Ich bin eine Städtereisen-Fan! Und das bereits seit Jahren. Es ist eher selten, dass mein Freund und ich in einen entspannten Sommerurlaub fliegen oder in die Berge zum Wandern fahren. Uns zieht es meistens in die europäischen Haupt- und Großstädte, die man einfach gesehen haben sollte. Rom, Paris, London, Prag und Venedig haben wir so schon gesehen. Unser nächstes Ziel ist Barcelona.
Doch vor lauter Fernweh vergisst man manchmal, dass das Gute auch so nahe liegen kann. Zwar kenne ich einige deutsche Städte, aber doch die wenigsten. Vor ein paar Jahren schrieb ich in meinem Studienfach Geschichte eine Hausarbeit über das Speziallager II in Buchenwald, besser bekannt als das Konzentrationslager Buchenwald unter dern Nazis. Die wenigsten wissen, dass dieses KZ eine doppelte Geschichte hat und nach der NS-Zeit von den Sowjets weiter benutzt wurde. Zwar nicht als Vernichtungslager, doch streng genommen war es das unter den Nationalsozialisten auch nicht. Durch die intensive Recherche über das Lager, hegte sich in mir der Wunsch, dieses Gelände einmal zu besuchen. Aber von Bremen nach Buchenwald ist jetzt auch nicht unbedingt ein Katzensprung. Und so dachten wir: Yeah, der nächste Städtetrip! Doch diesmal war das Ziel ein viel kleineres: das beschauliche Weimar mit anschließendem Tag in Buchenwald.
Weimar. Die Stadt der Dichter und Denker. Kaum ein Ort ist durch die deutsche Literatur so berühmt, wie das 65000 Seelen-Dorf in Thüringen. Die Stadt, die Goethe so geprägt hat, in der sich Schiller niederließ und in der heute noch unzählige Musikschulen für Hochbegabte stehen. Für mich als Germanistik-Studentin war klar, dass ich mir diese Stadt nicht entgehen lassen darf. Und da unter euch sicher auch ein paar Literaturinteressierte sind, dachte ich, wird es Zeit für meinen zweiten Reisebericht.
Insgesamt verbrachten wir drei Tage in Weimar, wobei wir spät anreisten. Das hatte den simplen Grund, dass ich erst die Nacht zuvor aus Mannheim von der Deutschen Meisterschaft zurückkam und dementsprechend kaputt war. Mein Freund ließ mich allerdings im Auto schlafen...Bereits unsere Hinreise war von viel Glück gesegnet. Die Hälfte der Strecke fuhren wir über Landstraßen. Und wie das so der Traum aller Autofahrer ist, fuhr vor uns irgendwann eine Fahrschule. Aber nein...nicht einfach nur eine Fahrschule. Vor dem Fahrschulwagen fuhr nämlich ein Motorrad. In meiner Familie wird viel Motorrad gefahren und sorry - der Kerl hatte eine seiner ersten Stunden. In jeder Kurve wurde auf 30 km/h abgebremst und die Schlange wurde immer länger. Aber natürlich kann man auch nicht einfach überholen. Und so fuhren wir 40 km hinter einem Fahrschulwagen hinterher. Unglaublich entspannend und gar nicht nervtötend.
Als wir dann irgendwann ankamen und uns ausgeruht hatten, machten wir uns auf den Weg in die Stadt. Ich habe es wirklich noch nie erlebt, dass alles Sehenswerte einer Stadt soooo nah beieinander liegt. Bereits bei diesem Abendspaziergang konnten wir so gut wie alles Wichtige von außen betrachten. Der Park an der Ilm war sehr schön und ich kann verstehen, warum Goethe sich hier niederließ. Sein kleines und ach so niedliches Gartenhaus strahlt aber schon eine gewisse Arroganz aus...
