10. November 2016

Rezension: "Tanz in die Freiheit" von Susanne Betz


Titel: Tanz in die Freiheit
Autor: Susanne Betz
Verlag: C. Bertelsmann
Preis: 19,99€
Seiten: 353

Historische Romane sind ein Phänomen. Sind diese gut recherchiert und authentisch, können sie ein Genuss und im besten Fall noch lehrreich sein. Sind diese aber eher schlampig erarbeitet, schüttle ich als Geschichtsstudentin nur den Kopf (Fiktion hin oder her, die Basis muss stimmen). Umso glücklicher war ich nach dem Lesen des Romans „Tanz in die Freiheit“, es mit einem Vertreter der ersten Sparte zu tun zu haben. Ein gelungener Roman, der in einer brenzligen Zeit spielt und sich mit den Träumen junger Menschen befasst. Veränderung, Umsturz – ja, Freiheit! An nichts anderes denkt man, wenn man an die Französische Revolution denkt. Und genau das ist es, was die Geschwister Felix und Eleonore brauchen.  Verpackt in verschiedene historische Orte, Handlungen und Figuren bekommt der Leser hier ein nicht ganz einfach zu lesendes, aber überaus interessantes Buch geboten. Sehr gelungen!


Klappentext


1791: Die Geschwister Eleonore und Felix langweilen sich im provinziellen und intriganten Weimar. Ihr Vater ist ein adeliger Hofbeamter, die Mutter eine exzentrische Mathematikerin und ihr Nachbar der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe. Die Sturmgewitter der Französischen Revolution flackern in Form von Gerüchten, Schriften und Besuchern aus dem fernen Frankreich ins kleine Herzogtum und befeuern den Freiheitsdrang der Geschwister. Als ihre Mutter stirbt, nimmt das Leben eine dramatische Wende: In ihrem Testament verfügte diese, dass Eleonore und Felix einen Koffer voller mathematischer Berechnungen zu einem geheimnisvollen Monsieur Schwartz nach Paris bringen müssen, dort erst sollen sie ihr Erbe erhalten. Die Geschwister brechen auf. In Paris lernen sie nicht nur eine weltoffene und libertine Stadt kennen, hier bebt noch immer die Revolution ...

