Titel: Gloria und die Londoner Liebschaften
Autor: Marlene Klaus
Verlag: Dryas
Preis: 10,95€
Seiten: 280
Ich bin ein großer Fan der klassischen Detektive. Sherlock
Holmes oder Hercule Poirot erwärmen immer wieder mein Herz. Zum Glück gibt es
auch tolle Adaptionen dieser klassischen Herren. Aber was ist eigentlich mit
den Damen der Schöpfung? Miss Marple erlangte natürlich große Berühmtheit, aber
ansonsten müssen wir lange suchen, um weibliche Spürnasen zu finden.
Eine solche hat allerdings die Autorin Marlene Klaus mit ihrer Lady Gloria
Wingfield geschaffen, eine Dame des späten 19. Jahrhunderts, beheimatet in
London. In „Gloria und die Londoner Liebschaften“ stürzt sich diese Dame mitten
ins Getümmel, als ein Mord in ihrem nächsten Umfeld geschieht. In diesem Buch
geht es vielmehr um das Thema der Frauenbildung und kleine Liebesgeschichten,
als eine Kriminalgeschichte. Diese
findet nebenbei statt. Die Bezeichnung „viktorianischer Krimi“ passt wunderbar,
doch man sollte das Buch nicht allein darauf beschränken, denn es bietet sehr
viel mehr – und vor allem tolle Unterhaltung mit authentischer Kulisse!
London 1889: Lady Gloria Wingfields Projekt eines
Frauenbildungsvereins nimmt Formen an. Doch am Eröffnungsabend geschieht
während der Feierlichkeiten ein Mord. Das sorgt einerseits für Aufmerksamkeit
für den Verein, andererseits aber für jede Menge Ärger. Zusammen mit dem
Journalisten Morris beginnt Gloria, Nachforschungen anzustellen. Was ihrem
Freund Lord Lyndon gar nicht gefällt. Wie sich herausstellt, hat er seine
Gründe.
Gloria ist keine klassische Detektivin und macht diesen
Gegenstand keinesfalls zu ihrem Hauptberuf – das wäre für eine Lady wohl auch
nicht schicklich. Doch egal wo sie auftaucht, scheinen Verbrechen der
schlimmsten Sorte zu geschehen. Und so fühlt sie sich dazu berufen, diese zu
lösen: aus Nächstenliebe, Gerechtigkeit oder auch für die eigene Sache.
Bisher sind drei Romane um Gloria erschienen. Der erste spielt in Verona, der
zweite in Alexandria und nun mit den „Londoner Liebschaften“ lernen wir
erstmals Glorias Heimat kennen. Ich kenne den zweiten Teil „Gloria und eine
ägyptische Affäre“ leider nicht, doch bereits der erste Teil im idyllischen
Italien hat mir sehr gut gefallen. Und daher musste nun das dritte Buch der
Reihe bei mir einziehen.
Man muss vorweg sagen, dass Marlene Klaus intensiv recherchiert, bevor sie ein
Buch schreibt. Man kann aus dem Buch in gewisser Weise viele Interessen der
Autorin herauslesen, denn sie behandelt Themen, die ihr selbst wichtig sind.
Dieses Mal ist der Fokus sehr interessant gesetzt und ich fand die Themen
einfach wahnsinnig gut, denn sie haben enorme Wichtigkeit. Das Buch spielt
1889, also in einer Zeit, in der die Frauen begannen, für ihre Rechte zu
kämpfen, aber gern noch belächelt wurden. Für mich ist es unglaublich schwer
vorstellbar, wie es in einer solchen Zeit wohl aussah. Doch dieses Bild vermittelt
die Autorin so authentisch, dass ich keinerlei Vorstellungskraft benötigte.
Allein ihre Beschreibungen reichten völlig aus, um einen Eindruck zu
vermitteln. Die Kulisse des gerade noch viktorianischen Londons ist atemberaubend
und mir gefielen die Alltagsschilderungen sehr gut.
In den „Londoner Liebschaften“ geht es vor allem um den Frauenbildungsverein „Elisabeth“,
den Gloria gemeinsam mit einer Freundin gründet. Über die Eröffnung berichtet
natürlich die Presse und somit sind die beiden (politischen) Themen, die im
Roman dominieren, gefunden: Frauenbildung und Presse im 19 Jahrhundert. Beide
Themen werden toll verarbeitet, allerdings verliert die Autorin darüber
manchmal den Krimi-Aspekt aus den Augen. Dennoch konnte sie mich mit
dieser Storyline überzeugen. Schon allein beim Opfer des Mordes traf die
Geschichte mein Herz, denn diese Person wollte ich nun wirklich nicht tot
sehen. Insgesamt finde ich die Krimigeschichte auch wirklich gut ausgearbeitet,
denn des Öfteren überraschten mich die Wendungen. Ich hatte bis kurz vor Ende
den falschen Verdacht, kam irgendwann aber auch auf die Lösung. Die Auflösung
ist übrigens auch gut gelungen.
