Titel: House of Night - Versucht
Autor: P. C. Cast & Kristen Cast
Verlag: Fischer
Preis: 16,95€
Seiten: 608
Noch nie habe ich eine Reihe gelesen, bei der ich mehr
Ausdauer beweisen musste, als bei „House of Night“. Würde ich selbst einmal
eine Buchreihe schreiben, würde ich wohl nie auf den Gedanken kommen, sie über
12 Bücher zu ziehen. Doch die Autorinnen P.C. Cast und Kristen Cast sind da
anders und strecken ihre Geschichte, rund um die Jungvampir-Hohepriesterin Zoe
und ihre Freunde. Und obwohl ich wirklich meine Probleme mit verschiedenen
Facetten der Geschichte habe (Beziehungsfünfeck inzwischen und nervige
Protagonistin), muss ich zugeben, dass sie es insgesamt ganz gut machen. Der
Erzählfluss ist von Buch zu Buch ungestört, die Handlung wird zwar gezogen, hat
aber immer wieder innovative Einschläge und irgendwas passiert in Zoes Leben ja
immer. Der sechste Teil „Versucht“ hat mir gut gefallen, obwohl ich fast
dachte, dass es nach dem guten fünften Band wieder bergab geht. Doch weit
gefehlt: Das Niveau hält sich und „Versucht“ wird zu einem guten Buch zum
Abschalten.
Nachdem Zoey und ihre Freunde Kalona und Neferet aus Tulsa
vertrieben haben, hätten sie eigentlich eine Pause verdient. Aber obwohl Zoey
und ihr sexy Krieger Stark sich erst einmal von ihrer Begegnung mit dem Tod
erholen müssten und auch die Jungvampyre die Nachwirkungen von Neferets
Terrorherrschaft zu verarbeiten hätten, ist ihnen allen keine Ruhe vergönnt.
Stevie Rae glaubt mit ihren außergewöhnlichen Kräften gut allein all das regeln
zu können, was sie vor ihren Freunden verheimlicht. Doch eine mysteriöse und
beängstigende Macht breitet sich in den Tunneln unter Tulsa aus. Aber Stevie
Rae will nicht sagen, was dort vor sich geht und was sie dort gemacht hat.
Allmählich beginnt Zoey sich zu fragen, ob sie ihr überhaupt noch vertrauen
kann.
Werden sie die richtigen Entscheidungen treffen oder werden dunkle Mächte das
House of Night zerstören?
Wow, mal ein richtig ausführliches Klappentext des Buches.
Er trifft durchaus zu, meiner Meinung nach kann man in ihm aber schon ein paar
Schwächen des Buches erraten – wobei es sich hier vielmehr um Schwächen der
Reihe und nicht dieses spezifischen Buches handelt. Inzwischen habe ich mich
mit vielem in „HoN“ abgefunden. Vor allem versuche ich nicht mehr so streng zu
Zoe zu sein. Ich fand sie immer sehr nervig, arrogant und egoistisch. Außerdem
ist sie nicht der Mensch, der monogam leben kann und das ist für mich
eigentlich das größte Problem an ihr: Ihre Jonglage mit den Männern. Manchmal
verwenden die Autorinnen deutlich zu teeniebehaftetes Vokabular (Klappentext: „ihr
sexy Krieger“ – ah ja), was ein bisschen lächerlich wirkt. Insgesamt muss ich
aber sagen, dass Zoe langsam zu reifen beginnt und das habe ich in diesem Teil
erstmals gespürt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich Zoe jemals richtig
mögen werde, aber ich beginne sie zu akzeptieren.
Außerdem hat „Versucht“ eine
Neuerung an sich. Es ist das erste Buch der Reihe, das sich nicht auf Zoes
Perspektive beschränkt. Die meisten Kapitel sind zwar weiterhin aus ihrer Sicht
geschrieben, doch andere Kapitel schildern die Sicht von Stevie Rae, Aphrodite
oder Rephraim. Bei plötzlichen Erzählerweschseln bin ich eigentlich immer
skeptisch. Des Weiteren bin ich an Zoes Perspektive gewöhnt, ich erkenne aber
auch den Vorteil des Perspektivwechsels. So erschließen sich dem Leser ganz
andere Dimensionen, man bekommt von verschiedenen Geschehnissen mehr mit, wenn
Zoe eben gar nicht an Ort und Stelle ist.
