Titel: Tanz in die Freiheit
Autor: Susanne Betz
Verlag: C. Bertelsmann
Preis: 19,99€
Seiten: 353
Historische Romane sind ein Phänomen. Sind diese gut
recherchiert und authentisch, können sie ein Genuss und im besten Fall noch
lehrreich sein. Sind diese aber eher schlampig erarbeitet, schüttle ich als
Geschichtsstudentin nur den Kopf (Fiktion hin oder her, die Basis muss stimmen).
Umso glücklicher war ich nach dem Lesen des Romans „Tanz in die Freiheit“, es
mit einem Vertreter der ersten Sparte zu tun zu haben. Ein gelungener Roman,
der in einer brenzligen Zeit spielt und sich mit den Träumen junger Menschen
befasst. Veränderung, Umsturz – ja, Freiheit! An nichts anderes denkt man, wenn
man an die Französische Revolution denkt. Und genau das ist es, was die
Geschwister Felix und Eleonore brauchen. Verpackt in verschiedene historische Orte,
Handlungen und Figuren bekommt der Leser hier ein nicht ganz einfach zu
lesendes, aber überaus interessantes Buch geboten. Sehr gelungen!
Klappentext
1791: Die Geschwister Eleonore und Felix langweilen sich im
provinziellen und intriganten Weimar. Ihr Vater ist ein adeliger Hofbeamter,
die Mutter eine exzentrische Mathematikerin und ihr Nachbar der Dichterfürst
Johann Wolfgang von Goethe. Die Sturmgewitter der Französischen Revolution
flackern in Form von Gerüchten, Schriften und Besuchern aus dem fernen
Frankreich ins kleine Herzogtum und befeuern den Freiheitsdrang der
Geschwister. Als ihre Mutter stirbt, nimmt das Leben eine dramatische Wende: In
ihrem Testament verfügte diese, dass Eleonore und Felix einen Koffer voller
mathematischer Berechnungen zu einem geheimnisvollen Monsieur Schwartz nach
Paris bringen müssen, dort erst sollen sie ihr Erbe erhalten. Die Geschwister
brechen auf. In Paris lernen sie nicht nur eine weltoffene und libertine Stadt
kennen, hier bebt noch immer die Revolution ...
Meinung
Die Französische Revolution war mein Schwerpunktthema im
Abitur. In diesem Jahr habe ich das erste Mal die wunderschöne Stadt Weimar
besucht. So ist es nicht verwunderlich, dass ich bei diesem Klappentext sofort
aufhorchte. Wie ich anfangs erwähnte, kann man bei historischen Romanen viel
falsch machen. Auch der Leser muss sich bewusst sein, es nicht mit der
vergangenen Historie zu tun zu haben. Sondern mit einer Geschichte, die sich so
abgespielt haben könnte. Aber hier wurde nicht viel falsch gemacht.
Susanne Betz hat „Tanz in die Freiheit“ klug
recherchiert und logisch aufgebaut. Der rote Faden ist immer erkennbar, was es
dem Leser erleichtert. Denn der Stil ist nicht simpel. Manchmal muss man sich
durch die Seiten zwingen, vor allem zu Beginn. Ich selbst brauchte ein paar
Seiten um mich an den altertümlichen Stil zu gewöhnen. Dieser Stil macht das Buch
aber umso authentischer. Dennoch muss man sich auf diese Schreibweise
einlassen, was für einige Leser anstrengend sein kann. Zum Teil kommt man
hinter bestimmten Gedankengängen auch nicht hinterher. Ich könnte das Buch dennoch
aufschlagen und einen x-beliebigen Satz vorlesen und bin mir fast sicher, dass
er ein sehr schönes Zitat abgeben würde. Denn Susanne Betz Art zu schreiben ist
gebildet, ausschweifend und in Teilen wunderschön. Normalerweise schreibe ich
nicht so viel über den Schreibstil eines Autors, doch hier trägt er maßgeblich
zur Geschichte bei und wirkt in die Figuren.
„Tanz in die Freiheit“ ist eine Gesellschaftsgeschichte. Es geht tatsächlich um
Freiheit und natürlich um Umbrüche, die Ende des 18. Jahrhunderts
allgegenwärtig waren. Der Einstieg fällt dem Leser leicht. Der Prolog ist
rasant und spannend und spielt viele Jahre nach Handlungsbeginn. Man bekommt
das Bild einer flüchtenden Frau in Paris geliefert: die spätere Protagonistin.
