Titel: Ich und die Menschen
Autor: Matt Haig
Verlag: dtv
Preis: 9,95€
Seiten: 352
Vor einer langen Zeit wollte ich unbedingt das Buch „Ich und
die Menschen“ von Matt Haig lesen. Ich schaffte es mir an und wie das so ist,
landete es eine Ewigkeit im Regal, bestimmt zum Warten. Ich habe mich nicht
wirklich daran getraut. Der Inhalt ist doch so vollkommen anders, als das, was
man üblicherweise kennt. Ich hatte Respekt. Und auch Angst. Man kennt den
Faktor der zu hohen Erwartungen bei einem Buch und das endet oft nicht gut. Aber
das Buch fiel wieder in meine Hände und ich nahm meinen Mut zusammen. Anfangs
fiel es mir ein bisschen schwer in die Geschichte samt all seiner Kuriositäten zu kommen. Denn es ist tatsächlich so
vollkommen anders, wie man erwarten kann. Aber nach nur einer kurzen Weile
akzeptiert man diese Andersartigkeit, die völlig verdrehte Sicht auf uns
Menschen und die Welt und gewinnt sie sehr lieb. „Ich und die Menschen“ ist
einzigartig und herzerwärmend. Für mich ist es ein erstaunliches Buch, das
nicht unbedingt von Spannung, aber von den kleinen Dingen lebt und das macht
eine ganz eigene Spannung aus.
Klappentext
In einer regnerischen Freitagnacht wird Andrew Martin,
Professor für Mathematik in Cambridge, aufgegriffen, als er nackt eine Autobahn
entlangwandert. Professor Martin ist nicht mehr er selbst. Ein Wesen mit
überlegener Intelligenz und von einem weit entfernten Stern hat von ihm Besitz
ergriffen. Dieser neue Andrew ist nicht begeistert von seiner neuen Existenz.
Er hat eine denkbar negative Meinung von den Menschen. Jeder weiß schließlich,
dass sie zu Egoismus, übermäßigem Ehrgeiz und Gewalttätigkeit neigen. Doch
andererseits: Kann eine Lebensform, die Dinge wie Weißwein und Erdnussbutter
erfunden hat, wirklich grundschlecht und böse sein? Und was sind das für
seltsame Gefühle, die ihn überkommen, wenn er Debussy hört oder Isobel, der Frau
des Professors, in die Augen blickt?
Meinung
Der Klappentext klingt beinahe banal, wenn man weiß, was
sich hinter dem Buch verbirgt. Natürlich. Es geht um einen Außerirdischen, der
mit einer Mission auf die Erde geschickt wird. Seine Lebensform ist den
Menschen weit überlegen, ja sogar so weit, dass sie dem Tod entringen konnte.
Und das nur mit Hilfe der Mathematik. Professor Martin hat unten auf der Erde
das letzte große mathematische Rätsel gelöst und das wäre ein erster Schritt
für die Menschen, ihre gesamte Existenz zu verändern. Das darf keinesfalls
passieren. Also wird Andrew ausgelöscht und der namenlose Außerirdische übernimmt
seine Rolle, damit alle Anzeichen auf das Lösen der Formel vernichtet werden.
Das ist ein brenzliger Auftrag, wenn man so gar keine Ahnung hat, wie die
Menschen ticken. Denn das ist ein unglaublicher Teil dieses Buches. Matt Haig
führt uns Menschen vor, wie menschlich wir sind, was uns ausmacht und was auf
Außenstehende vielleicht völlig abnormal wirkt. Als leidenschaftliche Leserin
musste ich schon sehr früh im Buch lachen:
„Man stelle sich das vor! Nicht nur sterblich zu sein, sondern auch noch gezwungen, einen Teil der wertvoll begrenzten Zeit auf Erden mit Lesen zu verbringen. Kein Wunder, dass die Menschen eine primitive Spezies waren. Kaum hatten sie annährend genug Bücher gelesen, um mit dem erworbenen Wissen irgendetwas anfangen zu können, waren sie schon tot.“ (S. 33)
Tja, so kann das gehen. Puff. Und schon sind wir tot. Nur
langsam findet der „neue“ Andrew sich in der Welt der Menschen zurecht. Und
dass wir so langsam lesen ist ja nun einmal wirklich eine Schande. Vieles, was
Haig schreibt, ist tiefgründig und regt zum Nachdenken an. Gleichzeitig ist es
einfach nur lustig. Kurz auf die eben zitierte Passage folgt die Pointe:
„Wie um alles in der Welt ertrugen sie das? Idiotie, verursacht vom langsamen Lesen. Das war die einzige Erklärung.“ (S. 35)
Das gesamte Buch kann als Reise betrachtet werden. Als Reise
zu den Menschen und zur Menschlichkeit selbst. Die banalsten Dinge des Alltags
