27. Juni 2017

Rezension [Hörbuch]: "Belgravia" von Julian Fellows


Titel: Belgravia
Autor: Julian Fellows
Vorleser: Beate Himmelstoß
Verlag: der Hörverlag
Preis: 29,95€
Dauer: 16 h 59 Min.
Seiten Original: 448

Wenn man Geschichte studiert hat, bleibt es nicht aus, bestimmte geschichtliche Epochen zu bevorzugen. Ich persönlich fühle mich im 18. und 19 Jahrhundert immer sehr wohl, weshalb ich auch gern Geschichten aus dieser Zeit lese. Oder höre. Denn das Hörbuch „Belgravia“ von Julian Fellows, dem Autor von Downtown Abbey, passt perfekt in dieses Zeitalter. „Downtown Abbey“ habe ich nie gelesen oder gesehen. Daher kann ich nicht beurteilen, ob Fellows neuer Roman an seinen Vorgänger herankommt. Mit „Belgravia“ hat er allerdings ein langes Familiendrama voll von Intrigen und Geheimnissen geschaffen, das mit der gesellschaftlichen Norm kokettiert. Das Hörbuch ist sehr langatmig und detailreich. Dadurch wird man aber tief in die Geschichte gezogen. Mir war es manchmal etwas zu viel und auch zu vorhersehbar – dennoch unterhaltsam!

Klappentext


London, 1841. James Trenchard ist ein ehrgeiziger Mann, der sich mit seinem Baugewerbe einen gewissen Wohlstand erarbeitet hat. Vor 25 Jahren starb seine Tochter im Kindbett, das uneheliche Kind Charles wurde in die Obhut eines Geistlichen gegeben und seine Herkunft vertuscht. Jetzt droht das Familiengeheimnis enthüllt zu werden. Einzig die beiden Großmütter Anne Trenchard und Lady Brockhurst können den Enkelsohn vor üblen Machenschaften bewahren.
Trotz der unterschiedlichen gesellschaftlichen Stellungen müssen sie gemeinsam für den Enkel einstehen. Können sie das Geheimnis um Charles Herkunft lüften und alles zum Guten wenden? Kann Charles selbst die Intrigen entwirren? Und wird er die Frau heiraten können, die er liebt, obwohl sie einem anderen versprochen ist?

Meinung


So viel, wie der Klappentext verrät, wusste ich vor dem Hören gar nicht. Eigentlich reichen die Informationen, dass es ein Familiendrama über mehrere Jahrzehnte hinweg ist, vollkommen aus. Die Geschichte beginnt in der Nacht der Schlacht bei Waterloo, also 1815. Man lernt die Familie Trenchard kennen. Die quirlige Sophia und der ehrgeizige Vater James tun alles dafür, um auf den Ball der Lady in Brüssel geladen zu werden. Die beiden sind ein harmonisches Duo, das seine Ziele erreicht. Denn Sophia hat sich in den Neffen der Lady verliebt und auch er erwidert ihre Liebe. Doch dann die Schreckensnachricht: Die Schlacht beginnt und der Ball wird abgebrochen.
Erst 25 Jahre später wird die Geschichte wieder aufgenommen und die Ereignisse aus dem Klappentext treten auf den Plan. Der Hörer bekommt die Informationen sehr viel langsamer, als es den Anschein macht. Fellows ist sehr zurückhaltend, was wichtige Informationen angeht. Nur bruchstückhaft ergibt sich die Geschichte und anfangs rechnete ich mit einem völlig anderen Verlauf. Doch nach und nach spitzen sich die Ereignisse zu. Immer mehr Menschen spielen eine Rolle im großen Familiengeheimnis der Trenchards und jeder möchte etwas von dem Kuchen abhaben. Intrigen und weitere Geheimnisse werden geschmiedet und gelüftet. Die Trenchards, die Brockenhursts und natürlich die Bellassis sind die Hauptbeteiligten. Die Väter, die Söhne, die Ehefrauen, ja sogar die Bediensteten übernehmen wichtige Rollen. Viele davon sind von Eifersucht geprägt und wie es bei einem guten Familiendrama so ist, gibt es viele Missverstädnisse, dessen Konsequenzen fatal sind.
Die gesamte Geschichte ist unglaublich groß aufgebraut. Aber der Autor hat diese Geschichte mit Ruhe und Zeit verfasst, wie es den Anschein hat. Die Handlung plätschert manchmal nur so dahin und dadurch gibt es auch Stellen, die mehr als in die Länge gezogen sind. Vieles davon erwartet der Leser auch ab einem gewissen Zeitpunkt und erst zum Ende hin hatte ich wirklich das Bedürfnis, weiterzuhören. So richtig packen konnte mich das Hörbuch nicht. Es war ganz nett und zwischendurch auch sehr romantisch. Aber die vielen Verstrickungen sind eben auch anstrengend. Der eine kämpft gegen den, dieser ist eifersüchtig auf den nächsten, die Mutter will einen anderen für ihre Tochter, aber die Tochter will nochmal wen anders….und so weiter….Es gibt neben dem großen Familiengeheimnis unglaublich viele Handlungen, die alle kleingehalten werden. Aber so ergibt sich dann eben doch ein riesiges Ganzes. Die Geschichte ist sehr gut durchdacht, mir fehlte es oftmals trotzdem an Spannung. Der Zeitgeist wurde ebenfalls gut getroffen und man kann sich die Prunkbauten und die Droschken alle wunderbar vorstellen. Nichts erscheint unlogisch in der Geschichte, wenn auch sehr konzipiert. Im Grunde sorgt „Belgravia“ für gute Unterhaltung, zu der man aber auch die nötige Geduld braucht.
Der Stil von Fellows ist ausschweifend. Das Vokabular passt hervorragend in die Zeit und auch sonst störte der Stil mich nicht. Aber auch hier: hört man über 16 Stunden zu, wird es anstrengend. Vielleicht lag das auch an der Sprecherin. Beate Himmelstoß liest zwar gut, fesseln konnte sie mich allerdings nie. Ich fand es sehr interessant, eine weibliche Vorleserin zu hören, denn schließlich bestimmen die meisten Männer die Geschichte. Aber Lady Trenchard und Lady Brockhurst sind eben doch die Hauptfiguren. Ich konnte mit die alten beiden Damen mit Hilfe der Stimme von Himmelstoß gut vorstellen und daher ist sie auch eine passende Vorleserin. Etwas gestört hat mich ihre Interpretation der Männerstimmen dennoch manchmal.
Enttäuscht wurde ich ein wenig vom Ende. Im Großen und Ganzen ist es zu erwarten, das letzte Kapitel hat mich aber kopfschütteld zurückgelassen.


Fazit



„Belgravia“ ist eine Art Familienepos oder auch Drama mit unzähligen Intrigen und Geheimnissen. Die Charaktere sind authentisch und dem Zeitgeist mehr als entsprechend. Die Handlung ist logisch, aber konstruiert. Der langatmige Stil mit all seinen Details führt zu einem nur schwer anhaltenden Spannungsbogen, sodass der Hörer nicht permanent gefesselt ist. Ein paar Dinge waren mir zu ausschweifend dargestellt und vor allem das Ende war voraussehbar. Das Hörbuch bietet gute Unterhaltung für Fans des Genres, allerdings sollte man Durchhaltevermögen mitbringen. Ich vergebe 3,5 Spitzenschuhe. 



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