Doch dann beginnt das erste Kapitel und besagte Eleonore ist ein behütetes
junges Fräulein im beschaulichen Weimar. Wie passen diese beiden Bilder
zusammen? Das Interesse des Lesers wird sofort geweckt. Wie ich bereits sagte,
baut die Geschichte sich auf. Auch wenn man anfangs annimmt, dass Eleonore im
Mittelpunkt steht, ist dies falsch. Es geht tatsächlich um die Geschwister. Ein
Kapitel ist aus ihrer und eines aus Felix Sicht verfasst. Diese Perspektiven
wechseln sich ab. Und tatsächlich wird das Buch dadurch abwechslungsreich. Denn
auch wenn die Geschwister sich lieben und nach außen hin gleich sind, so hat
doch jeder seine eigene Art zu denken und zu erzählen, was in den Kapitel
verdeutlicht wird. Während Eleonore politikdesinteressiert ist, ist Felix
gebildet. Doch er ist auch eitel und weltfremd. Letzteres trifft auch auf
Eleonore zu. Die Entwickelung der beiden ist unglaublich und sehr interessant.
Mit jedem Kapitel ändert sich immer wieder eine Facette an ihnen, bis sie am
Ende wirklich erwachsen geworden sind. Sie erleben in Paris eine Menge.
Insgesamt gefiel mir der Wechsel vom fürstlichen Weimar ins revolutionäre Paris
sehr gut! Man spürt die Abneigungen der Geschwister und das Feuer, das sie dann
packt. Beide lernen verschiedene Menschen kennen, die sie prägen. Mir haben vor
allem die Frauen, mit denen Eleonore zu tun hat, gefallen. Vielleicht liegt es
auch daran, dass die weibliche Hauptfigur mich insgesamt mehr begeistern
konnte. Felix war mir sehr fremd, wenn auch liebenswürdig. Doch beide
Protagonisten sind keine Sympathieträger. Man fühlt mit ihnen. Allerdings
entwickelt man auch widersprüchliche Gefühle ihnen gegenüber und ist manchmal abgestoßen. Für mich waren
sie mehr eine Art Reisebegleiter, als Figuren zur Identifikation. Manchmal
konnte ich sie nicht verstehen, dennoch litt ich mit ihnen. Für mich waren vor
allem die Nebencharaktere besonders. Julie ist eine temperamentvolle Frau, ohne
die sich Eleonore sich nicht zu Recht gefunden hätte. Auch Frau Vulpius ist
sehr interessant. Oder Olympe de Gouges. Gerade das ist es, was Susanne Betz
gelungen ist. Es gibt eine ausgewogene Mischung zwischen bedeutenden
historischen Persönlichkeiten, die wichtig für das Geschehen waren und den
fiktiven Charakteren, die nur für diese Handlung von Bedeutung sind. Auch wenn
ich es mir kaum vorstellen kann, dass es jemanden wie die beiden Geschwister
gegeben haben kann (, der Goethe und viele historische deutsche
Persönlichkeiten UND die Geister der Revolution kannte), schadet das der
Geschichte nicht. Eleonore und Felix haben selbst genug eigene Probleme,
gebettet in die Probleme der Welt um 1800. Zwischenzeitlich las ich eine
Passage zweimal, weil mich die grausamen Entwicklungen im Namen der Freiheit so
sehr an unsere heutige Welt erinnert haben (man denke nur einmal an die
US-Wahl). Ich denke, dass die Autorin in ihren Roman wichtige und auch aktuelle
Fragen mit eingebettet hat – und das obwohl die Französische Revolution doch so
lang her ist. Meines Erachtens ist das Buch gut recherchiert. Jedenfalls fand
ich keine Passage, an der ich dachte, dass das aufgrund der Quellenlage leider
nicht sein kann (Historikerkrankkheit).
Die Handlung ist komplex und vielseitig. Themen wie Freundschaft, Liebe, aber
auch Familie und Gesellschaft stehen im Vordergrund. Doch so vieles Kleines zwängt sich dazwischen. Ich habe das Buch gern gelesen, doch warne ich auch
davor, dass man es mit Aufmerksamkeit lesen muss. Es ist kein Buch für „zwischendurch“.
Sondern interessante, aber auch fordernde Lektüre. Dennoch konnte ich sie sehr
genießen!
Fazit
„Tanz in die Freiheit“ ist tatsächlich ein
gesellschaftlicher Tanz zweier Geschwister in die verschiedensten Definitionen
von „Freiheit“ – aufopfernd und interessant. Eine gut durchdachte Geschichte,
gespickt mit einer tollen Figurenkonstellation führen zu einem wirklich guten
Buch. Nur der ausschweifende und manchmal verzwickte Stil ließen mich etwas
aufschrecken. Alles in allem spreche ich aber für alle, die diese Zeit und
die Ereignisse faszinieren eine klare Leseempfehlung aus! Ich vergebe vier
Spitzenschuhe, mit denen Eleonore und Felix noch ein bisschen weiter in ihre eigene Freiheit tanzen
können.
Vielen Dank an den C. Bertelsmann Verlag und die Verlagsgruppe randomhouse für das schöne Rezensionsexemplar!
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