Nebenbei spielt aber Glorias Privatleben eine sehr große Rolle. Im ersten Teil
lernte die Britin den arroganten Lord Lyndon kennen, der seitdem in allen
Romanen ene große Rolle spielt. Inzwischen sind die beiden beim „Du“ angekommen
und ein zartes Pflänzchen der Zuneigung ist entstanden. Doch in diesem Buch entdeckt
Gloria ihre Schwärmerei für den Journalisten Morris – und das gefällt Alexander
Lyndon so gar nicht. Für mich war dieser Handlungsfaden toll zu verfolgen, denn
ich mochte Morris gar nicht. Allerdings nahm er auch sehr viel Zeit in
Anspruch, was wiederum für Langatmigkeit sorgt.
Natürlich gibt es noch sehr viel mehr Figuren als Gloria. Zwar ist sie die
Protagonistin, doch für mich war sie nie der sympathischste Charakter des Buches.
Ihre Tante Jo, die in jedem Buch eine Rolle spielt, ist ein wahrer Schatz. Und
mein persönlicher Favorit ist natürlich Lord Lyndon. Ich finde, dass er eine
tolle Entwicklung durchmacht und inzwischen konnte ich ihn richtig ins Herz
schließen. Die anderen Nebenfiguren sind ebenfalls sehr interessant. Viele
davon sind natürlich Frauen. Und einige Persönlichkeiten hat es tatsächlich
gegebene. Marlene Klaus nimmt sich die Freiheit heraus, ein paar Berühmtheiten
im Buch auftauchen zu lassen, doch dies ist im Anhang des Buches gekennzeichnet
und erklärt und ergibt im Kontext wirklich Sinn. So dürfen wir beispielsweise
Mr. Oscar Wilde und seine Frau Constance kennenlernen oder auch Florence Miller
oder Sir James Ollive. Schon an diesem Umstand erkennt man die Arbeit der
Recherche. Für mich war es eine sehr schöne Mischung zwischen Fiktion und
historischem Roman. Der historische Anteil ist tatsächlich ein sehr großer und
deshalb hat man nach dem Lesen auch das Gefühl, über diese Zeit und die
Frauenrechte einiges gelernt zu haben.
Der Stil der Autorin passt sich der authentischen Kulisse gut an. Lediglich
über ein paar Vokabeln bin ich gestolpert, die mir für die Zeit nicht ganz
angemessen erschienen. Insgesamt hält Marlene Klaus den Stil aber stringent
durch. Das Buch lässt sich gut lesen und sorgt durch spritzige Dialoge für gute
Unterhaltung. Manchmal tauchen aber auch Stellen auf, die etwas langatmig
erscheinen.
Außerdem ist am Kapitelbeginn immer eine kleine Illustration abgebildet, die wirklich toll sind. Den Titel des Buches finde ich übrigens ein bisschen
fehlleitend, da die „Liebschaften“ sich eigentlich nicht auf den Mord beziehen.
Aber die Alliteration bleibt natürlich im Kopf.
Noch ein paar Worte zum Ende: Für mich war die Auflösung wirklich spannend,
aber das Buch geht noch etwas über diese hinaus. Das Privatleben von Gloria
muss schließlich ebenfalls betrachtet werden. Daher gefiel mir das letzte
Kapitel außerordentlich gut, in dem Lord Lyndon und Gloria auf ihrem Landgut
sind. Es war ein Ende nach meinem Geschmack! Dort wird übrigens auch angedeutet, dass der nächste Band wohl im fernen
Indien spielen wird. Man darf gespannt sein.
„Gloria und die Londoner Liebschaften“ ist ein Buch, das
nicht nur mit Spannung und Überraschung glänzen kann, sondern vor allem durch
authentischen Zeitgeist und eine interessante Themenwahl besticht. Darüber
verliert das Buch manchmal den Krimifokus aus den Augen, was etwas schade ist. Dennoch
ist für tolle Unterhaltung gesorgt, denn die anderen Themen sind mindestens
genauso interessant. Es handelt sich um locker leichte Lektüre, bei der man
aber durchaus etwas lernen kann. Die Figuren machen Entwicklungen durch und man
schließt sie ins Herz. Insgesamt handelt es sich um einen tollen historischen
Roman, dem ich gerne vier Spitzenschuhe gebe. Für mich persönlich hoffe ich sehr,
dass Gloria auch in Indien das „Unglück“ anziehen wird.
Vielen Dank an den Dryas- Verlag für das wunderschöne Rezensionsexemplar!
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