werden aufgezeigt und dadurch kommt so wundervoll zur Geltung, was unser Leben
eigentlich ausmacht. Ob das nun die Liebe zu einem Hund, die Freude an Musik
oder auch der Genuss der Natur ist. Für den neuen Andrew ist das alles neu und
unbekannt. Und so langsam erkennt er den Reiz an der Menschlichkeit. Er findet
sich zurecht und entwickelt Gefühle – etwas zutiefst zu verachtendes. Und am
Ende tauchen dann wirklich viele Lebensweisheiten auf, die mir persönlich das
Herz erwärmt haben:
"46. Ein Paradox: Die Dinge, die nicht lebenswichtig sind – Bücher, Kunst, Kino, Wein und so weiter -, sind die Dinge, die im Leben wichtig sind." (S. 327)
Wie ich bereits sagte, sind viele Passagen von Tiefgang
geprägt und eigentlich ist das Buch eine einzige Liebesgeschichte an das Leben
samt all seiner Kleinigkeiten – die guten, wie die schlechten. Denn dass nicht
immer alles einfach und gut im Leben läuft, muss auch Andrew erkennen. Dieser
neue Andrew ist eine unglaubliche Figur. Es ist, als wenn man es mit einem
Neugeborenen mit unglaublicher Intelligenz zu tun hat. Wie er die Welt entdeckt
ist so unglaublich lustig und man gewinnt ihn als Figur sehr lieb. Ich konnte
mich gut in ihn hineinversetzen und das erheiterte mich von Seite zu Seite. Er
ist der Protagonist, der die Handlung trägt, sich entwickelt und einfach zum
Knuddeln ist. Wirklich toll fand ich auch seinen Hund Newton, mit dem er
tiefgehende Gespräche führt. Newton ist ein weiterer Faktor fürs Herz. Aber
auch die anderen Figuren des Buches sind sehr authentisch und fügen sich gut
ein. Das Besondere an diesem Buch ist einfach, dass die Handlung gar nicht so
großartig ist – die Umsetzung ist aber phänomenal und man liest mit Freude
weiter – auch wenn man dafür natürlich viel zu viel Zeit braucht (, man ist
schließlich ein Mensch). Und was natürlich gesagt werden muss, ist dass der
Humor umwerfend ist. So oft musste ich über die Formulierungen lachen. Noch
lustiger wird das Ganze, wenn man bemerkt, dass an der nüchternen Schilderung
mehr Wahrheit dran ist, als man anfangs denkt. Auch hier zwei Beispiele:
„Glücklicherweise gehörte Cambridge United […] zu den Teams, die die Gefahren und das existenzielle Trauma des Siegens erfolgreich zu vermeiden wussten. Ein Anhänger von Cambridge United zu sein, entdeckte ich, hieß, ein Anhänger der Idee des Scheiterns zu sein.“ (S. 177)
Der neue Andrew macht sich gekonnt über unsere Leidenschaft
zum Fußball lustig. Und auch vor einer der großen Religionen macht er keinen
Halt:
„(Katholizismus, fand ich heraus, war eine Sparte des Christentums für Menschen, die etwas für Blattgold, Latein und Schuldgefühle übrighatten.)“ (S. 261)
Tja...so weit weg liegt er mit beiden Behauptungen ja nicht...
Gerade diese nüchternen Schilderungen machen das Buch so
urkomisch. Er erscheint manchmal etwas lieblos und gerade dadurch wird es
liebevoll. Hach, schwer zu sagen.
Fazit
Aber was ich sagen kann ist: Wenn ihr das Menschsein liebt
und manchmal den Glauben an uns verliert, dann lest dieses Buch. Denn es führt
einem all die wunderschönen Dinge des Lebens vor Augen und zeigt uns auf, wie schön
es doch ist, ein Mensch zu sein. In diesem Sinne muss ich volle fünf
Spitzenschuhe vergeben, die „Ich und die Menschen“ wirklich verdient hat. Eine
tolle Idee, eine noch viel bessere Umsetzung voll von Humor und Herz. Meine
absolute Empfehlung!
Das Buch liegt schon einen Weile ungelesen bei mir und jetzt hab ich richtig Lust, es als nächstes zu lesen. Denn wenn der Blick von außen auf die Menschen so positiv bzw. optimistisch gestaltet ist, dann könnte das Buch gut was für mich sein. Vielen Dank für diese Buchvorstellung.
AntwortenLöschenLG Gabi
Hallo Gabi!
LöschenDas Buch ist wirklich zauberhaft! Eines meiner absoluten Jahreshighlights :)
Ich kann es dir wirklich nur ans Herz legen. Es ist natürlich etwas anstrengend, wie ich ja geschrieben habe, aber das Lesen lohnt sich so sehr!
Danke für deinen Kommentar!
Liebe Grüße,
Julia