17. November 2017

Review: "Mord im Orientexpress"


          Titel: Mord im Orientexpress

          Regie: Kenneth Branagh

          Länge: 1h 54m

          FSK: 12

          Produktionsland: USA

          Erscheinungsjahr: 2017



Jeder hat schon einmal etwas von der großen Agatha Christie gehört. Inzwischen habe ich viele Bücher von ihr gelesen und mein Herz ein kleines Bisschen an den Detektiv Hercule Poirot verloren. „Mord im Orientexpress“ war mein erster Christie-Roman und natürlich freute ich mich dementsprechend sehr, als bekannt wurde, dass es 2017 eine Neuverfilmung geben würde. Und dann auch noch mit dieser Besetzung! Johnny Depp, Michelle Pfeiffer, Daisy Ridley und Penelope Cruz sind nur einige der bekannten Namen. Der Film musste also gut sein! Allerdings bin ich immer skeptisch, wenn der Regisseur auch gleichzeitig die Hauptrolle übernimmt und Kenneth Branagh kannte ich nur aus Harry Potter, wo er eine vollkommen andere Rolle mimt (Gilderoy Lockhard). Doch Branaghs Interpretation von Poirot gefiel mir erstaunlich gut und insgesamt bietet der Film gelungene Unterhaltung. Ein paar Abstriche gibt es leider trotzdem. Doch ein Film ist nie so gut, wie seine Buchvorlage…

Für die Rückreise von einem seiner Fälle nimmt Hercule Poirot (Kenneth Branagh) den legendären Orient-Express. An eine gemütliche Zugfahrt ist aber nicht lange zu denken, stattdessen hat der berühmte Meisterdetektiv bald wieder Arbeit: Ein Passagier wird ermordet und damit ist klar, dass einer der übrigen Reisenden der Täter sein muss. Die spanische Missionarin Pilar Estravados (Penélope Cruz), die Gouvernante Mary Debenham (Daisy Ridley), Professor Gerhard Hardman (Willem Dafoe), die Witwe Mrs. Hubbard (Michelle Pfeiffer) und der Doktor Arbuthnot (Leslie Odom Jr.) sind alle verdächtig. Doch bald wird Poirot klar, dass er den Fall nicht lösen wird, wenn er mehr über die möglichen Täter erfährt. Er muss mehr über das Opfer herausfinden – und sich beeilen, damit der Killer nicht nochmal zuschlägt…
Quelle: http://www.filmstarts.de/kritiken/225870.html