Meinung


Die Französische Revolution war mein Schwerpunktthema im Abitur. In diesem Jahr habe ich das erste Mal die wunderschöne Stadt Weimar besucht. So ist es nicht verwunderlich, dass ich bei diesem Klappentext sofort aufhorchte. Wie ich anfangs erwähnte, kann man bei historischen Romanen viel falsch machen. Auch der Leser muss sich bewusst sein, es nicht mit der vergangenen Historie zu tun zu haben. Sondern mit einer Geschichte, die sich so abgespielt haben könnte. Aber hier wurde nicht viel falsch gemacht.
Susanne Betz  hat „Tanz in die Freiheit“ klug recherchiert und logisch aufgebaut. Der rote Faden ist immer erkennbar, was es dem Leser erleichtert. Denn der Stil ist nicht simpel. Manchmal muss man sich durch die Seiten zwingen, vor allem zu Beginn. Ich selbst brauchte ein paar Seiten um mich an den altertümlichen Stil zu gewöhnen. Dieser Stil macht das Buch aber umso authentischer. Dennoch muss man sich auf diese Schreibweise einlassen, was für einige Leser anstrengend sein kann. Zum Teil kommt man hinter bestimmten Gedankengängen auch nicht hinterher. Ich könnte das Buch dennoch aufschlagen und einen x-beliebigen Satz vorlesen und bin mir fast sicher, dass er ein sehr schönes Zitat abgeben würde. Denn Susanne Betz Art zu schreiben ist gebildet, ausschweifend und in Teilen wunderschön. Normalerweise schreibe ich nicht so viel über den Schreibstil eines Autors, doch hier trägt er maßgeblich zur Geschichte bei und wirkt in die Figuren.
„Tanz in die Freiheit“ ist eine Gesellschaftsgeschichte. Es geht tatsächlich um Freiheit und natürlich um Umbrüche, die Ende des 18. Jahrhunderts allgegenwärtig waren. Der Einstieg fällt dem Leser leicht. Der Prolog ist rasant und spannend und spielt viele Jahre nach Handlungsbeginn. Man bekommt das Bild einer flüchtenden Frau in Paris geliefert: die spätere Protagonistin. Doch dann beginnt das erste Kapitel und besagte Eleonore ist ein behütetes junges Fräulein im beschaulichen Weimar. Wie passen diese beiden Bilder zusammen? Das Interesse des Lesers wird sofort geweckt. Wie ich bereits sagte, baut die Geschichte sich auf. Auch wenn man anfangs annimmt, dass Eleonore im Mittelpunkt steht, ist dies falsch. Es geht tatsächlich um die Geschwister. Ein Kapitel ist aus ihrer und eines aus Felix Sicht verfasst. Diese Perspektiven wechseln sich ab. Und tatsächlich wird das Buch dadurch abwechslungsreich. Denn auch wenn die Geschwister sich lieben und nach außen hin gleich sind, so hat doch jeder seine eigene Art zu denken und zu erzählen, was in den Kapitel verdeutlicht wird. Während Eleonore politikdesinteressiert ist, ist Felix gebildet. Doch er ist auch eitel und weltfremd. Letzteres trifft auch auf Eleonore zu. Die Entwickelung der beiden ist unglaublich und sehr interessant. Mit jedem Kapitel ändert sich immer wieder eine Facette an ihnen, bis sie am Ende wirklich erwachsen geworden sind. Sie erleben in Paris eine Menge. Insgesamt gefiel mir der Wechsel vom fürstlichen Weimar ins revolutionäre Paris sehr gut! Man spürt die Abneigungen der Geschwister und das Feuer, das sie dann packt. Beide lernen verschiedene Menschen kennen, die sie prägen. Mir haben vor allem die Frauen, mit denen Eleonore zu tun hat, gefallen. Vielleicht liegt es auch daran, dass die weibliche Hauptfigur mich insgesamt mehr begeistern konnte. Felix war mir sehr fremd, wenn auch liebenswürdig. Doch beide Protagonisten sind keine Sympathieträger. Man fühlt mit ihnen. Allerdings entwickelt man auch widersprüchliche Gefühle ihnen gegenüber und ist manchmal abgestoßen. Für mich waren sie mehr eine Art Reisebegleiter, als Figuren zur Identifikation. Manchmal konnte ich sie nicht verstehen, dennoch litt ich mit ihnen. Für mich waren vor allem die Nebencharaktere besonders. Julie ist eine temperamentvolle Frau, ohne die sich Eleonore sich nicht zu Recht gefunden hätte. Auch Frau Vulpius ist sehr interessant. Oder Olympe de Gouges. Gerade das ist es, was Susanne Betz gelungen ist. Es gibt eine ausgewogene Mischung zwischen bedeutenden historischen Persönlichkeiten, die wichtig für das Geschehen waren und den fiktiven Charakteren, die nur für diese Handlung von Bedeutung sind. Auch wenn ich es mir kaum vorstellen kann, dass es jemanden wie die beiden Geschwister gegeben haben kann (, der Goethe und viele historische deutsche Persönlichkeiten UND die Geister der Revolution kannte), schadet das der Geschichte nicht. Eleonore und Felix haben selbst genug eigene Probleme, gebettet in die Probleme der Welt um 1800. Zwischenzeitlich las ich eine Passage zweimal, weil mich die grausamen Entwicklungen im Namen der Freiheit so sehr an unsere heutige Welt erinnert haben (man denke nur einmal an die US-Wahl). Ich denke, dass die Autorin in ihren Roman wichtige und auch aktuelle Fragen mit eingebettet hat – und das obwohl die Französische Revolution doch so lang her ist. Meines Erachtens ist das Buch gut recherchiert. Jedenfalls fand ich keine Passage, an der ich dachte, dass das aufgrund der Quellenlage leider nicht sein kann (Historikerkrankkheit). 
Die Handlung ist komplex und vielseitig. Themen wie Freundschaft, Liebe, aber auch Familie und Gesellschaft stehen im Vordergrund. Doch so vieles Kleines zwängt sich dazwischen. Ich habe das Buch gern gelesen, doch warne ich auch davor, dass man es mit Aufmerksamkeit lesen muss. Es ist kein Buch für „zwischendurch“. Sondern interessante, aber auch fordernde Lektüre. Dennoch konnte ich sie sehr genießen!


Fazit


„Tanz in die Freiheit“ ist tatsächlich ein gesellschaftlicher Tanz zweier Geschwister in die verschiedensten Definitionen von „Freiheit“ – aufopfernd und interessant. Eine gut durchdachte Geschichte, gespickt mit einer tollen Figurenkonstellation führen zu einem wirklich guten Buch. Nur der ausschweifende und manchmal verzwickte Stil ließen mich etwas aufschrecken. Alles in allem spreche ich aber für alle, die diese Zeit und die Ereignisse faszinieren eine klare Leseempfehlung aus! Ich vergebe vier Spitzenschuhe, mit denen Eleonore und Felix noch ein bisschen weiter in ihre eigene Freiheit tanzen können.






Vielen Dank an den C. Bertelsmann Verlag und die Verlagsgruppe randomhouse für das schöne Rezensionsexemplar!


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