Titel: Tochter der Flut
Autor: Jake Halpern & Peter Kujawinski
Verlag: Ravensburger
Preis: 15,00€
Seiten: 384
Wenn auf Marins Insel nach 14 Jahren Tag die endlose Nacht
hereinbricht, muss ihr Volk fliehen. Denn die eisige Dunkelheit überlebt
niemand. Doch Marin und ihr Freund Line verpassen die rettenden Boote. Und das
nur, weil Line den Anhänger gesucht hat, den sie verloren hatte. Angeblich
verloren. Und so wird ihr Schweigen zur Zerreißprobe ihrer Liebe. Und zum
Beginn eines knallharten Überlebenskampfes …
Vom Cover von „Tochter der Flut“ schaut ein Mädchen den
Leser mit entschlossenem Blick entgegen. Das Cover und der Titel machen
neugierig und dann folgt der spannende Klappentext. Nach kurzem Überlegen
gelangte ich zu dem Schluss, das Buch lesen zu wollen. Der Einstieg ins Buch
fiel mir allerdings schwer. Auch, da ich tatsächlich etwas ganz anderes
erwartet habe und meiner Meinung nach der Klappentext auch etwas anderes
propagiert. Auf dem Buchrücken steht nur etwas von einem Mädchen, einem Jungen,
deren Liebe und der furchteinflößenden Dunkelheit. Ich rechnete also mit einer
Liebesgeschichte und zwei Protagonisten. Doch weit gefehlt. Tatsächlich gibt es
drei Protagonisten und ehrlich gesagt finde ich es auch nicht in Ordnung, den
dritten so vollkommen unerwähnt zu lassen. Des Weiteren geht es meiner Meinung
nach nur sehr entfernt um eine Liebesgeschichte, was auch vollkommen in Ordnung
ist. Denn die beiden Protagonisten Marin und Line, die als Liebespaar gemeint
sind, sind erst 14 Jahre alt. Natürlich ist das alt genug, um sich zu
verlieben, um von wahrer Liebe zu sprechen aber vielleicht doch etwas zu früh.
Vor allem steht die Liebe nie im Vordergrund. Es gibt tiefe Gefühle und beide
geben offen zu, ineinander verliebt zu sein, aber ansonsten führt dieser
Erzählstrang ins Leere. Kein Kuss, keine Zärtlichkeiten. Wie gesagt, das fand
ich vollkommen in Ordnung. Ich finde nur, dass der Klappentext daher vollkommen
verfehlt ist! Denn eigentlich steht die dritte Person viel mehr im Vordergrund,
als Marin oder Line. Es geht um Marins Zwillingsbruder Kana, der ein Geheimnis
bewahren muss. Die drei bleiben gemeinsam auf der Insel zurück und schlagen
sich durch. Sie arbeiten als Team, beginnen sich zu misstrauen und doch ist
ihre Verbindung alles, was sie haben. Ich kam lang Zeit mit keinem der drei
Protagonisten klar, obwohl sie mir alle sehr imponiert haben. Das lag aber
daran, dass ich generell Probleme mit dem Anfang des Buchs hatte. Das Szenario
muss erst einmal begriffen werden und dann kommen die Namen. Auch wenn das
nebensächlich ist, hatte ich riesige Probleme mit den Namen. Marin = Mädchen,
Line = Junge und Kana = Junge. In meinem Kopf wollte das nicht so recht
zusammen passen (, vielleicht auch, weil eine gute Freundin von mir Line heißt
und ich daher immer die Assoziation „Mädchen“ hatte). Bis zum Ende konnte ich
das Problem nicht lösen, aber mit der Zeit wird das Buch tatsächlich so
ungewöhnlich und spannend, dass ich das ausblenden konnte. Die drei
Protagonisten sind trotz ihres Alters schon sehr abgeklärt und haben alle sehr
interessante Geschichten.
