13. Januar 2016

Rezension: "Jenseits der blauen Grenze" von Dorit Linke


Titel: Jenseits der blauen Grenze
Autor: Dorit Linke
Verlag: Magellan
Preis: 16,95€
Seiten: 304


Vielleicht kann man sogar so weit gehen und „Jenseits der blauen Grenze“ aus heutiger Sicht als historischen Roman bezeichnen, da er sich auf eine unglaubliche Art und Weise mit der DDR Geschichte auseinandersetzt. Der Roman von Dorit Linke war 2015 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und ist ein großartiges Werk, das man mit Faszination und Ergreifen liest. Es macht die damalige DDR-Realität vorstellbar und erzählt dem Leser eine unvergessliche Geschichte.

Inhalt


Hanna und Andreas halten es in der DDR nicht mehr aus. Von der Staatsmacht unterdrückt und all ihren Zukunftsmöglichkeiten beraubt bleibt ihnen nur die Flucht. Kein Abitur, kein Wunschberuf, stattdessen nur die Arbeit in einem Dieselmotorenwerk bringt die beiden dazu in den Westen zu wollen – über die Ostsee, also über die blaue Grenze. Fünfzig Kilometer schwimmen, mit nichts als dem, was sie am Körper tragen können. Dunkelheit, Kälte und körperliche Erschöpfung. Und nur eine Schnur verbindet die beiden im Wasser und rettet sie vor der absoluten Einsamkeit…

Meinung


Dach Buch beginnt sehr unvermittelt. Hanna und Andreas stehen am Beginn ihrer Flucht über die Ostsee. Der Plan ist gut durchdacht, doch was die beiden Jugendlichen wirklich erwartet, können sie nicht wissen.
„Jenseits der blauen Grenze“ erzählt eine sehr berührende Geschichte. „Berührend“ allerdings nicht im Sinne von Romantik, sondern eher im Sinne von Ergreifung. Die beiden Jugendlichen, die sich im August 1989 zur Flucht entschieden haben, sprießen voller Leben und können die nahende Wende nicht absehen. Wer hätte das damals wohl auch tun können? Für den Leser, der nun einmal mehr weiß als die Protagonisten, ist dies sehr traurig. Aber macht das die Geschichte nicht noch lesenswerter?
Als Leser begibt man sich zusammen mit Hanna und Andreas au die Flucht. Das Buch ist nicht in normale Kapitel oder Ähnliches unterteilt, sondern lediglich in wechselnde Abschnitte. Während der Flucht erinnert sich Hanna, die Ich-Erzählerin, an ihr Leben in der DDR. Auch wenn die Flashbacks manchmal etwas verwirrend sind, da sie nicht alle in chronologischer Reihenfolge stehen, erfährt man so sehr viel über die DDR. Ich bin Geschichtsstudentin und hatte das Thema der DDR im Abitur. Demnach würde ich nicht sagen, dass ich wenig über die DDR weiß. Aber der Stoff, den Dorit Linke in den Roman einarbeitet, kann man so nicht kennen, wenn man kein Zeitzeuge ist. Das Buch ist unglaublich authentisch und real. Das Leben der Jugend in der DDR wird lebendig erzählt, so dass man die Gefühle und Handlungen zwischen verzweifelt und rebellisch mehr als nachvollziehen kann. Die Gedanken der Jugend, die man vielleicht wirklich stellvertretend betrachten kann, sind erschütternd. Es ist faszinierend, wie sich die Menschen in diesem Staat gefühlt haben, wie der Schulalltag aussah, wie man auf rebellische Handlungen reagierte und wie offen man mit der Not an allem, vor allem an westlichen Waren, klarkam. Besonders schön finde ich es, wie die berühmten Witze über die DDR ins Buch fließen. Es ist allzu bekannt, dass die Menschen, die die Witze vor den falschen Menschen erzählten inhaftiert und von der Stasi beobachtet wurden. Was das betrifft, haben die Protagonisten in „Jenseits der blauen Grenze“ wohl Glück gehabt. Doch allzu viel haben sie davon auch nicht, denn beobachtet werden auch sie im Alltag.
Die Protagonisten gefielen mir ebenfalls sehr gut. Die Authentizität ist in Büchern mit geschichtlichem Faktor sehr wichtig und die ist hier mehr als gelungen. Hanna ist Leistungsschwimmerin, fiel dem System aber des Öfteren negativ auf, weshalb sie das Abitur nicht machen darf und auch sportlich nicht vorankommen wird. Andreas ist ein absoluter Verlierer des Systems. Der Bad-Boy im Buch, von denen es viele gegeben haben muss. Und dann wäre da noch Sachsen-Jensi, der dritte im Bunde, der mit seinem niedlichen Humor besticht. Auch wenn nur Hanna und Andreas fliehen, handeln die Flahbacks doch immer von den drei besten Freunden, die eigentlich alle das Gleiche denken. 
Der Schreibstil der Autorin ist klasse. In den Flashbacks, die einen großen Teil im Buch einnehmen, ist er flüssig und nah.  In den Passagen der Flucht ist er umso interessanter. Er ist von der Anstrengung der beiden geprägt und von den Gedanken der Ungewissheit. Jederzeit können sie erwischt werden und das beschäftigt Hanna ungemein. Mit dem nahenden Ende, naht auch die körperliche Erschöpfung – und dem ist der Schreibstil angepasst. Die Sätze werden kürzer. Ellipsen beherrschen die Seiten. Man bekommt nur noch Gedankenfetzten mit. Dieses sprachliche Mittel finde ich einfach nur gut und ist sehr schlau eingesetzt.

Fazit




Ich wurde im gesamten Leseprozess gefesselt. Dorit Linke, die selbst Leistungsschwimmerin war, erzählt die Geschichte authentisch und ergreifend. Sie bringt den Leser dazu ebenfalls entsetzt, traurig und verzweifelt zu sein. Man fühlt mit der Geschichte mit und lernt nebenbei noch eine Menge über den Alltag in der DDR. Ein Land, das noch gar nicht so lange von der Bildfläche verschwunden ist. Für mich bildet „Jenseits der blauen Grenze“ sowohl eine spannende Lektüre, als auch ein gut recherchiertes geschichtliches Werk. Ich möchte es mit dem Attribut „großartig“ beschreiben und verbleibe voller Respekt und Freude über dieses gute Buch mit 5 Spitzenschuhen.



3 Kommentare:

  1. Dieses Buch steht auch schon länger auf meiner Wunschliste....es wird definitiv bald hier einziehen =)
    LIebe Grüße
    Martina

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  2. Das hatte ich tatsächlich Dienstag in der Bibliothek in der Hand. Ich denke, das muss ich irgendwann nochmal lesen, klingt nämlich wirklich gut. Tolle Rezenesion. :)
    Ich hab dich übrigens getaaaaggt! :D

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    1. Das Buch ist auch wirklich gut! Auch wenn man es gar nicht so erwartet :) Witzig, dass ich es mir auch aus der Bib geholt hab :D
      Cool...da mach ich mich doch ganz bald dran :)
      :* :*

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