Es gibt sicher kaum einen Krimi, der so ausgeklügelt ist, wie „Mord im Orientexpress“. Ich kann dieses Buch wirklich nur empfehlen, denn es ist von vorne bis hinten ununterbrochen spannend und endet so vollkommen anders, als man erwartet. Niemand kann auf die Lösung kommen – außer Poirot. Doch es sei angemerkt, dass Poirot meistens auch zwei, drei Informationen mehr hat als der Leser und in diesem Fall der Zuschauer.
Der Film beginnt sehr bildgewaltig in Jerusalem und mit einem tollen Einstieg in Poirots Arbeit. Man wird auf das Kommende wunderbar eingestimmt und lernt den Charakter von Poiroit kennen. Ein bisschen arrogant, ein bisschen exzentrisch und überaus intelligent und rechtschaffend. Wo Poirot auftaucht, haben Verbrecher das Nachsehen. Sehr imposant ist übrigens der Bart, den Banagh im Film trägt. Poirot hat schon immer viel Wert auf seinen Gesichtsschmuck gelegt, doch in dieser Verfilmung ist der Schnurrbart überaus auffällig. Aber warum nicht? Eigentlich hat in meiner Vorstellung der belgische Meisterdetektiv das Gesicht von David Suchet und deshalb traute ich Banagh diese Rolle wirklich nicht zu. Ihm fehlt das Gemütliche, der dicke Bauch…aber tatsächlich nicht die Überheblichkeit. Zwar mag ich Suchet deutlicher lieber, aber ich finde auch, dass Banagh Poirot trotzdem richtig interpretiert hat. Des Weiteren fand ich ihn sehr humorvoll. Insgesamt gibt es immer mal wieder kleine Passagen und Dialoge, über die man lachen oder zumindest lächeln kann. Doch der Film lebt weder übermäßig von Humor, noch von Action. Obwohl es zwei, drei rasante Szenen gibt, ist Poirot eben kein Action-Held. Und das ist gut so. Der Film unterhält lediglich durch klassische Detektivarbeit. Ich fand ihn zu keiner Zeit langweilig, meine Kinobegleitung kämpfte aber sehr wohl mit Müdigkeit. Es kommt also vielleicht drauf an.
Im Grunde gefielen mir die Verhöre, das langsame Erarbeiten der Aufklärung und vor allem die endgültige Aufklärung gut. Aber irgendwie kommt die Ermittlung auch zu kurz. Liest man das Buch, wird dem Leser immer wieder vor Augen gehalten, dass er auf dem Holzweg ist. Meiner Meinung nach gibt es im Film zu wenige Hinweise für den Zuschauer, um mitzuraten. Er ist nicht so sehr gefordert, weil Poirot einfach feststellt, so kann es sein und so ist es nicht. Mir hat die Denkarbeit, die bei Christie eigentlich immer auf den Plan tritt, gefehlt. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass ich wusste wer der Mörder ist. Mir gefiel es aber nicht, immer nur vor vollende Tatsachen gestellt zu werden. Natürlich ist die Aufklärung von Poirot genial und die Inszenierung gefiel mir im Film wirklich gut. Aber der Zuschauer konnte sich selbst kein Bild machen. Auch, weil ein paar Charaktere und Verdächtige sehr, sehr kurz kommen und man gar nicht die Chance hat, über sie nachzudenken. 
Es gibt kleine Änderungen von Buch zu Film. Der Orientexpress wird von einer Lawine überrascht und steht deswegen in einer Winterlandschaft. Während dieses ungeplanten Aufenthalts muss Poirot den Fall lösen. Dadurch ändert sich manchmal die Kulisse und kann mit atemberaubenden Schneelandschaften aufwarten. Diese Änderung  war mir daher willkommen, denn sie bietet viele ästhetische Bilder und mehr Spielraum. Die ein oder andere Kameraeinstellung fand ich aber unpassend. Wenn Poirot das Opfer untersucht, wird die Vogelperspektive verwendet – über mehrere Minuten. Das fand ich ziemlich anstrengend, ist aber wahrscheinlich Geschmackssache. 
Die Schauspieler gefielen mir alle wirklich gut! Johnny Depp macht einen tollen Job, auch wenn sein Part eher klein ist. Ich bin ein großer Fan von Daisy Ridley und fand sie einfach nur niedlich. Auch die anderen Schauspieler sind sehr überzeugend und ich muss Kenneth Branagh wirklich loben. Auch Judi Dentch hat eine überzeugende Rolle und es gefiel mir, dass viele Stars ja nur kleine Rollen haben. Solche Berühmtheiten in artigen Nebenrollen waren wirklich sehr interessant.




Alles in allem hat mich „Mord im Orientexpress“ gut unterhalten und viele Bilder haben mich wirklich beeindruckt. Der Film hat einen gewissen Humor und Poirot wird sehr überzeugend von Branagh verkörpert. Auch wenn man Poirot vielleicht anders gewohnt ist, macht der Hauptdarsteller seine Rolle gut. Auch der restliche Cast ist mehr als überzeugend! Leider darf der Zuschauer nicht sehr viel miträtseln und wird von Poirot immer in eine bestimmte Richtung gestoßen – den Fall Armstrong. Im Buch ist das tatsächlich anders und daher fand ich es sehr schade, immer vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Dennoch habe ich den Film sehr gern geguckt und die Einstellung der 12 Passagiere an einem Tisch bei der Aufklärung des Verbrechens ist ein sehr einprägsames und gelungenes Bild. Ich vergebe ganz knappe 4 Sterne für die Neuverfilmung von „Mord im Orientexpress“ und bin gespannt, ob Branagh noch einmal in die Rolle des Poirot zurückkehren wird. Ich hoffe es! Denn vielleicht werden so ja auch die klassischen Romane wieder mehr gelesen.

2 Kommentare:

  1. Hallo liebe Julia!

    Eine tolle Review, vielen Dank für deine ausführliche Meinung! Ich habe den Film auch gerade erst im Kino geschaut, weshalb ich wirklich neugierig auf deine Meinung war. :) Besonders gut finde ich, dass du auch die anderen Verfilmungen zu kennen scheinst und das Buch gelesen hast. Buchtechnisch bin ich leider noch ein unbeschriebenes Blatt, aber nach dieser tollen Verfilmung habe ich mir gleich "Tod auf dem Niel" in der Bücherrei ausgeliehen. Bin schon sehr gespannt. :D

    Liebste Grüße
    Nina von BookBlossom

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    1. Hallo Nina:)
      Cool, dass du den Film auch schon gesehen hast!
      Hat er dir denn gut gefallen?
      "Tod auf dem Nil" ist ebenfalls ein richtig tolles Buch! Ich bin gespannt, wie es dir gefällt!
      Ja,ich kenne die alte Verfilmung und ich schaue die englische TV-Serie super gern! Poirot ist einfach ein super interessanter Charakter! :)
      Ganz liebe Grüße und vor Spaß beim Lesen!
      Julia

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