Das Beste an dem Buch ist tatsächlich das Thema der Dunkelheit. Die Autoren
haben sich eine der ältesten Ängste des Menschen zu Nutze gemacht und spielen
mit ihr. Heutzutage ist es schwer vorstellbar, dass wenn der Tag sich dem Ende
neigte, es vollkommen dunkel war. Viele Menschen verbinden mit Dunkelheit Angst
und wenn ich so überlege, gehöre ich zu diesen Menschen dazu. Man hat sich
einfach so sehr an elektrisches Licht gewöhnt, dass die Welt, mit der man in
„Tochter der Flut“ konfrontiert wird, so vollkommen anders ist. Immer wieder
musste ich darüber nachdenken, ob ich so mutig gewesen wäre wie Marin, Line
oder Kana. Hätte ich mich im Wald auf einer Insel um Dunkeln zurecht gefunden?
Hätte ich überlebt? Oder wäre ich direkt von dem Unbekannten getötet worden?
Denn mit der Nacht geht natürlich auch das Unbekannte einher. Niemand weiß, was
in der Nacht passiert, die 14 Jahre lang andauert. Und schon allein das macht
das Buch spannend. Denn lange Zeit weiß der Leser es auch nicht – fest steht
nur, dass was auch immer da ist, gefährlich ist. Und so entsteht eine Art
Katz-und-Maus-Spiel gegen die Zeit. Die drei Jugendlichen wollen von der Insel
runter, doch das ist kein leichtes Unterfangen und ihr Leben wird bedroht. Aber
von was?
Die Figuren passen gut zur Geschichte und sind ebenso ungewöhnlich, wie diese.
Der Plot ist spannend gestaltet und der Leser will vor allem am Ende wissen,
wie es ausgehen wird. Man zittert mit den Protagonisten und hinzu kommt noch
Kanas besondere Situation. Es ist ein spannender Mix aus Thrillerelementen,
Jugendbuch aber auch Fantasy. Der rote Faden ist vorhanden und man kommt sehr
schnell durchs Buch. Auch, weil die Kapitel relativ kurz gehalten werden. Die
Erzählperspektive ist etwas distanziert und leider wechselt die Sichtweise
andauernd. In einem Satz wird aus Marins Sicht erzählt und im nächsten plötzlich
ins Lines. Das gefiel mir gar nicht. Generell ist der Stil aber gut und
einfach.
Das Buch unterhält wirklich großartig, nachdem man sich ein wenig eingelesen
hat und vor allem packt es den Leser. Mich hat es aufgrund seiner Thematik
gefesselt, die ja eigentlich so simpel ist, doch mit einer Urangst zu spielen,
hat es in sich. Außerdem gefiel mir die Auflösung und die Logik der Geschichte.
Was ich aber einfach nicht verstehen kann, sind zwei Punkte. Den fehlleitenden
Klappentext sprach ich bereits an. Aber auch das Cover und der Titel passen
absolut null zur Geschichte! Im Original heißt die Geschichte „Night Fall“ und
hat ein Cover, das drei Silhouetten in einem dunklen Wald zeigt. DAS passt zur
Geschichte. Aber nicht das Wort „Flut“, oder das verschnörkelte Gesicht. Klar,
das Gesicht soll Marin und ihre Entschlossenheit darstellen. Auch die Schnörkel
machen Sinn, aber ehrlich gesagt finde ich beides unglaublich schlecht gewählt.
Und trotzdem kann die Geschichte nichts für diese Formalia, weswegen ich sie nicht
in die Bewertung einbeziehen.
Nehme ich also die Geschichte, den Stil und das Thema
zusammen, bleibt ein tolles Buch übrig. Es braucht zwar ein wenig Zeit, um sich
aufzubauen und die Geschichte beginnen zu lassen, doch ist dies geschehen, wird
es spannend. Die Dunkelheit bietet einfach so viele verschiedene Facetten, dass
die Geschichte funktionieren muss. Da ich Anfangsprobleme hatte, kann ich nicht
die volle Punktzahl vergeben. Doch ich bin mir sehr sicher, dass ich „Tochter
der Flut“ so schnell nicht vergessen werde, denn die Geschichte ist außer- und
ungewöhnlich. Und deswegen vergebe ich 4,5 Spitzenschuhe.
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