Erst am nächsten Tag fing die Erkundung so richtig an. Unsere erste Station war Goethes Wohnhaus am Frauenplan mit anschließendem Museum. Ich muss sagen, dass ich wirklich ein Geschichtsfreak bin. Mein Freund ist eher von der Sorte: "Oh toll, Julia...ein Stein. Klasse!" Während ich dann aufgeregt hin und her hüpfe und sage: "Ja, aber was hier einmal gewesen ist und...." Ihr könnt euch vorstellen, dass er es nicht immer leicht hat. Und so auch nicht in Weimar. Ich ging mit deutlich mehr Interesse an die Sache, aber das heißt nicht, dass er völlig gelangweilt durch die Gegend marschierte. Ich will ja auch keinen falschen Eindruck vermitteln. Das Goethewohnhaus ist vielleicht nicht unbedingt spektakulär, aber trotzdem ziemlich krass. Und zwar aus dem Grund, weil Goethe einfach protzte. Im Ernst...ich glaube ich finde keinen deutschen Dichter so unsympathisch durch seine Lebart wie den großen Meister. So gut wie kein klassischer Dichter hatte das Glück, zu Lebzeiten berühmt zu sein. Viele hatten überhaupt kein Geld, keinen Besitz, tragische Liebesgeschichten und was nicht alles. Für viele endete das Künsterleben im Suizid. Aber nein...nicht Wolfgang von Goethe. Denn er hatte Gönner und gute Kontakte. Was er schrieb, wurde gelesen. Und so kann man ihn als klassischen Superstar sehen. Und dementsprechend hat er auch gelebt. Für damalige Verhältnisse ist das Goethe-Haus der Wahnsinn. Die Bibliothek und das Schreibzimmer waren sehr sehenswert und irgendwie war es auch krass, den Sessel zu sehen, in dem Goethe gestorben ist. Hat was gruseliges, wenn ihr mich fragt. Besonders schön ist übrigens der Garten des Hauses. Ich kann es bis heute nicht fassen, dass er damals so ein großes Gelände nur für sich und seine Frau zur Verfügung hatte. Und das Ganze auch noch geschenkt! Schön kann das Leben sein...
Ganz anders der arme Schiller. Zu dessen Wohnhaus, das keine 200m entfernt liegt, führte uns unser nächster Weg. Das Haus ist ebenfalls relativ groß und gut eingerichtet. Allerdings hatte Schiller ja auch vier Kinder...was ja drei mehr sind als Goethe. Daher braucht man vielleicht auch ein paar mehr Räume. Außerdem musste Schiller sein Haus ja auch bezahlen - bekommt ja nicht jeder hier alles geschenkt. Er musste mit seinem Geld wirklich haushalten und die privaten Finanzaufstellungen von Schiller waren wirklich interessant. Auch, weil er einen Großteil seines Geldes für gutem Wein ausgab...wer weiß...vielleicht war er gar nicht gesundheitlich so angeschlagen, sondern trank einfach gern zu viel.
Was ich persönlich für mich feststellen musste ist, dass ich viel mehr Werke von Schiller, als von Goethe gelesen habe. Ich finde wirklich, dass der Mann toll geschrieben hat. Sein Ruhm ist heute natürlich ebenfalls unfassbar groß, aber für mich ist Schiller auch der sympathischere der beiden großen Dichter. Natürlich besuchten wir danach noch das Denkmal von beiden Dichtern vor dem Nationaltheater, das ja übrigens Goethe gegründet hat. Mann...der Kerl hatte auch überall seine Finger drin. Kein Wunder also, dass er uns auch im Wittumspalais überall begegnete. Herzogin Amalia hatte hier ihren Stadtsitz und führte regen Kontakt zu Künstlern. Das Palais war wirklich schön...ich finde es ja toll durch alte Schlösser zu laufen...da wäre ich dann immer gern selbst Prinzessin...
Direkt gegenüber von Schillers Wohnhaus liegt übrigens eine Buchhandlung, die es auch schon zu Goethes Zeiten gab. Mein Reiseführer war so nett mir mitzuteilen, dass er dort seine Bücher gekauft hat. Und dass es von Stil zeugen würde, sich in dieser Buchhandlung eine Goethe-Ausgabe zu kaufen. Wer wäre ich, wenn ich mich solchen Tipps widersetzen würde?! Absolut unmöglich...also kaufte ich in Weimar die Fischer-Klassik-Ausgabe von Faust. Das Buch hatte ich zwar vor Beginn meines Studiums gelesen, allerdings besaß ich es bis jetzt noch nicht. Diesem Umstand wurde ein Ende gemacht und wir gingen in eines der Archive von Weimar.
