Titel: Sturz der Titanen
Autor: Ken Follett
Sprecher: Johannes Stecke
Verlag: Lübbe Audio
Preis: 13,49€
Seiten: 1041
Dauer: 930 Min.
Der Name „Ken Follett“ hat etwas Respekteinflößendes. Mit
seinen Büchern verbindet man Epen, zentimeterdicke Jahrzehnt oder
Jahrhundertdramen. Kurzum: verdammt gute und verdammt dicke Bücher. Ich habe
mich bisher nie an etwas von Follett gewagt, meine Mutter wollte dies aber
scheinbar ändern. Sie schenkte mir das Hörbuch zu „Sturz der Titanen“, dem
ersten Teil der sogenannten Jahrhundert-Saga. Das Original hat 1041 Seiten, das
Hörbuch 12 CDs. Gewaltig, wenn man mich fragt. Mit etwas Zeit wagte ich mich an
die Geschichte und war sehr gespannt. „Sturz der Titanen“ ist ein authentisches,
gut recherchiertes Buch über den ersten Weltkrieg und seine Folgen in einem
sehr interessanten fiktiven Rahmen. Manchmal etwas schwer, manchmal etwas zu
wollüstig – und trotzdem wirklich bemerkenswert.
Klappentext
1914. In Europa herrscht Frieden, doch die Weltmächte rüsten
zum Krieg. Ein einziger Funke könnte dieses Pulverfass entzünden. Der Schatten
des drohenden Konflikts fällt auf die Lebenswege mehrerer Familien aus
verschiedenen Ländern, die sich über ein ganzes Jahrhundert immer wieder
kreuzen werden.
- Ethel Williams, Kind einer Bergmannsfamilie aus Wales, ist Dienerin im Haus
von Earl Fitzherbert. Als sie von ihm ein Kind erwartet, wird sie in Schande
entlassen. Aber Ethel lässt sich nicht entmutigen und beginnt, während die
Männer ins Feld ziehen, für die Rechte der Frauen zu kämpfen.
- Walter von Ulrich, Spross einer Adelsfamilie, sehnt sich nach einem
demokratischen Deutschland. In London verliebt er sich in die emanzipierte Lady
Maud. Am Tag vor der deutschen Kriegserklärung an Russland heiraten sie
heimlich. Aber der Krieg reißt die Liebenden auseinander.
- Grigori und Lew Peschkow wachsen in St. Petersburg als Waisen auf. Der
rechtschaffene Grigori wird zum Revolutionär. Sein leichtfertiger Bruder gelangt
in Amerika zu Reichtum. Doch dann muss Lew zur Armee, kehrt als Soldat in die
Heimat zurück - und sieht sich seinem Bruder gegenüber.
Meinung
Ich bewundere Ken Follett. Nie im Leben könnte ich mir
vorstellen, ein Buch wie „Sturz der Titanen“ zu schreiben. Geschweige denn zwei
Fortsetzungen. Das Buch ist mit seiner Geschichte riesig, so will ich es ausdrücken. Alles ist in einem so großen
Rahmen angesetzt, vollkommen unabhängig voneinander. Erst langsam werden die
Verknüpfungen aufgebaut und alle Handlungsstränge in eine Richtung gezogen. Am
Anfang ist es einfach nur schwer zu folgen und man fühlt sich mit jeder neuen
Figur, die auftaucht, erschlagen. Es erfordert Konzentration, dem Verlauf zu
folgen und zu begreifen, wer jetzt mit wem was am Laufen hat und in welchem
Land man überhaupt grade ist. Follett meistert aber auch einfach Unschaffbares.
Er siedelt den Roman in England, Deutschland, Russland und den USA an. Alle
vier Länder haben natürlich eine große Bedeutung für den ersten Weltkrieg und
gleichzeitig hat jedes Land mit all seinen Einwohnern seine ganz eigenen
Probleme. Ich finde, dass gerade dieser Umstand unglaublich gut zur Geltung
kommt. Meiner Meinung nach hat der Autor wirklich gut recherchiert. Denn er
musste so viel bedenken. Es ist sicher nicht leicht, in diesem ganzen Kriegschaos
noch den Überblick zu behalten und gleichzeitig authentisch historische
Ereignisse, wie etwa die Russische Revolution einzuarbeiten. Genau das finde
ich an „Sturz der Titanen“ unglaublich gut. Es ist mehr als clever, wie Follett
all seine Geschichten zusammenlaufen lässt. Nachdem man endlich den Überblick
über alle Charaktere gewonnen hat, fällt einem das Folgen der Geschichte nicht
mehr schwer. Außerdem sorgen diese vielen Perspektiven für eine unglaubliche
Abwechslung.
