Titel: Jenseits der blauen Grenze
Autor: Dorit Linke
Verlag: Magellan
Preis: 16,95€
Seiten: 304
Vielleicht kann man sogar so weit gehen und „Jenseits
der blauen Grenze“ aus heutiger Sicht als historischen Roman bezeichnen, da er
sich auf eine unglaubliche Art und Weise mit der DDR Geschichte
auseinandersetzt. Der Roman von Dorit Linke war 2015 für den Deutschen
Jugendliteraturpreis nominiert und ist ein großartiges Werk, das man mit
Faszination und Ergreifen liest. Es macht die damalige DDR-Realität vorstellbar
und erzählt dem Leser eine unvergessliche Geschichte.
Inhalt
Hanna und Andreas halten es in der DDR nicht mehr aus. Von
der Staatsmacht unterdrückt und all ihren Zukunftsmöglichkeiten beraubt bleibt
ihnen nur die Flucht. Kein Abitur, kein Wunschberuf, stattdessen nur die Arbeit
in einem Dieselmotorenwerk bringt die beiden dazu in den Westen zu wollen –
über die Ostsee, also über die blaue Grenze. Fünfzig Kilometer schwimmen, mit
nichts als dem, was sie am Körper tragen können. Dunkelheit, Kälte und körperliche
Erschöpfung. Und nur eine Schnur verbindet die beiden im Wasser und rettet sie
vor der absoluten Einsamkeit…
Meinung
Dach Buch beginnt sehr unvermittelt. Hanna und Andreas
stehen am Beginn ihrer Flucht über die Ostsee. Der Plan ist gut durchdacht,
doch was die beiden Jugendlichen wirklich erwartet, können sie nicht wissen.
„Jenseits der blauen Grenze“ erzählt eine sehr berührende Geschichte.
„Berührend“ allerdings nicht im Sinne von Romantik, sondern eher im Sinne von
Ergreifung. Die beiden Jugendlichen, die sich im August 1989 zur Flucht
entschieden haben, sprießen voller Leben und können die nahende Wende nicht
absehen. Wer hätte das damals wohl auch tun können? Für den Leser, der nun
einmal mehr weiß als die Protagonisten, ist dies sehr traurig. Aber macht das
die Geschichte nicht noch lesenswerter?
Als Leser begibt man sich zusammen mit Hanna und Andreas au die Flucht. Das
Buch ist nicht in normale Kapitel oder Ähnliches unterteilt, sondern lediglich
in wechselnde Abschnitte. Während der Flucht erinnert sich Hanna, die
Ich-Erzählerin, an ihr Leben in der DDR. Auch wenn die Flashbacks manchmal
etwas verwirrend sind, da sie nicht alle in chronologischer Reihenfolge stehen,
erfährt man so sehr viel über die DDR. Ich bin Geschichtsstudentin und hatte
das Thema der DDR im Abitur. Demnach würde ich nicht sagen, dass ich wenig über
die DDR weiß. Aber der Stoff, den Dorit Linke in den Roman einarbeitet, kann
man so nicht kennen, wenn man kein Zeitzeuge ist. Das Buch ist unglaublich
authentisch und real. Das Leben der Jugend in der DDR wird lebendig erzählt, so
dass man die Gefühle und Handlungen zwischen verzweifelt und rebellisch mehr
als nachvollziehen kann. Die Gedanken der Jugend, die man vielleicht wirklich
stellvertretend betrachten kann, sind erschütternd. Es ist faszinierend, wie
sich die Menschen in diesem Staat gefühlt haben, wie der Schulalltag aussah,
wie man auf rebellische Handlungen reagierte und wie offen man mit der Not an
allem, vor allem an westlichen Waren, klarkam. Besonders schön finde ich es, wie
die berühmten Witze über die DDR ins Buch fließen. Es ist allzu bekannt, dass
die Menschen, die die Witze vor den falschen Menschen erzählten inhaftiert und
von der Stasi beobachtet wurden. Was das betrifft, haben die Protagonisten in
„Jenseits der blauen Grenze“ wohl Glück gehabt. Doch allzu viel haben sie davon
auch nicht, denn beobachtet werden auch sie im Alltag.
Die Protagonisten gefielen mir ebenfalls sehr gut. Die Authentizität ist in
Büchern mit geschichtlichem Faktor sehr wichtig und die ist hier mehr als
gelungen. Hanna ist Leistungsschwimmerin, fiel dem System aber des Öfteren
negativ auf, weshalb sie das Abitur nicht machen darf und auch sportlich nicht
vorankommen wird. Andreas ist ein absoluter Verlierer des Systems. Der Bad-Boy
im Buch, von denen es viele gegeben haben muss. Und dann wäre da noch
Sachsen-Jensi, der dritte im Bunde, der mit seinem niedlichen Humor besticht.
Auch wenn nur Hanna und Andreas fliehen, handeln die Flahbacks doch immer von
den drei besten Freunden, die eigentlich alle das Gleiche denken.
Der Schreibstil der Autorin ist klasse. In den Flashbacks, die einen großen
Teil im Buch einnehmen, ist er flüssig und nah. In den Passagen der Flucht ist er umso
interessanter. Er ist von der Anstrengung der beiden geprägt und von den
Gedanken der Ungewissheit. Jederzeit können sie erwischt werden und das
beschäftigt Hanna ungemein. Mit dem nahenden Ende, naht auch die körperliche
Erschöpfung – und dem ist der Schreibstil angepasst. Die Sätze werden kürzer.
Ellipsen beherrschen die Seiten. Man bekommt nur noch Gedankenfetzten mit.
Dieses sprachliche Mittel finde ich einfach nur gut und ist sehr schlau
eingesetzt.
Fazit
Ich wurde im gesamten Leseprozess gefesselt. Dorit Linke,
die selbst Leistungsschwimmerin war, erzählt die Geschichte authentisch und
ergreifend. Sie bringt den Leser dazu ebenfalls entsetzt, traurig und
verzweifelt zu sein. Man fühlt mit der Geschichte mit und lernt nebenbei noch
eine Menge über den Alltag in der DDR. Ein Land, das noch gar nicht so lange
von der Bildfläche verschwunden ist. Für mich bildet „Jenseits der blauen
Grenze“ sowohl eine spannende Lektüre, als auch ein gut recherchiertes
geschichtliches Werk. Ich möchte es mit dem Attribut „großartig“ beschreiben
und verbleibe voller Respekt und Freude über dieses gute Buch mit 5
Spitzenschuhen.
Dieses Buch steht auch schon länger auf meiner Wunschliste....es wird definitiv bald hier einziehen =)
AntwortenLöschenLIebe Grüße
Martina
Das hatte ich tatsächlich Dienstag in der Bibliothek in der Hand. Ich denke, das muss ich irgendwann nochmal lesen, klingt nämlich wirklich gut. Tolle Rezenesion. :)
AntwortenLöschenIch hab dich übrigens getaaaaggt! :D
Das Buch ist auch wirklich gut! Auch wenn man es gar nicht so erwartet :) Witzig, dass ich es mir auch aus der Bib geholt hab :D
LöschenCool...da mach ich mich doch ganz bald dran :)
:* :*