Genau das wird in diesem Buch auch
wichtig, denn Stevie Rae mausert sich immer mehr zur zweiten Protagonistin, die
einen neuen Handlungsstrang eröffnet. Sie wird ebenfalls als Hohepriesterin
angesehen, allerdings als die der roten Vampire. Damit hat sie eine ganze Menge
Macht und weitere Probleme, die sie ihren Freunden noch nicht anvertrauen
möchte. Wichtig ist für „Versucht“ die Beziehung zwischen Stevie Rae und
Rephaim, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hatte, die ich aber interessant
finde. Die Geschichte entwickelt sich und das auf jeden Fall zum Positiven!
Die
Charaktere, die eine starke Freundschaft verbindet, beginnen auch selbständig
zu werden. In diesem Zusammenhang gefallen mir Aphrodite und Darius mit Abstand
am besten. Die Zwillinge spielen in diesem Teil nur eine sehr kleine Rolle, was
mir nichts ausmacht, da ich die beiden noch nie authentisch fand. Damien und Jack
gefielen mir weiterhin sehr gut. Stark ist für mich noch ein wenig ambivalent,
doch er hat Potenzial. Nervig ist nur, dass er Zoe – seine Lady – so sehr
chauffiert. Aber tun sie das nicht alle? Ich war immer ein großer Fan von Erik,
allerdings entwickelt dieser sich negativ, so dass die Autorinnen ihn langsam
auszublenden beginnen. Bleibt noch Heath, Zoes menschlicher Gefährte. Ich
wusste, dass es irgendwann so weit kommt, wie beim fiesen Cliffhänger dieses
Bands. Heath ist ein netter Kerl, aber eigentlich hatte er doch was Besseres
verdient, als Zoe. Aber gut, seine Entscheidung. Es gibt eine große
Charaktervielfalt und für jeden Leser sollte etwas dabei sein. Lustigerweise
gefallen mit immer die absoluten Nebenfiguren am besten, wie hier Schwester Mary
Angela oder Zoes Grandma. Zuletzt sei noch ein Wort zu den Bösewichten gesagt.
Neferet und Kalona sind schwer zu durchschauen und auch ich war verwirrt, doch
hier finde ich die beiden Figuren sehr gut gelungen. Beide sorgen für Chaos und
ich bin gespannt, wie es mit ihnen weitergeht.
Insgesamt ist das Ende wirklich fies und der Klappentext des nächsten Bandes
klingt merkwürdig. Aber jeder HoN-Band hat ein gemeines Ende, hier wird es
allerdings wirklich emotional und man möchte wissen, was nun passieren wird.
Der Erzählstil ist simpel, es steht nicht viel auf einer Seite und deswegen
kommt man sehr schnell durch die mehr als 550 Seiten. Die verwendete Sprache
ist jugendlich, manchmal etwas zu krass, aber alles in allem sehr gut lesbar.
Inzwischen bin ich im „House of Night“ Universum angekommen.
Immer wenn ich zum nächsten Teil greife, ist das Vorangegangene sehr präsent
und man kommt immer wieder gut in die Geschichte. „Versucht“ ist ein gutes
Buch, das das Level konstant hält. Mich hat der sechste Teil wunderbar unterhalten.
Ich würde nicht von super viel Spannung sprechen, aber die Geschichte hat mein
Interesse geweckt und hat ihren eigenen Charm. Die Autorinnen schaffen es durch
ihren flüssigen und einfachen Stil immer wieder, mich abzuholen. Und deswegen
habe ich Zoe und ihre Freunde, die ein sehr starkes Band verbindet, wieder gern
begleitet. Das Ende ist ganz furchtbar und gemein und deswegen werde ich auch
bald weiterlesen. „Versucht“ bringt mich in die Versuchung wieder vier
Spitzenschuhe zu vergeben – und dieser Versuchung gebe ich gern nach.
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