Dort wechselt die Ausstellung, welche lediglich aus 15 Originalschriftstücken besteht. Unter anderem konnten wir uns hier einen Text von Goethe und auch seiner Enkelin ansehen. Am besten gefiel mir das Notenblatt von Franz Liszt, das ebenfalls auslag. Unglaublich, wozu Komponisten in der Lage sind.
Den Rest des Tages spazierten wir so durch die Stadt. Wir kamen am Schloss vorbei, liefen weiterhin durch den Park, besichtigten den Marktplatz und die kleinen Gassen. Es gab einfach unglaublich viel zu sehen und Weimar ist irgendwie kulturell und schnuckelig zugleich.
Ein wenig gescheitert waren wir an diesem Tag allerdings trotzdem. Das wohl berühmteste Gebäude in Weimar ist die Herzogin-Amalia-Bibliothek. Und die musste ich als Bücherliebhaberin natürlich gesehen haben. Leider informierten wir uns ein wenig schlecht über die Bibliothek. Denn als wir gegen Mittag dort hin gingen, war sie "ausverkauft". Wir konnten uns das erstmal nicht erklären. Allerdings erfuhren wir dann, dass aufgrund der Feuchtigkeit für die Bücher nur 250 Menschen pro Tag in die Bibliothek durften. Dabei wurden pro Tag ab 9 Uhr morgens 50 Karten verkauft. Die restlichen werden nur im Vorhinein übers Internet vergeben. Tja, blöd gelaufen. Unsere einzige Chance in die Bibliothek zu kommen, war es also am nächsten Morgen um 9 Uhr vor den Toren zu stehen. Das passte so gar nicht in den Plan, denn wir wollten früh morgens nach Buchenwald aufbrechen. Aber okay...da der Buchenwald-Tag auch unser Rückreise-Tag war, kam es auf die Stunde auch nicht mehr an.
Und so hieß es Daumen drücken, dass wir noch zwei von den 50 Tickets bekommen. Es glückte. Pünktlich um 9.30 Uhr durften wir die Amalia-Bibliothek betreten und gingen direkt in den berühmten Rokoko-Saal. Ich mache es kurz. Er ist wunderschön und bietet eine ganz besondere Atmosphäre. Ich hätte gern mehr gesehen und die Bücher genauer betrachtet, doch das ging leider nicht. Viele von euch wissen sicher auch, dass die Bibliothek 2004 einen schweren Brand verkraften musste, bei dem ein Großteil der Bücher Schaden erlitten. Die meisten werden immer noch restauriert, andere konnten gar nicht gerettet werden. Die dazugehörige Ausstellung ist sehr interessant! Ich persönlich musste oft an Mortimer aus der Tintenwelt-Trilogie denken, da er ja auch Bücher restauriert...
