Titel: Galgenmädchen
Autor: Jean-Claude van Rijckeghem & Pat van Beirs
Verlag: Gerstenberg
Preis: 5,00€
Seiten: 496
Obwohl ich Geschichte studiert habe, verirre ich mich eher
selten ins Genre der Historischen Romane, obwohl auch diese oft gut sind. Wird
das Genre aber mit dem des Jugendbuches gepaart, ist die Mischung auch für mich
interessant - selbst wenn der Zeitraum das Mittelalter betrifft. Denn genauso
ist es bei dem Buch „Galgenmädchen“ von den belgischen und niederländischen
Autoren Jean-Claude van Rijckeghem und Pat
van Beirs. Ihr Buch spielt in den Niederlanden und Spanien im ausgehenden 16.
Jahrhundert, was ein sehr besonderes Setting darstellt. Hinzu kommen eine sehr
starke Protagonistin, ein authentischer Stil und eine interessante Geschichte,
die auch nach dem Lesen noch lange im Kopf bleibt. Wirklich zu empfehlen!
Antwerpen 1582. Die 14-jährige Beutelschneiderin Gitte
Niemandstochter hat schon die Schlinge um den Hals, als sie in letzter Minute
dem Galgen entkommt. Statt des sicheren Todes erwartet sie eine Seereise nach
Sevilla, wo sie für den Prinzen von Oranien spionieren und die strategisch
wertvollen Seekarten stehlen soll. Die Niederlande liegen mit Spanien im Krieg,
und Gittes mysteriöse Herkunft als angebliche Bastardtochter eines spanischen
Herzogs soll ihr bei ihrer Rolle als Spionin helfen. Tatsächlich schafft sie es
in die Familie des Herzogs aufgenommen zu werden. Doch ihre Doppelrolle als
Spionin und Tochter bringt sie zunehmend in Bedrängnis, umso mehr, als sie sich
in einen Schützling des Herzogs verliebt...
Das Buch stand sehr lang ungelesen in meinem Regal, dabei
hat es das absolut nicht verdient. Man hat es hier mit einer anderen, einer
ungewöhnlichen Geschichte zu tun. Das liegt nicht nur an der Handlungszeit und
dem Handlungsort, sondern am Thema an sich. Man lernt Gitte als Diebin kennen,
die alles für ein warmes Essen tun würde. Erst nach und nach wird ihr
bisheriges Leben geschildert, die Umstände, durch die sie überhaupt zur Diebin
wurde und ihre wahre Herkunft werden angerissen. Dieser Teil des Buches war
relativ schwer für mich. Ich fand nicht sofort in die Geschichte, denn man muss
sich zunächst an den Stil gewöhnen. Die beiden Autoren schreiben wirklich gut
und schaffen es vor allem den Zeitgeist einzufangen – auch mit Hilfe des
Vokabulars. Viele Ausdrücke sind aber sehr derb oder vulgär und man stolpert
ein bisschen. Andererseits gehören sie ins Mittelalter und waren damals
keineswegs ungewöhnlich. Trotzdem stockte ich bei Begriffen wie „pissen oder Kackstein“.
Dadurch dauerte es ein bisschen, bis ich in der Geschichte ankam. Außerdem sind
die ersten 100 Seiten noch nicht ganz so aufregend, sie bauen allerdings
Authentizität auf.
Spannend wird es dann, als Gitte kurz davor ist, gehängt zu werden. Ihre
Begnadigung, die Vorbereitung auf den Auftrag und die Fahrt nach Sevilla
vergehen wie im Flug. Und als Gitte in Spanien ankommt, beginnt die Geschichte
erst richtig. Sehr oft verändert sich der Fokus von „Galgenmädchen“, die Themen
variieren. Das Buch handelt von Gittes Leben und zeigt dies in allen Facetten.
Deswegen werden ganz verschiedenen Atmosphären und Eindrücke gesammelt und
angerissen. Was mit einer Gaunergeschichte beginnt, wird zu einem Abenteuer,
einer Liebesgeschichte, eine Geschichte über Familie und Ehre. So viele Themen
werden miteingezogen und spielen eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang
entwickelt sich die Protagonistin Gitte stark. Man ist an ihrer Seite während
sie von einem Gossenmädchen zu einer spanischen Dame reift und das Leben mit
ganz anderen Augen sieht. Sie hat schon alles durchgemacht und wird dadurch zu
einem sehr interessanten und vor allem starken Charakter. Sie führt den Leser
durchs Buch und zieht ihn langsam in ihren Bann. Ich mochte Gitte sehr gern.
Sie ist ungewöhnlich, ist aber eine Kämpferin! Eine Wahnsinns-Frau, die ich am
Ende wirklich sehr bewundert habe! Die Handlung ist nicht voraussehbar und vor
allem den Handlungsstrang der letzten 100 Seiten hatte ich so nicht erwartet.
Man kann sich also überraschen lassen.
Neben Gitte gibt es noch einige Nebenfiguren. Auch diese haben sehr
interessante Züge, spielen neben Gitte aber nur eine untergeordnete Rolle. Da
wären natürlich der Herzog und die Herzogin, zu denen Gitte kommt, dann Don
Domingo, in den sie sich verliebt, aber auch Karel oder Johannes. Alle Figuren
sind für die Geschichte wichtig und erfüllen mehr als nur ihren Zweck – sie machen
die Geschichte aufregend.
Die Handlungsorte sind toll eingefangen. Überhaupt ist die Geschichte mit viel
Authentizität geschrieben: Man fühlt sich, als wäre man vor Ort. Man bekommt
einen Eindruck der Wichtigkeit der Kirche im Mittelalter. Für den Krieg, die Menschen, das Leben. Antwerpen und Sevilla sind die
Städte in denen die Handlung spielt und beide wurden so bildreich beschrieben,
dass meine Vorstellungskraft sehr angeregt war! Die beiden Autoren haben einen wirklich
guten Stil, der toll zur Geschichte passt (, auch wenn man sich eben dran gewöhnen
muss).
„Galgenmädchen“ ist eine spannende und facettenreiche
Geschichte um ein starkes Mädchen, das zur Frau reift und mit dem Leben Katz
und Maus spielt. Gitte ist eine tolle Protagonistin und die Nebenfiguren sind
ebenfalls sehr gut gelungen. Die Schauplätze der Geschichte beeindrucken und
der Stil ist authentisch, wenn auch manchmal eher ungewöhnlich. Die Handlung
verlagert oft ihren Fokus und bleibt dadurch abwechslungsreich. Ich wurde nach und
nach von diesem Buch gefangen genommen und denke noch sehr viel über die
Geschichte nach. Ich vergebe 4,5 Spitzenschuhe für das „Galgenmädchen“ und ihren Kampf um das Leben und die Freiheit.
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