Meine persönliche Lieblingsgeschichte war die um Walter und Maud. Auf ihre
Szenen habe ich immer wieder gehofft. Aber auch Will Williams, Ethels kleiner
Bruder, war für mich ein Herzenscharakter. Insgesamt sind die Figuren so
vielseitig und vollkommen verschieden. Es gibt die guten, die bösen, die
unberechenbaren, die rechtschaffendes, die egoistischen und die kämpfenden. In
einem riesigen Handlungskomplex lassen sich viele Untergeschichten finden, die
Follett nie vernachlässigt und die die Geschichte letztendlich zu dem machen,
was sie ist: bemerkenswert.
Für das Grundkonzept fällt mir nichts anderes als Lob ein. Das Thema ist sicher
gewöhnungsbedürftig. Ich habe ein paar Mal gelesen, dass einige die Präsenz des
Krieges kritisieren. Nun ja. In einem Roman, der im Rahmen des ersten
Weltkrieges spielt, ist dies wohl kaum vermeidbar. Die Allgegenwärtigkeit des
Krieges sehe ich sogar als überaus positiv an. Es verdeutlicht die Unsinnigkeit
und das Leid, was ich heute als extrem wichtig empfinde. Außerdem macht Follett
den gekonnten Versuch, geschichtlich zu lehren. Der erste Weltkrieg ist ein so
komplexes historisches Thema, dem man sich in Romanform sicher gut annähern
kann. Ich denke schon, dass ich am Rande etwas gelernt habe, auch wenn viele
historische Fakten nur so nebenbei erwähnt werden. Follett macht Geschichte
wieder real und führt so die Wichtigkeit dieser vor, was ich großartig finde. Schon
allein deswegen sollte man sich mit diesem Buch oder auch der ganzen Reihe
beschäftigen. Da ich gerade die Reihe anspreche: „Sturz der Titanen“ ist ein in
sich abgeschlossenes Buch. Die Fortsetzung „Winter der Welt“ handelt von der
nächsten Generation, die im ersten Teil bereits das Licht der Welt erblickt. Ich
hätte es nicht erwartet, aber irgendwie reizt mich das zweite Buch schon. Auch,
da es nun in den zweiten Weltkrieg geht. Dass „Sturz der Titanen“ abgeschlossen
ist, finde ich gut. Allerdings endet es 1923, als Hitler gerade wegen seines
Putschversuchs eingesperrt wird. Die Urteile der Figuren über das Geschehen
sind in diesem Zusammenhang extrem interessant.
Die Handlung kann allgemein als interessant betitelt werden. Natürlich spielt
Politik eine große Rolle. Viele Szenen spielen außerdem auf dem Schlachtfeld.
Überwiegend ist das aber nicht. Der Gesellschaftsschnitt wird jedenfalls sehr
deutlich und gut dargestellt.
Mir gefielen ein paar Kleinigkeiten allerdings auch nicht. Das ist zum Teil das
Vokabular, was aber mit bestimmten Figuren einhergeht. Lew Peschkow ist wohl
insgesamt die hassenswerteste Figur überhaupt. Naja, oder Fitz. Aber Lew
verwendet ein sehr derbes und vulgäres Vokabular. Fast alle Männer haben
ständige Sexfantasien und leben diese auch aus. Neben der Sprache, war dies der
zweite Punkt, den ich nicht mochte. Andauernd schläft irgendwer mit irgendwem
und das wird auch hübsch ausführlich geschildert. Wenn man das Buch hört, ist
es noch schlimmer. Sexszenen zu lesen ist kaum so befremdlich, wie sie zu
hören.
Insgesamt ist der Sprecher Johannes Steck ein angenehmer Leser. Das Buch ist
relativ maskulin, weshalb seine Interpretation gut passt. Die Hintergrundmusik
am Ende mancher Kapitel fand ich überflüssig. Der Sprecher liest flüssig und
betont angemessen. Im Allgemeinen ist auch der Stil von Follet gut und
geschmeidig und das Vokabularproblem ist eher eine Charaktereigenschaft mancher
Figuren, dennoch gefiel sie mir nicht.
Fazit
„Sturz der Titanen“ ist ein überwältigendes Buch. Der
Versuch, ein riesiges Stück Geschichte mit fiktiven Handlungspunkten zu
vereinen und einen großen Roman daraus zu machen, ist mehr als gelungen. Zwar
hatte ich mit kleinen Teilen Probleme, doch insgesamt ist das Buch das Lesen
oder Hören wert. Die Geschichte ist vielseitig, interessant und lehrreich.
Neugierig hat der Autor mich auf jeden Fall gemacht, so dass ich vielleicht
sogar zu Band zwei greifen werde. Ich vergebe 4 von 5 Spitzenschuhen.
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