Jahrhundert immer sehr wohl, weshalb ich auch gern Geschichten aus
dieser Zeit lese. Oder höre. Denn das Hörbuch „Belgravia“ von Julian Fellows,
dem Autor von Downtown Abbey, passt perfekt in dieses Zeitalter. „Downtown
Abbey“ habe ich nie gelesen oder gesehen. Daher kann ich nicht beurteilen, ob
Fellows neuer Roman an seinen Vorgänger herankommt. Mit „Belgravia“ hat er
allerdings ein langes Familiendrama voll von Intrigen und Geheimnissen geschaffen,
das mit der gesellschaftlichen Norm kokettiert. Das Hörbuch ist sehr langatmig
und detailreich. Dadurch wird man aber tief in die Geschichte gezogen. Mir war
es manchmal etwas zu viel und auch zu vorhersehbar – dennoch unterhaltsam!
Klappentext
London, 1841. James Trenchard ist ein ehrgeiziger Mann, der
sich mit seinem Baugewerbe einen gewissen Wohlstand erarbeitet hat. Vor 25
Jahren starb seine Tochter im Kindbett, das uneheliche Kind Charles wurde in
die Obhut eines Geistlichen gegeben und seine Herkunft vertuscht. Jetzt droht
das Familiengeheimnis enthüllt zu werden. Einzig die beiden Großmütter Anne
Trenchard und Lady Brockhurst können den Enkelsohn vor üblen Machenschaften
bewahren.
Trotz der unterschiedlichen gesellschaftlichen Stellungen
müssen sie gemeinsam für den Enkel einstehen. Können sie das Geheimnis um
Charles Herkunft lüften und alles zum Guten wenden? Kann Charles selbst die
Intrigen entwirren? Und wird er die Frau heiraten können, die er liebt, obwohl
sie einem anderen versprochen ist?
Meinung
So viel, wie der Klappentext verrät, wusste ich vor dem
Hören gar nicht. Eigentlich reichen die Informationen, dass es ein
Familiendrama über mehrere Jahrzehnte hinweg ist, vollkommen aus. Die
Geschichte beginnt in der Nacht der Schlacht bei Waterloo, also 1815. Man lernt
die Familie Trenchard kennen. Die quirlige Sophia und der ehrgeizige Vater
James tun alles dafür, um auf den Ball der Lady in Brüssel geladen zu werden.
Die beiden sind ein harmonisches Duo, das seine Ziele erreicht. Denn Sophia hat
sich in den Neffen der Lady verliebt und auch er erwidert ihre Liebe. Doch dann
die Schreckensnachricht: Die Schlacht beginnt und der Ball wird abgebrochen.
Erst 25 Jahre später wird die Geschichte wieder aufgenommen und die Ereignisse
aus dem Klappentext treten auf den Plan. Der Hörer bekommt die Informationen
sehr viel langsamer, als es den Anschein macht. Fellows ist sehr zurückhaltend,
was wichtige Informationen angeht. Nur bruchstückhaft ergibt sich die
Geschichte und anfangs rechnete ich mit einem völlig anderen Verlauf. Doch nach
und nach spitzen sich die Ereignisse zu. Immer mehr Menschen spielen eine Rolle
im großen Familiengeheimnis der Trenchards und jeder möchte etwas von dem
Kuchen abhaben. Intrigen und weitere Geheimnisse werden geschmiedet und
gelüftet. Die Trenchards, die Brockenhursts und natürlich die Bellassis sind
die Hauptbeteiligten. Die Väter, die Söhne, die Ehefrauen, ja sogar die
Bediensteten übernehmen wichtige Rollen. Viele davon sind von Eifersucht
geprägt und wie es bei einem guten Familiendrama so ist, gibt es viele
Missverstädnisse, dessen Konsequenzen fatal sind.
Die gesamte Geschichte ist unglaublich groß aufgebraut. Aber der Autor hat
diese Geschichte mit Ruhe und Zeit verfasst, wie es den Anschein hat. Die
Handlung plätschert manchmal nur so dahin und dadurch gibt es auch Stellen, die
mehr als in die Länge gezogen sind. Vieles davon erwartet der Leser auch ab
einem gewissen Zeitpunkt und erst zum Ende hin hatte ich wirklich das
Bedürfnis, weiterzuhören. So richtig packen konnte mich das Hörbuch nicht. Es
war ganz nett und zwischendurch auch sehr romantisch. Aber die vielen
Verstrickungen sind eben auch anstrengend. Der eine kämpft gegen den, dieser
ist eifersüchtig auf den nächsten, die Mutter will einen anderen für ihre
Tochter, aber die Tochter will nochmal wen anders….und so weiter….Es gibt neben
dem großen Familiengeheimnis unglaublich viele Handlungen, die alle
kleingehalten werden. Aber so ergibt sich dann eben doch ein riesiges Ganzes.
Die Geschichte ist sehr gut durchdacht, mir fehlte es oftmals trotzdem an
Spannung. Der Zeitgeist wurde ebenfalls gut getroffen und man kann sich die
Prunkbauten und die Droschken alle wunderbar vorstellen. Nichts erscheint
unlogisch in der Geschichte, wenn auch sehr konzipiert. Im Grunde sorgt „Belgravia“
für gute Unterhaltung, zu der man aber auch die nötige Geduld braucht.
Der Stil von Fellows ist ausschweifend. Das Vokabular passt hervorragend in die
Zeit und auch sonst störte der Stil mich nicht. Aber auch hier: hört man über
16 Stunden zu, wird es anstrengend. Vielleicht lag das auch an der Sprecherin.
Beate Himmelstoß liest zwar gut, fesseln konnte sie mich allerdings nie. Ich
fand es sehr interessant, eine weibliche Vorleserin zu hören, denn schließlich
bestimmen die meisten Männer die Geschichte. Aber Lady Trenchard und Lady
Brockhurst sind eben doch die Hauptfiguren. Ich konnte mit die alten beiden
Damen mit Hilfe der Stimme von Himmelstoß gut vorstellen und daher ist sie auch
eine passende Vorleserin. Etwas gestört hat mich ihre Interpretation der
Männerstimmen dennoch manchmal.
Enttäuscht wurde ich ein wenig vom Ende. Im Großen und Ganzen ist es zu
erwarten, das letzte Kapitel hat mich aber kopfschütteld zurückgelassen.
Fazit
„Belgravia“ ist eine Art Familienepos oder auch Drama mit
unzähligen Intrigen und Geheimnissen. Die Charaktere sind authentisch und dem
Zeitgeist mehr als entsprechend. Die Handlung ist logisch, aber konstruiert.
Der langatmige Stil mit all seinen Details führt zu einem nur schwer
anhaltenden Spannungsbogen, sodass der Hörer nicht permanent gefesselt ist. Ein
paar Dinge waren mir zu ausschweifend dargestellt und vor allem das Ende war
voraussehbar. Das Hörbuch bietet gute Unterhaltung für Fans des Genres,
allerdings sollte man Durchhaltevermögen mitbringen. Ich vergebe 3,5
Spitzenschuhe.
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