Nach diesem kurzen Besuch der Bibliothek fuhren wir dann nach Buchenwald. Bereits der Weg dorthin ist beengend. Man fährt 5 km auf der so genannten "Blutstraße", die Häftlinge erbauen mussten. Man befindet sich mitten in der Natur und erwartet kaum einen solchen Graus. Doch das KZ war unglaublich. Wir schlossen uns einer öffentlichen Führung an, die kanpp zwei Stunden ging. Unser guide war ein älterer Herr, der jedoch sein ganzes Leben in Weimar verbracht hat und somit auch ein gwisses Zeitzeugenwissen hatte. Es war furchtbar interessant. Als wir das Lager-Gelände betraten, rief das sofort Beklemmung hervor. Ich war zuvor noch niemals in einem KZ und man kann nicht sagen, wie sehr es mich beeindruckt hat. Jeder sollte sich diesen Teil der deutschen Geschichte ansehen. Vor Ort zu sein ist etwas völlig anderes, als in Büchern darüber zu lesen. Als zukünftige Pädagogin kann ich nur betonen, wie wichtig es ist, Schüler dafür zu sensibilisieren. Es waren auch einige Schulklassen da und selbst diese haben sich keine blöden Scherze erlaubt. Denn auch wenn man in Buchenwald nicht mehr allzu viel sehen kann, ist das wenige beeindruckend. Das Krematorium mit Pathologie und Folterkeller stehen noch. Das Gefühl beim Betreten dieser Räumlichkeiten ist nicht beschreibbar. Ein paar Kleinigkeiten irritierten mich in der Führung, denn wenn man selbst viel Fachliteratur gelesen hat, zweifelt man an dem ein oder anderen Punkt. Aber das war nebensächlich. Solltet ihr euch für das Thema interessieren und habt die Chance nach Buchenwald zu fahren, dann lege ich es euch wirklich absolut ans Herz. Richtig großartig sind nämlich auch die beiden Ausstellungen, die wir uns angesehen haben. Es gibt drei Museen auf dem Gelände. Eines zur NS-Zeit, eines zur Sowjet-Zeit und eines zur Kunstszene, welches wir aber nicht besichtigt haben. Die NS-Ausstellung ist großartig konzipiert. Es gibt tolle und informative Quellen, eine tolle Installation und wirklich lehrreiche Inhalte. Man muss sich für dieses Museum Zeit nehmen - doch es lohnt sich. Leider waren wir danach so kaputt, dass wir dem Sowjet-Museum nur wenig Aufmerksamkeit schenken konnte. Dabei bin ich ja gerade auf diesem Gebiet Experte. Schade!
Der gesamte Besuch ist absolut lohnend! Man hätte noch so viel mehr sehen können! Zum Schluss haben wir uns noch das DDR-Denkmal vor dem großen Glockenturm angesehen, den man von Weimar aus ebenfalls sehen kann.
Ich hole hier viel zu weit aus und erzähle viel zu viel, doch Weimar ist wirklich ein Kulturschatz. Ich habe die drei Tage dort sehr genossen und sehr viel gelernt. Wer sich also für Themen solcher Art interessiert, sollte die Stadt der Dichter und Denker unbedingt besuchen. Ich persönlich möchte noch einmal nach Buchenwald, denn ich habe noch lange nicht alles gesehen.
Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt, meinen kleinen Reisebericht zu lesen :) Ich hoffe ich konnte euch ein bisschen unterhalten.
Wart ihr schon einmal in Weimar? Oder habt ihr euch das KZ Buchenwald schon einmal angesehen? Vielleicht ein anderes KZ? Was haltet ihr von Goethe und Schiller? Legenden oder einfach nur überbewertet? Lasst mich eure Meinung wissen, ich würde mich freuen :)
In diesem Sinne,
eure Julia
Ein sehr schöner Bericht mit tollen Bildern! :)
AntwortenLöschenIch fand Goethes Wohnhaus auch sehr beeindruckend, wobei ich beim "Protzigen" wohl beide Augen zugedrückt habe - seine antiken Büsten z. B. hätte ich selbst auch gerne besessen. :D Und so ein schickes Gartenhaus... joa, da würde ich auch nicht nein sagen. Zumal der Park einfach wunderschön ist. ;D Schiller kommt aber doch deutlich bodenständiger daher. Dennoch finde ich Goethe irgendwie "interessanter", auch wenn er wohl kein ganz einfacher Mensch war. Seine Werke sagen mir aber auch mehr zu als die von Schiller. Keine Ahnung warum.
Die Bibliothek ist wirklich wunderschön! Wir hatten damals ziemlich viel Glück, uns war 9 Uhr morgens nämlich zu früh. Doch als wir nachmittags da langgeschlendert sind, konnten wir unseren Augen kaum trauen: es gab noch Karten! Und so kamen wir zum Glück trotzdem noch rein. :)
Oh wow, dann hattet ihr mit den Bibliothekskarten ja richtig Glück! Voll cool! Wir haben es ja zum GLücke auch noch reingeschafft ;)
LöschenDanke, das freut mich, dass dir der Bericht gefällt! Weimar ist wirklich super schön! Bei Goethe und Schiller ist das sicher Geschmackssache. Bodenständiger ist Schiller auf jeden Fall, aber wer hätte an Goethes Stelle all das schon abgelehnt ;)
Liebste Grüße,
Julia